Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely

Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland - Anna-Maria Wessely


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Bockwürstchen mit Kartoffelsalat. Die Verantwortlichen bedachten allerdings hierbei nicht, dass die Buchenländer an diesem Abend nur Fastenspeisen essen.

      Das Schlimmste aber ist, dass sie keine Arbeit haben und nur zum Rumsitzen verdonnert sind. Einige lassen sich daher für irgendwelche Dienste einsetzen.

      An diese Situation können sich die Familien nicht gewöhnen. Wenn sie zusammensitzen sprechen sie über ihre neuen Sorgen und Nöte.

      »Wie sollen wir das überleben? « , quillt es aus Katharinas Mutter heraus. Nur langsam verstehen die Menschen was geschehen ist. Die Familie versucht das Beste aus dieser Situation machen.

      Katharinas Mutter ist froh, dass die Kinder jetzt in eine deutsche Schule kommen. In der Zeit, in der die Kinder die Schule besuchen, müssen die Erwachsenen viele Befragungen und Untersuchungen über sich ergehen lassen.

      Man berichtet ihnen von Durchschleusung und Gesundheitsuntersuchungen. Auch die Werbetrommeln für das Nazisystem werden gerührt. Sie hören vom tausendjährigen Reich und Hitlers Errungenschaften und, dass sie zu »richtigen Deutschen « erzogen werden. Die Menschen können mit diesen Aussagen nicht viel anfangen. Immer wieder fallen ihnen die vielen Hitlerbilder und Fahnen auf.

      Katharinas Vater hat die Situation erkannt: »Die Nazis belügen uns. Wir sollen das von Hitler besetzte Polen eindeutschen und unsere Burschen der Wehrmacht überlassen. Für unser Häuser bekommen sie Rohstoffe für den Krieg « .

      Ihnen fällt auf, dass die SS-Verwaltung hinter den jungen Männern her ist. Nach einigen Tagen berichtet Otto stolz: »Ich komme zur SS. Schon in zwei Wochen soll meine Ausbildung in München beginnen. Ich bin froh, dass ich hier rauskomme « .

      Hinterher erfahren sie, dass die SS Vorrechte für die Einziehung besitzt. Zur Wehrmacht können sie nur, wenn sie deutsche Papiere in der Hand haben.

      Auch Katharina kommt Tage später mit der Botschaft nach Hause: »Mir hat man eine Ausbildung zur Kinderpflegerin in Greifswald angeboten. Ich habe das Angebot noch nicht angenommen, weil mir in letzter Zeit übel ist « .

      »Mach die Ausbildung, dann kommst du hier aus diesem Elend heraus « , empfiehlt ihr ihre Mutter. »Ich warte lieber noch ab, vielleicht geht es mir bald besser « . »Du wirst doch nicht in anderen Umständen sein? « , gibt ihre Mutter zu bedenken. »Mama, das kann alles sein, aber warten wir ab. Sprich bitte mit Niemand darüber « , vertraut sie ihrer Mutter an. »Kind, du weißt, das können wir jetzt gar nicht gebrauchen « , beendet ihre Mutter dieses Thema.

      Es sind Tage und Wochen vergangen, als Katharina ihre Mutter wieder anspricht: »Ich war beim Arzt. Der Arzt hat festgestellt, dass ich im vierten Monat schwanger bin « . »Jetzt ist mir auch klar, warum du so viel bei Viorel warst? « , gibt ihr ihre Mutter zu verstehen. »Mama, was soll ich jetzt machen, ihr müsst mir helfen « , kommt es beschwörend von Katharina zurück.

      »Dann wird das ein Blumenkind « , kann sich ihre Mutter nicht verkneifen. »Was ist ein Blumenkind? « , hinterfragt Katharina. »Ein Blumenkind ist ein Kind, dass auf einer bunten Wiese entstanden ist « , kommt es zurück. Jetzt wissen Beide nicht, ob sie lachen oder weinen sollen.

      »Das wird für uns nicht einfach. Was werden die Menschen im Lager dazu sagen « , kommt von ihrer Mutter. Lange lassen sich die Umstände von Katharina nicht verheimlichen.

      Während die Menschen im Lager hinter vorgehaltener Hand tuscheln, sagt ihr Vater gar nichts zu der Situation. Ob ihre kleinen Geschwister das mitbekommen haben, wissen sie nicht.

      Monate später kommt Katharina zu ihrer Mutter: »Ihr müsst mich ins Krankenhaus bringen, ich glaube es ist soweit! « . Es ist schwierig ein Auto zu besorgen und sie in das nächste Krankenhaus zu bringen. Es dauert einige Zeit, bis die frohe Botschaft verkündet wird: »Katharina hat einen gesunden Jungen zur Welt gebracht « .

      Jetzt freut sich nicht nur die Familie, sondern auch die Umsiedler in der Umgebung freuen sich. Jedenfalls tun sie so.

