Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely
Deutschen aus der von den Sowjets besetzten Nordbukowina entschädigt werden und nach Deutschland umgesiedelt werden sollen.
Diese Nachricht wühlt alle auf, hat man doch ähnliche Äußerungen auch hier gehört. Niemand kann sich vorstellen alles liegen und stehen zu lassen und nach Deutschland zu gehen.
Wie ein Lauffeuer geht die neue Nachricht durch das Dorf. Hier kennt jeder Jeden. Katharina und ihre Mutter klappern die große Verwandtschaft ab, um zu hören was sie dazu sagen.
Ein paar Häuser weiter wohnt Onkel Oskar, der ist Waldmanipulant und ein richtiger Waldmensch. Er hat sich gerade ein neues Haus gebaut. Das alte musste er verkaufen, weil er Holz aus dem Wald an eine Zündholzfabrik verkauft hatte, dass sich nicht für Streichhölzer eignete.
Dann gibt es noch Cousinen und Cousins von Katharinas Mutter, die mit ihren Familien im Nachbarort Luisenthal leben und auch Freunde und Bekannte. Alle haben etwas gehört, aber wissen nichts Genaues.
Sie fragen sich nur, wie das werden soll, wenn der Norden mit der alten Hauptstadt abgekoppelt wird. Eine verdammt unruhige Zeit.
Die Umsiedlung
Im Laufe des Septembers stellt sich heraus, dass es zwischen Stalin und Ribbentropp, einem Hitlervertrauten, zu einer Umsiedlungsvereinbarung für alle Deutschen in der besetzten Nordbukowina gekommen soll. Das soll nicht nur für die Deutschen in der Hauptstadt Czernowitz gelten, sondern auch für die umliegenden Orte.
Das löst bei allen Konfusion aus. Willi und Dora wissen nicht, was sie nun machen sollen. Sie müssen damit rechnen, dass sich die jüdische Herkunft von Dora nicht verheimlichen lässt. Eine Trennung kommt für die beiden nicht in Frage. Die Deutschen im Süden der Bukowina fragen sich ob sie die Nächsten sind?
Die Sommergäste aus Bukarest sind inzwischen abgereist. Katharina und ihre Mutter räumen das Sommerhaus aus, denn jetzt kann die Familie wieder in ihr Haus einziehen.
Es wird auch Zeit, denn die Nächte sind kühler geworden. Katharinas Mutter hat Willi und Dora das Sommerhaus angeboten. Sie möchten aber bei Katharinas Tante bleiben.
Die Menschen versuchen wieder den Allttag einziehen zu lassen. Jetzt beginnt die Erntezeit und es steht viel Arbeit vor ihnen. Gemeinsam werden sie die Vorräte für den Winter anlegen.
Katharinas Mutter geht es seit einigen Tagen gar nicht gut. Sie ist traurig und grübelt viel. Sie denkt wohl daran, was jetzt alles geschehen kann. Trotzdem machen sie in ihrem alten Trott weiter.
Die nächste Zeit vergeht ohne neuen Informationen, bis im Oktober das Gerücht gestreut wird, dass sich auch die Deutschen aus der Südbukowina der Umsiedlung der Nordbukowina anschließen sollen.
Man spricht davon, dass Hitler die deutschen Bewohner heim ins Reich holen will.
Diese Botschaft löst bei Willi und Dora Panik aus. »Das ist das Schlimmste, was passieren kann « , sagen die beiden, denn inzwischen ist bekannt, wie Nazideutschland mit den Juden umgeht. Sie haben von den angezündeten Synagogen und den Enteignungen der Juden und den Bücherverbrennungen gehört.
Willi und Dora sind nicht in der Lage mit uns darüber zu sprechen. Sie ziehen sich ganz zurück. Entweder sind sie in ihrem Zimmer oder sie gehen in den Wald. Sie sind anscheinend so verzweifelt, dass alle Angst haben, dass sie sich etwas Schlimmes antun können.
Wenn sie die Beiden beim Essen sehen, stellen sie fest wie sie leiden. Die schlaflosen Nächte zermürben sie. Aber was können sie tun?
»Meine Eltern haben anscheinend noch nicht begriffen, was die neuen Nachrichten für uns bedeuten. Was soll aus den Deutschen im Süden der Bukowina werden? « , fällt Katharina ein. Hinter vorgehaltener Hand spricht man sogar darüber, dass die Russen in den Süden der Bukowina vorrücken sollen.
Im Oktober ist es amtlich. In einem Abkommen zwischen Deutschland und Rumänien wurde vereinbart, dass auch die Deutschen aus Südbukowina umgesiedelt werden. Ein freiwilliger Zwang. Die Umsiedler sollen entschädigt werden und erhalten neues Eigentum. Ohne Hauptstadt Czernowitz können sich die Deutschen die Bukowina auch nicht vorstellen.
