Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely

Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland - Anna-Maria Wessely


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      Jetzt stellen sich alle die Frage, ob die Musiker durch den Schnee hier ankommen werden. »Wenn alle Stricke reißen, nehmen wir den Dorfmusiker mit seinem Akkordeon « , denkt Katharina. Katharina erinnert sich derweil an den weiten Weg, den Rosanah vom Ende des Dorfs vor sich hat.

      Sie werden ihre schönen Kleider anziehen, vielleicht sogar ihre Trachtenröcke. Katharinas Mutter sucht etwas Passendes aus ihrem Kleiderschrank.

      »Hier, schau mal, ist der Rock nicht schön, der wird dir bestimmt passen? « , fragt sie, als sie ihre alte böhmische Tracht hervorholt.

      »Meinst du Mama? « , und schon probiert ihn Katharina an. Als ihre Mutter sie sieht, sagt sie verschmitzt: »Gut schaust aus, jetzt fehlt noch à fescher Bursch! « . Daraufhin lenkt sie ab: »Rosanah wird die Bauerntracht ihrer Mutter anziehen « .

      Dick angezogen und mit roten Wangen klopft Rosanah etwas später an die Haustür. Sie hat einen langen Weg hinter sich. »Du siehst gut aus « , kommt ihr entgegen. Die Rumäninnen haben traditionell warme Winterbekleidung. Weiße Fellstiefel, braun-rote Wollstrümpfe, darüber ein dunkles Wollkleid und eine weiße Jacke aus Schaffell.

      »Ich werde noch den Mantel überziehen, denn Rosanah hat eine dicke Felljacke an « , sagt sie aufgeregt, bevor sie mit ihrem Bruder und Rosanah losmarschieren. Katharina ist mit langen weißen Strümpfen, einem langen Rock mit Schürze und einer Strickjacke ausgestattet.

      Unterwegs treffen sie Nachbarn, die mit ihnen durch den Schnee stapften. Rosanah geht mit der Petroleumlampe vorweg. Da es keinen Strom gibt, gibt es auch keine Straßenbeleuchtung.

      »Die Lampe habe ich für den Rückweg mitgenommen « , meint Rosanah.

      Schon aus der Ferne hören sie Musik. Jetzt sind sie erleichtert. Ein gutes Zeichen, denn die Kapelle ist durch den Schnee hier angekommen.

      Als Katharina Rosanah fragt: »Ich bin gespannt, ob auch rumänische Burschen kommen? « , gibt Rosanah kleinlaut zu: »Mein Bruder wird für uns einen Tisch freihalten « . »Aha! « denkt Katharina.

      Sie kommen in den Saal und sehen Viorel an einem großen Tisch sitzen, als er auf die leeren Stühle hinweist. Katharina hat Hemmungen und setzt sich nicht in die Nähe von Viorel.

      Später flüstert ihr Bruder ihr zu: »Ich glaube Viorel hat ein Auge auf dich geworfen? « . Sie bekommt einen roten Kopf und versucht ihre Verlegenheit zu überspielen.

      Inzwischen spielt die Musik ein Lied nach dem anderen. Alle tanzen, nur Viorel und Katharina bleiben sitzen.

      Erst später stellt Katharina fest, dass Viorel genauso schüchtern ist wie sie. Während die Anderen tanzen, kommen die beiden ins Gespräch. Seine Geschichten und seine Gestik gefallen ihr. Im Laufe des Abends wagen sie sich auch auf die Tanzfläche und kommen sich einwenig näher.

      Katharina ist stolz auf dieses Fest. Sie fragt Viorel verlegen: »Ist das nicht ein schönes Fest, es hat meinen Namen? « Dieses Mal wurde Viorel verlegen und stammelte nur ein »da « (für ja).

      Sie haben sich gerade etwas angenähert, als ihr Bruder sie an den Heimweg erinnert. Notgedrungen verabschieden sie sich von Rosanah und Viorel. Rosanah zündet vor der Tür die Laterne für den Heimweg an.

      »Das war also das Kathreinfest, mein Namenstag? « , sagt Katharina auf dem Heimweg zu ihrem Bruder und denkt dabei an das Fest im letzten Jahr. .

      Vor Weihnachten

       Die Tage sind kürzer geworden. Im Tal wird es schon früh dunkel. Schnee und Kälte bestimmen im Winter das Leben in den Karpaten.

      Es kostet viel Kraft die Wege freizuhalten. Die meiste Arbeit haben die Männer mit ihren Pferden, um mit dem Schneepflug die Wege im Dorf befahrbar zu machen.

      Die Menschen bleiben lieber in ihren warmen Häusern und hoffen, dass die Vorräte ausreichen. Die Jahreszeiten und die Natur bestimmen ihren Lebensrhythmus.