      Die große Überraschung kommt dann von der Lagerveraltung. Katharina und das Neugeborene bekommen ein eigenes Zimmer.

      »Gut, dass ich jetzt arbeite, dann kann ich etwas Essen für uns abzweigen « , gibt Katharinas Mutter beim Auspacken von Brot und Wurst zum Besten. Ihr Vater arbeitet in einem Betrieb im Ort und kommt abends hungrig nach Hause.

      Von Otto hört man nichts. Der befindet sich in einer Ausbildungskompanie in München.

      Das Gute ist, dass Katharina jetzt mit dem Neugeborenen in ihr eigenes Zimmer einziehen kann. Sie strahlt vor Glück. Das überträgt sich auf die ganze Familie und die Menschen in der näheren Umgebung.

      Die Umsiedler haben inzwischen im Lager gesammelt und Kleinigkeiten besorgt, die Katharina jetzt gut gebrauchen kann. Soviel Solidarität hat sie nicht erwartet. Sogar ein Kinderbett und eine Wickelkommode findet sie im Zimmer vor. Die trübe Stimmung im Lager scheint sich hierdurch aufzuhellen. Alle freuen sich mit Katharina. Niemand hätte erwartet, dass ein Baby soviel Hoffnung verbreitet.

      Da lässt sich Katharinas Mutter zu der Aussage hinreißen: »Soviel Hilfe von vielen Seiten habe ich nicht erwartet. Gemeinsam werden wir das Kind groß ziehen « . Auch ihre Geschwister sind begeistert.

      Es vergehen Tage, Wochen und Monate. Inzwischen haben die Umsiedler ihre Einbürgerungsurkunden erhalten. »Jetzt sind wir auch auf dem Papier Deutsche « , gibt Katharinas Vater zum Besten. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir ein neues Haus bekommen « , schiebt er nach.

      Nach den offiziellen Befragungen werden die Umsiedler in drei Gruppen eingeteilt. Mischehen werden ausgesondert. Familien mit nichtdeutschen Mitgliedern sollen ins Altreich. Nur reindeutsche Familien werden in Oberschlesien angesiedelt. Dass es sich dabei um von den Nazis in Polen besetzte Gebiete handelt, erfahren sie erst später.

      Inzwischen sind viele Umsiedlerfamilien aus dem Lager ausgezogen. Auf diese Weise werden Bekannte und Familien auseinander gerissen. »Wir werden sehen, was mit uns geschehen wird? « , gibt sich Katharinas Mutter optimistisch.

      Eines Tages kommt der Lagerkommandant zur Familie und sagt ihr: »Nächste Woche werden Sie das Lager verlassen, weil Sie angesiedelt werden « . »Was das wohl sein wird? « , fragt Katharinas Vater. »Ihr werdet es sehen! « , ist die Antwort des Lagerverantwortlichen.

      Willi und Dora

      Während Katharina und ihre Familie sich mit den Unbilden des Lagerlebens herumschlagen, führen Dora und Willi in der Südbukowina ihren eigenen Existenzkampf. Sie haben sich mit der rumänischen Familie, die beim Einmarsch der Sowjets aus der Nordbukowina in den Süden flüchteten und in das Haus von Johann und Rosa eingezogen sind, angefreundet. Im Haus nebenan sind ebenfalls Flüchtlinge aus Czernowitz eingezogen. Sie haben sich mit ihnen angefreundet.

      Nur so können sie ihr Überleben sichern. Aber auch hier im Süden werden die Juden immer mehr angefeindet. Dora gibt sich nicht als Jüdin zu erkennen. Nach der Rückeroberung der Nordbukowina durch das rumänische Militär erreicht sie von ihrem Onkel Max ein Brief, der ihnen von Reisenden zugesteckt wird. Er schreibt:

      Liebe Dora, lieber Willi,

      seid froh, dass ihr jetzt nicht in Czernowitz seit. Nachdem die Rumänen zurück sind, sind auch die Nazis hier. Ihr wisst, was die mit den Juden vorhaben. Hier ist der Teufel lost. Die Nazis wollen uns alle umbringen. Vor zwei Wochen musste ich Hals über Kopf in das Ghetto im Süden von Czernowitz umziehen. Hier leben wir unter unmenschlichen Bedingungen. Nach und nach werden Menschen abgeholt und zur Arbeit nach Transnistrien deportiert. Weil Czrnowitz jetzt ausblutet, hat der rumänische Bürgmeister für viele Juden Unabkömmlichkeitsbescheinigung ausgestellt. Damit können sie in Czernowitz bleiben.

      Ich hoffe nur, dass es Euch in der Südbukowina besser geht. Dass es einmal so schlimm kommen wird, hätte ich nie gedacht. Die Nazis haben die deutsche Kultur und Geschichte verraten.

      Ich teile Euch die Anschrift von meinem Bruder in

       Amerika mit. Vielleicht


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