Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely
geschwungen habe«. Baba erzähl weiter, fordert sie Katharina auf. »Bei uns roch es nach Kohle, nach Pech und Schwefel. Wenn Pferde beschlagen wurden nach dem verschmortem Horn der Hufe«.
»Und wie hast du deine Kinder behütet?«, will Katharina wissen. »Sie durften nicht in die Werkstatt. Dafür durften sie auf den abgestellten Pferdewagen spielen«. »Das waren ja
Abenteuerspielplätze«, fällt Katharina dabei ein.
Die Baba gerät ins Schwärmen, wenn sie vom Herzogtum erzählt: »Als Herzogtum gehörte die Bukowina zu Österreich. Wir haben Kaiser Franz Josef verehrt. Er hat die Bukowina gern und oft besucht«.
Katharina bohrt weiter: »Und wie war es im Ersten Weltkrieg?« »Schrecklich, die jungen Männer mussten zum kaiserlichen Militär. Es gab hier schwere Kämpfe. Dabei sind zwei meiner Söhne im Krieg geblieben. Vinzenz sollte Opas Werkstatt übernehmen.
Wie du weißt haben die Österreicher und die Deutschen den Krieg verloren und die Bukowina wurde Rumänien zugeschlagen. Die österreichischen Beamten haben daraufhin das Land verlassen. Wir waren dann keine Deutschen und keine Österreicher mehr«.
»Und was ist mit Opa geschehen?«, will Katharina wissen. »Uns ging es in dieser in dieser Zeit schlecht«, erzählt sie, »da hat Franz Metall gesammelt. Bei der Entschärfung von großer Munition ist eine Granate explodiert. Dabei er ist er verunglückt«.
»Ich wusste nicht, dass Opa so schrecklich gestorben ist«, stellt Katharina fest. »Der andere Opa ist auf seinen alten Tagen im Steinbruch abgestürzt«.
»Ja, Kind, über diese Dinge haben wir in der Familie nicht gesprochen. »Das ist traurig!«, mehr kann Katharina nicht sagen und zeigt Baba ihren Stoff im Webstuhl, um sie auf andere Gedanken zu bringen.
»Der Stoff ist bald fertig. Ich werde mir einen Hosenanzug nähen«, sagt Katharina. »Mädel, eine Frau zieht keine Hose an«, erwidert die Baba entsetzt. Mit den Worten: »Ich habe so einen Hosenanzug in der Stadt gesehen«, versucht Katharina Baba zu beruhigen.
Baba erinnert sich an eine alte Geschichte: »Weist du, was mir auf dem Nachhauseweg von euch ein Mal passiert ist?«, fragt Baba. »Nein, erzähl«, muntert Katharina sie auf.
»Eines Abends, es lag Schnee und es war kalt und dunkel. Als ich von euch nach Haus ging kamen mir zwei Lichter entgegen. Erst aus der Nähe habe ich gemerkt, dass es die funkelnden Augen eines Wolfes waren.
Da der Wolf direkt auf mich zukam musste ich reagieren. Ich hatte mich gewundert, dass der Wolf ruhig war und ich mutiger wurde. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als dem Wolf mit beiden Händen am Rücken in das Fell zu greifen und ihn festzuhalten.
Dann geschah etwas Eigenartiges. Der Wolf ließ sich von mir führen. Unterwegs kam mir ein Nachbar entgegen. Es war ein großer kräftiger Mann, der erst den Wolf und dann mich ansah. Er hat mir sofort geholfen. Wir brachten den Wolf in den Stall und sperrten ihn ein«.
Katharina kann diese Geschichte nicht glauben und fragt: »Was geschah dann?« Baba erzählt weiter: »Am nächsten Tag sind wir zur Gendarmerie gegangen. Zusammen mit dem Tierarzt haben sie sich den Wolf angesehen. Der Wolf schlief. Später hat man festgestellt, dass es ein altes und krankes Tier war und es froh war, dass es noch sein Leben hatte«. Katharina kann die Geschichte immer noch nicht glauben.
»Man erzählt im Dorf viele Geschichten vom Wolf. Ob sie alle stimmen, weiß man nicht?«, fragt Katharina und arbeitet weiter am Webstuhl.
»Aber doch«, sagt Baba und fängt mit einer anderen Geschichte an. »Wir hatten Angst, wenn die Kinder im Wald Beeren oder Pilze suchten.
Drei Kinder der Familie Keil waren im Wald Beeren pflücken, als sie von einem Wolf angefallen wurden«. Katharina sagt: »Mir habt ihr erzählt, der Wolf greift keine Menschen an«. »Ja sagt die Baba, »dieser Wolf war krank, er hatte Tollwut. Das hat man erst später gewusst, als die Kinder auch krank wurden«.