      Katharinas Familie ist vor Weihnachten stark beschäftigt. Es gilt viel vorzubereiten. In der Adventszeit sind die langen Abende am warmen Ofen dafür genau das Richtige.

      In den Häusern kehrt Ruhe ein. In diesem Jahr wird Katharinas Tante und ihre Familie aus Czernowitz zum Weihnachtsfest anreisen. »Dann erfahren wir wieder Neues aus Stadt « , denkt Katharina. Sie ist sehr gespannt, weil sie irgendwann selbst in die Stadt ziehen wird.

      Durch die häufigen Besuche in der Stadt hat sie ein gespaltenes Verhältnis zum Dorfleben. In Czernowitz gibt es Vieles, was es hier im Dorf nicht gibt.

      Dort gibt es Straßenbahnen, eine Universität und ein wunderschönes Theater. Die vielen modernen Geschäfte haben Katharina stark beeindruckt. Viele kluge Köpfe leben in der Stadt.

      Czernowitz ist nicht nur die Hauptstadt der Bukowina, Czernowitz hat auch internationales Flair. Czernowitz ist ein Mikrokosmos mit vielen Völkern. Leben und leben lassen lautet die Devise. Die alte Habsburger Atmosphäre müssen die Machthaber mittragen, ob sie wollen oder nicht. Wien ist den Menschen dort näher als Bukarest.

      Tiefsinnig denkt Katharina über ihr Leben auf dem Lande nach. Sie hat am eigenen Leib die Veränderungen erfahren. Obwohl sie mit den Rumänen gut auskommen, fallen ihr immer wieder die Veränderungen auf.

      Seit einem Jahr haben sich die rumänischen und deutschen Regierungen angenähert. Plötzlich schlägt ein Stimmungsumschwung bis zu den Menschen durch.

      Die rumänische Regierung hat ihre nationale Rumänisierungspolitik gegenüber der deutschen Minderheit deutlich abgeschwächt. Man redet jetzt über Nazideutschland und Hitler.

      Bislang fühlte sich die deutsche Minderheit allein gelassen. Katharina versteht diesen Stimmungswandel nicht, obwohl sie hofft, dass sich gerade für die jungen Deutschen in der Bukowina etwas zum Besseren verändert. In ihren Gedanken lässt sie die vergangenen Jahre Revue passieren.

      Aus der Vergangenheit kennt sie die schrecklichen Geschichten über ihre Großväter. Einer ist im hohen Alter bei Arbeiten im Steinbruch abgestürzt und tödlich verunglückt.

      Der Vater ihrer Mutter hat nach dem Krieg die Schmiede aufgegeben und ist bei der Entschärfung von großkalibriger Munition aus dem Ersten Weltkrieg tödlich verunglückt.

      Nur die Baba hat alles gesund überlebt. Jetzt kümmert sich Katharina um sie, denn die Baba ist im Alter krank und schwach geworden.

      Sie denkt auch an ihre Mutter, die morgens um vier aufsteht und schon drei Stunden Arbeit hinter sich hat, bevor sie die Kinder versorgt. Sie hat dann schon die Kuh auf die Weide gebracht und den Haushalt gemacht.

      Katharina hat mitbekommen, was die Menschen hier leisten und trotzdem zufrieden und glücklich sind.

      Während ihr Vater sechs Tage in der Woche im Steinbruch schwer arbeitet, kümmert sich ihre Mutter um Haus, Garten und Kinder.

      Neben der Gartenarbeit und der Versorgung der Tiere stellt ihre Mutter viele Kleidungsstücke her, backt, kocht und versorgt die ganze Familie.

      »Mit der Arbeit ist es hier so eine Sache « , fängt Katharinas Vater an zu erzählen. »Ich weiß, dass man mit dem Geld, dass ich verdiene, keine großen Sprünge machen kann. Dafür kann ich aber zu Fuß in den Steinbruch gehen. Die Waldarbeiter kommen erst Sonntag nach Hause, um sich auszuruhen und um für die Woche Proviant mit in den Wald zunehmen. Hier arbeiten sie schwer und schlafen in Hütten « .

      »Wir haben aber manchmal Angst um dich. Du hast

       überall blaue Flecke « , bemerkt Katharina. »Wenn eine Ladung nicht explodiert, dann muss ich nachschauen. Dabei kann dann etwas passieren « , erklärt er Katharina.

      ***

      Man muss wissen, dass die Frauen den großen Garten bestellen und ernten, das Vieh und den Haushalt versorgen und viele Dinge des täglichen Bedarfs, wie Wolle spinnen, weben, nähen und stricken und mehr herstellen. Dabei gehört das Brotbacken, die Butter- und Käseherstellung noch zu den feinen Arbeiten.


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