Diese Botschaft löst bei Katharina und ihrer Familie Kopflosigkeit aus. Katharina hat ihre Arbeit aufgegeben, weil sie jetzt dringend zu Hause benötigt wird, denn man will trotzdem das Gemüse aus dem Garten ernten und winterfest machen.
Katharina fragt ihre Mutter: »Lohnt sich das noch? « . Ihre Mutter will sich nicht davon abbringen lassen die Ernte einzubringen und kümmert sich weiter um das Vieh.
»Mama, hast du nicht mitbekommen, was alles erzählt wird! « , spricht Katharina ihre Mutter eines Tages an. »Aber ja Kind, wir sehen doch jeden Tag wie Willi und Dora leiden. Bisher habe ich geglaubt, das gilt nur für den Norden « , antwortet ihre Mutter.
Katharina hat den Eindruck, dass ihre Mutter alles verdrängt. Sie hofft natürlich, dass sie selbst irgendwann ein viel besseres Leben führen kann.
Es dauert nicht lange, bis die ersten Reichsdeutschen im Ort eintreffen. Sie gehören der SS an, weil Hitler Himmler mit der Umsiedlung der Volksdeutschen beauftragt hat. Es wird eine Umsiedlungskommission gebildet, der auch Einheimische angehören
»Siehst du Mama, jetzt wird es Ernst! « , wirft Katharina ihrer Mutter an den Kopf. »Hör nur auf, wir haben noch viel zu tun « , ist ihre verzweifelte Antwort.
Im Dorf gibt es kein anderes Thema als die Umsiedlung. Es strömen immer mehr reichsdeutsche SS-Offiziere ein, die in größeren Orten Aussiedlungsstäbe einrichten und für die deutschen Bürger im Land Verwaltungsaufgaben übernehmen. Sie sind gut organisiert. Es geht alles sehr schnell.
»Willi und Dora, die von uns Hilfe erwarten sind jetzt ganz verzweifelt. Sie können nicht zurück und nach Deutschland können sie auch nicht «, erkennt Katharina .
Jetzt müssen sich die deutschen Dorfbewohner mit den Gedanken der Umsiedlung auseinandersetzen. Täglich prasseln neue Hiobsbotschaften auf die Menschen ein.
Mal heißt es, im Süden kann man mehr mitnehmen als in der Nordbukowina, mal sagt man, dass es nicht stimmt. Im Norden können die Umsiedler nur 50 kg Handgepäck mitnehmen. Auch heißt es, jeder Umsiedler wird in Deutschland voll entschädigt.
Katharinas Mutter sagt nur: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alles, wofür wir ein Leben lang gearbeitet haben, liegen und stehen lassen sollen « .
Katharina hat zu diesen Dingen keine so enge Bindung. »Wichtig ist doch, dass es uns irgendwann besser geht, als hier. Ihr habt doch mitbekommen, dass wir nichts mehr zu sagen haben « , gibt Katharina zum Besten.
Ihr Vater kann sich nun gar nichts vorstellen. Er weiß nicht wie es mit dem Steinbruch weitergehen soll. »Wie stellen die sich das vor? Soll ich die Arbeiter nach Hause schicken? Und wo soll ich den Sprengstoff lassen? « . Fragen über Fragen fallen ihm ein. Sein jüdischer Arbeitgeber kümmert sich jetzt nicht mehr um den Steinbruch. »Vielleicht ist er schon zu den Russen übergegangen? « , kommentiert er ironisch. Seine Frau wirft ein: »Wir müssen auf jeden Fall noch unsere Schulden beim jüdischen Kaufmann bezahlen! « .
Halbherzig bringen sie nun doch noch die Ernte ein. Wer weiß, wer weiß, lautet die Devise. Sie schlachten sogar ein Schwein und einige Gänse.
Das Gänsefleisch wird gebraten und mit samt dem Fett in Steinkrügen haltbar gemacht. »Man kann nie wissen, was noch auf uns zukommt? « , gibt resigniert Katharinas Mutter von sich.
Willi und Dora helfen kräftig mit. Zum Einen wissen sie nichts mit der Zeit anzufangen und zum Anderen wissen sie auch nicht was aus ihnen wird.
Aus Czernowitz hört man nur, dass die Deutschen Richtung Deutschland umgesiedelt werden. Auch die Verwandten von Katharina.
Von Tag zu Tag werden hier im Süden die Umsiedlungsgedanken konkreter. Für den rumänischen Staat wird in einer gemischten Kommission das Vermögen der Deutschen dokumentiert, das der Staat an Nazideutschland bezahlen soll.
In Czernowitz gehört