»Ist das eine ansteckende Krankheit?«, fragt Katharina. »Über die Wunden wurde die Krankheit auf die Kinder
übertragen«, erklärt die Baba.
»Im Dorf hat man damals erzählt, dass die Kinder nachts wie Wölfe geheult hätten. Später sind sie gestorben«.
»Baba, heute kann ich nicht einschlafen!«, sagt Katharina und nimmt den fertigen Stoff aus dem Webstuhl.
Am nächsten Tag bringt Katharina Rosanah mit nach Hause. Gemeinsam wollen sie mit dem Nähen der Hose beginnen.
Sie kennen noch keinen Hosenanzug und legen die Zuschnitte auf den Stoff, den sie dann in Einzelteile zerschneiden. Beim Nähen hilft Katharinas Mutter, die Hosen für die Männer und Jungs näht.
Nach einigen Abenden ist der Hosenanzug fertig. Katharina ist stolz und erzählt Rosanah, dass sie den Anzug Sonnabend anziehen wird, wenn sie Viorel von der Arbeit abholt.
Als Viorel Katharina zu Hause abliefert muss sie feststellen, dass ihm der Hosenanzug gar nicht aufgefallen war. »Den werde ich erst wieder anziehen, wenn ich in die Stadt fahre«, denkt Katharina.
Da Viorel jetzt häufiger zu Besuch kommt, fragt ihre Mutter eines Morgens: »Wie stellst du dir das mit Viorel vor? Wie wird es weitergehen?«. Katharina lacht und sagt: »Mama, ich bin jung und habe nicht die Absicht zu heiraten. Ich finde Viorel nett, mehr nicht«.
»Da bin ich beruhigt!«, sagt ihre Mutter und erklärt ihr: »Ich wünsche mir, dass du später einen deutschen Burschen heiratest«. Daraufhin sagt Katharina: »Ich denke wir sind alle rumänische Bürger?« »Ja, wir haben nur die rumänische Staatsbürgerschaft, weil wir hier leben«, antwortet ihre Mutter und erzählt weiter: »Wir sind immer noch Deutsche, wie im Herzogtum«. »Ward ihr da nicht Österreicher?«, fragt Katharina.
Spätestens jetzt wird Katharina klar, dass die Deutschen mit den Rumänen zwar gut auskommen, beim Heiraten der Spaß aber aufhört.
Katharina erinnert ihre Mutter daran: »Du weißt, dass ich eines Tages in die Stadt ziehen werde. Und was dann ist werde ich sehen?«. Ihre Mutter gibt sich damit zufrieden.
Katharinas Mutter fallen jetzt die Sommergäste ein, die aus der Stadt kommen werden: »Wenn Willi und Dora im Sommer aus Czernowitz zu uns kommen, werden wir sie fragen, ob du bei ihnen arbeiten kannst«.
Mit den Worten: »Das wäre zu schön um wahr zu sein«, schließt Katharina dieses Thema ab.
Sie hatten auch andere Sorgen. In letzter Zeit fiel ihnen auf, dass Baba sehr still geworden ist. Ein Glück, dass sie jetzt bei ihnen ist.
»Wenn ich zu Hause bin, kümmere ich mich um Baba«, sagt Katharina ihrer Mutter. Ihre Geschwister gehen nach den Hausaufgaben lieber rodeln. Ungern lassen sie sich für Arbeiten einspannen.
Als Katharina eines Abends nach Hause kommt, empfängt sie ihre Mutter: »Baba ist heute nicht aufgestanden«. »Das ist kein gutes Zeichen«, antwort Katharina. Sie sagt: »Wir müssen uns noch mehr um sie kümmern. Ich schlachte ein Huhn und koche eine kräftige Hühnersuppe«.
Als sie ihr die Suppe an das Bett bringt, weist Baba sie ab: »Ich habe keinen Appetit!«. Sie isst die Suppe trotzdem und schläft wieder ein.
Ihr Zustand verschlechtert sich von Tag zu Tag. Jeden Tag bekommt sie jetzt Besuch. Sie merken bei ihr keine Besserung und holen den Arzt.
Der stellt fest: »Es ist Altersschwäche, da kann man leider nicht viel machen. Es kann sein, dass sie sich wieder erholt?«, sagt der Doktor.
Aber bald stellen fest, dass es mit ihr weiter abwärts geht. Jetzt sitzt immer jemand an ihrem Bett.
Als Katharina Tage morgens zur Arbeit geht, kommt ihr ihre Mutter entgegen: »Ich glaube Baba ist eingeschlafen?«.
Obwohl sie diese schreckliche Vorahnung hatten, brechen beide in Tränen aus. Katharina geht nicht zur Arbeit und holt die Verwandten zusammen.
Gemeinsam wachen sie jetzt an ihrem Bett. Es ist alter Brauch die Toten bis zur Beisetzung