Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely
werden ihre Körbe gesegnet. Zuhause angekommen gehen sie zuerst zu den Tieren, dann in den Hof, danach in das Haus und am nächsten Morgen zu den Angehörigen – überall sagt man dreimal » Christus ist auferstanden! « und erhält die gleiche Antwort. Jetzt ist alles gesegnet und sie dürfen den Korb abstellen. Die roten Eier und das Geld werden aus dem Korb genommen und in Wasser gelegt. Mit dem gesegneten Wasser waschen sie das Gesicht. Davon wird man stark und gesund, heißt es. Erst Ostersonntag isst man die Speisen aus dem Korb. Am Ostermontag gehen die Familien wieder in die Kirche und danach auf den Friedhof. Dort wird etwas aus den Körben auf die Gräber der Angehörigen gelegt, damit die Toten am Fest teilhaben können. Anschließend werden Verwandte und Bekannte besucht. Dienstag nach Ostern begießen die Männer die Frauen mit Wasser. Die Frauen schenken den Männern dafür ein bemaltes Ei. Die lange und strenge Fastenzeit und das gute Essen zu Ostern, führt bei den Rumänen häufig zu Magenverstimmungen. Auch bei anderen Volksgruppen finden ähnliche Rituale statt. Diese Symbolik zeigt, wie wichtig das Osterfest in der Bukowina ist. Auch in der Familie von Katharina hat das Osterfest und die damit verbundene Fastenzeit eine besondere Bedeutung.
Die Osterfeiertage, die in der orthodoxen Mythologie ein Symbol für Trauer, Hoffnung, Erwachen und neues Leben sind, ist auch beispielhaft für die Natur in den Karpaten in dieser Zeit. Der Schnee, das weiße Gewandt, das die Landschaft bedeckt hat, ist geschmolzen. Die Spuren des Winters hinterlassen braune Wiesen, kahle Wälder und morastige Wege. Zaghaft versucht die Natur wieder Kraft zu schöpfen. Nur die wärmende Sonne lässt das nahende Frühjahr und die Kraft des Sommers erahnen. Neues Leben erwacht.
***
Bei Katharina, ihren Eltern und ihren Geschwistern bleibt dieses Osterfest in besonderer Erinnerung. Das Trauerjahr für die verstorbene Baba ist noch nicht zu Ende und ihre Mutter ist wieder gesund.
Erwartungsvoll holt Katharina mit Viorel den Besuch aus Czernowitz vom Bahnhof ab. Es gibt nur noch kleine Schneereste. In den Bergen und in den Tälern erwacht zaghaft die Natur.
Freudig und mit Schwung laden sie das Gepäck auf und steigen in die Kutsche. Mit dem Schlitten können sie jetzt nicht mehr fahren.
Sie rücken dicht zusammen und fahren durch das Dorf. Wieder an der Moldau mit den Bergen Adam und Eva im Hintergrund vorbei.
Vor der Hoftor warten Katharinas Eltern und Geschwister. Nur die Baba fehlt dieses Mal. Nach der Begrüßung laufen die Kinder in den Garten und in den Stall. Aufgeregt läuft der Hund hinterher.
Bei der Begrüßung der Tiere stellen sie fest, dass einige Tiere fehlen. Sie fragen aber nicht, was mit ihnen geschehen ist und kommen in die Stube.
Sie fragen, wo ist Baba? Dann stocken sie. Ach ja, jetzt fällt ihnen ein, dass Baba ihre Ankunft vom Himmel aus beobachtet hat. Sie vermissen sie sehr.
Durch den Austausch von Neuigkeiten überbrücken sie die angespannte Situation. Katharina interessieren Neuigkeiten aus der Stadt. Die Gäste sprechen das erste Mal über Gerüchte, die Ungewissheit in der Stadt verbreiten.
Da Katharinas Familie im Dorf hinter dem Mond lebt, versteht sie nicht, was ihnen die Städter erzählen. Sie sprechen lieber über Ostern.
Da der Ostersamstag der letzte Fastentag ist, werden sie heute keine Fleischspeisen essen. Es gibt Forellen mit Kren (Meerrettich), die vom Hausherrn aus dem Bach hinter dem Garten gefangen wurden. Die Kinder freuen sich auf die Powidltascherln und die verschiedenen Süßspeisen.
Am Tisch bleibt der Stuhl von Baba leer. Sie schließen sie in ihr Tischgebet ein. Im Herzen ist sie bei ihnen. Die Kinder vertreiben schnell die aufkommende Schwermütigkeit mit Fragen nach dem Ostereiersuchen.
Ostersonntag schleicht sich Katharina früh aus dem Haus, um an verschiedenen Stellen im Garten Ostereier und Süßigkeiten in kleinen Nestern aus Heu zu verstecken.
Schon vor dem Frühstück rennt die Kinderschar mit Körben aus dem Haus. Aufgeregt vergleichen sie beim Frühstück was sie gefunden haben.
Zum Osterfrühstück wird gekochter Schinken mit Ei und Kren gereicht, begleitet mit der lustigen Tradition des Eierpickens.
Nach dem der Frieden unter den Kindern hergestellt ist, machen sie sich auf den Weg in die Kirche. Vorbei an den mit bunten Eiern geschmückten Vorgärten begegnen sie herausgeputzte Rumänen. Ob in rumänisch oder in deutsch, die Menschen wünschen sich gesegnete Ostern oder besser »Christus ist auferstanden! « .
Als sie mit dem Ostersegen aus der Kirche kommen, scheint ihnen die Sonne entgegen. Auf dem Heimweg fällt ihnen auf, dass vor dem Haus Buben herumlungern.
Katharinas Vater geht jetzt etwas schneller, um zu sehen was sie wollen. Als sie an ihnen vorbei gehen, stellen sie Anspannung in ihren Gesichtern fest. Beunruhigt gehen sie ins Haus und bereiteten das Mittagessen vor.
Bei allen war Unsicherheit spürbar. Da Katharinas Vater erst nach Ostern das gefährliche Material aus der Werkstatt in den Bunker im Steinbruch umlagert, wissen die beiden Männer, dass sich der Sprengstoff noch im Haus befindet.
Erst als Katharinas Vater kopfschüttelnd erzählt, dass die beiden Burschen von ihm Dynamit zum Fische fangen kaufen wollten, löst sich bei allen die Spannung.
Es kehrt wieder Ruhe ein, als sich die große Schar an den festlich gedeckten Tisch begibt. Es gibt leckeren Lammbraten mit Mamaliga (Polenta). Die Männer trinken heute Bier, das in Krügen aus der Gastwirtschaft herbeigeschafft wurde. Die Kinder bekommen Mohnnudeln.
Die warme Sonne lockt sie bald wieder nach draußen. Der Kuchen und Torten für den Nachmittag stehen schon bereit. Die kräftigen Sonnenstrahlen und der ausgedehnte Spaziergang tut allen gut.
Gelassen sehen die Frauen dem Ostermontag entgegen, an dem die Männer aus der Nachbarschaft die Frauen zum Begießen aufsuchen. Mit einem eingeschenkten Schnaps gelingt es ihnen die meist rumänischen Männer zum Weitergehen zu bewegen.
Der Besuch und die vielen Gespräche haben Katharina davon abgehalten, zu Ostern Viorel und seine Familie zu besuchen.
Erst bei Abreise der Gäste fährt Viorel mit der Kutsche vor und bringt sie zum Bahnhof. Sie wollen schnell wieder nach Hause. Auch waren sie dieses mal nicht so fröhlich wie sonst.
Katharina und ihr Vater
Nach Ostern beginnt sehr schnell der Alltag. Wenn Katharina Zeit hat, bringt sie ihrem Vater mittags das Essen in den Steinbruch. Sonst übernehmen ihre Geschwister diese Aufgabe.
Katharina macht sich auf den Weg. Es ist ein schöner Weg, auf dem es ihr nie langweilig wird. Sie geht an kleinen Häusern vorbei einen steilen Weg hinauf. Der Weg endet in einem Pfad mit zwei Spuren, die Räder der Pferdewagen hinterlassen haben.
Es blühen schon viele Blumen an den Rändern, die sie als Kind gerne gepflückt hat. Vor den Bergen Adam und Eva machen Nachbarn das erste Heu. Es duftet nach Blumen und Gras. Nur vorbeifahrende Züge verbreiten Qualm und Gestank.
Auf der anderen Seite führt eine Böschung hinunter zu den Bahngleisen. Die hier vorbeischnaubenden Züge bringen Abwechslung. Bei Nordwind hört man das Schnauben der Dampflokomotiven bis nach Hause.
Heute sieht Katharina weder Züge noch Adam und Eva. Ihr kommt Viorel in den Sinn. Vielleicht, weil sie auf dem Weg zum Steinbruch an seinem Haus vorbei kommt.
Sie haben sich für heute Nachmittag verabredet. Noch weiß sie nicht, ob sie es schaffen wird ihn zu besuchen. Durch die Grübelei kommt sie mit Verspätung im Steinbruch an.
Aus der Ferne sieht sie, wie die Männer auf sie warten. Die Kinder von anderen Arbeiten sind schon angekommen. Andere kommen ihr bereits entgegen.
Sie beeilt sich jetzt. Als sie den warmen Topf auf den staubigen Tisch vor der Arbeiterwerkstatt abstellt, erwart sie eine Lektion.
Katharina ist überrascht als ihr Vater und ihr Onkel friedlich bleiben, obwohl sie einen riesigen Hunger haben.
Ihr Vater fragt nur: »Was hast du uns Schönes mitgebracht? «