Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely
Dora haben auf diese Weise ihr Haus und das Geschäft verloren. Diese ungeheuerlichen Vorgänge kann man mit normalem Menschenverstand nicht begreifen.
Inzwischen sind die Tage kürzer geworden. Lange Schatten bringen Kälte in das Tal. Wenn Katharina zu Haus nicht gebraucht wird, ist sie mit Viorel und Rosanah zusammen. Ihre kleineren Geschwister begreifen diese Situation sowieso nicht. Sie freuen sich schon auf die Eisenbahnfahrt.
Jetzt werden die deutschen Bewohner des Ortes von den SS-Angehörigen und den Sicherheitsbehörden überprüft. Ihre deutsche Zugehörigkeit und Lebensweise wird kontrolliert, weil sie im deutschen Reich eingebürgert werden sollen. Bei sogenannten Mischehen zeigt sich die Kommission großzügig. Viele persönliche Merkmahle, wie Körpergroße und Augen- und Haarfarbe, spielen schon hier eine Rolle.
Als Katharina nach Hause kommt, berichtet sie: »Ich habe gehört, dass wir Ende Oktober bis Anfang Dezember mit der Bahn ausreisen sollen. In Czernowitz stehen bereits die Züge für die Umsiedlung bereit « .
Diese Botschaft ist zu Hause wie eine Bombe eingeschlagen. Jetzt heißt es, das Gepäck für die Umsiedlung vorzubereiten.
Aufgeregt treffen die Deutschen im Dorf zusammen. Sie wissen nicht was sie machen sollen und verfallen in Hektik und Apathie.
Die Rumänen können das Ganze nicht fassen, wobei sie nicht wissen, ob sie sich freuen können. Bleiben doch die schönsten Häuser und Grundstücke der Deutschen zurück.
Für ihr Vermögen und die vielen schönen Einrichtungsgegenstände bekommen die deutschen Dorfbewohner jetzt sowieso nichts mehr. Sie können es entweder stehen lassen oder verschenken.
Auffallend ist, dass auch Rosanah und Viorel nicht mehr häufig vorbeischauen. Katharina ist mit ihren 17 Jahren zwischen Viorel und den Erwartungen der Ausreise hin und her gerissen.
Zwischen Katharina und Viorel hat sich so etwas wie Zuneigung entwickelt. Sie unternehmen viel gemeinsam und sprechen auch über die neue Situation. Auch Viorel und Rosanah können sich nicht vorstellen, dass Katharina eines Tages nicht mehr hier sein wird.
Wenn Katharina spät nach Hause kommt, fragt ihre Mutter: »Warst du wieder bei Viorel? « . Wenn ihre kleinen Geschwister das mitbekommen, fragen sie: »Wann kommt Viorel mit seinen Pferden vorbei? «
Im Herbst hat er mit einem Pferd den Garten gepflügt. Ihre Eltern hätten das Umgraben in diesem Jahr nicht geschafft.
Die langen Abende sind eigentlich die Zeit für gemeinsame Hausarbeiten in den Häusern. In diesem Jahr ist alles anders. Sie treffen sich, sie arbeiten aber nicht mehr zusammen. Aufgeregt wird immer wieder über die Umsiedlung gesprochen.
Als eines Abends der Bürgermeister vorbeischaut, fragt ihn Katharinas Vater: »Wer ist eigentlich dieser Hitler, von dem jetzt alle sprechen? « »In Deutschland laufen sie ihm hinterher « , antwortet er und fährt fort: »Deutschland ist stark geworden. Nachdem Deutschland vor einem Jahr Polen und die Tschechei eingenommen hat, haben sie alle Angst. Vor Monaten hat er Frankreich besetzt. Rumänien versucht mit Nazideutschland und Italien gut auszukommen und hat deswegen dem Umsiedlungsvertrag zugestimmt « .
»Warum macht Rumänien das nur? « , fragt Katharinas Vater. »Wir haben Angst überfallen zu werden. Hitler erwartet für euer Vermögen von uns Rohstofflieferungen « .
Katharinas Mutter, die dabei ist, fragt: »Was will er alles für unsere Häuser haben? « . »Vor allem Petroleum und Öl für seinen Krieg « , ist seine Antwort. »Und dort sollen wir jetzt hin? « , mischt sich Katharina ein: »Wenn es stimmt, was die Nazis mit den Juden machen, ist das ein großes Verbrechen! « . Bei Zusammenkünften mit Nachbarn am nächsten Tag gibt es viel zu besprechen.
»Mama, wie machen wir das mit meinen Geschwistern? « , hinterfragt Katharina. »Die nehmen ihre kleinen Rucksäcke und etwas Spielzeug mit und dann sehen wir was daraus wird. Ich mach mir Sorgen, wie das mit dem Schlafen wird? « , antwortet die Mutter.
»Wir werden in einer Kiste unseren Hausrat und Bettwäsche einpacken. Ich hab gedacht, dass wir zwei Steintöpfe mit den eingelegten Gänsen mitnehmen, obwohl ich hoffe, dass wir unterwegs mit Essen versorgt werden « .
Und so geht es den ganzen Abend, obwohl sich niemand vorstellen kann, wie alles wirklich ablaufen wird. Die Fragen, wo sie unterkommen und was sie wieder bekommen werden, bleiben unbeantwortet. Die deutschen Bewohner im Dorf haben Fragen über Fragen, die ihnen niemand beantworten kann.
»Wie machen wir es mit den Haustüren, wem übergeben wir das Haus und was machen wir mit den Tieren? « , fragen sie. Da mischt sich Katharinas Mutter ein: »Weil Willi und Dora hier bleiben, können wir ihnen sagen, was sie machen sollen. Den Schlüssel vom Hauseingang werde ich noch finden « .
Ein schwacher Trost. »Wir müssen noch unbedingt mit ihnen darüber sprechen « , fügt Katharina hinzu. Bevor ich es vergesse, sagt Katharina: »Viorel wird uns mit dem Pferdewagen zum Bahnhof bringen « . »Das möchte ich nicht! « , kommt es trotzig von ihrer Mutter.
Während sie Tag und Nacht grübeln, arbeitet die Umsiedlerkommissionen mit Hochdruck an ihren Plänen. Es treffen immer wieder neue Informationen ein, die sie beachten müssen. Die Kommission erstellt lange Namenslisten und arbeitet Fahrpläne aus.
Katharinas Familie fällt auf, dass die Ansprechpartner in der Kommission höflich und korrekt auftreten, was sie als Deutsche von den rumänischen Beamten nicht sagen können.
Da es nur noch drei Wochen bis zur Umsiedlung sind, besucht sie heute wieder der Bürgermeister. Sie haben viele Fragen und vor allen Dingen geht es um den Verbleib von Willi und Dora.
Nach den vielen aufregenden Tagen freuen sie sich auf den Besuch. »Herr Bürgermeister, es ist schön, dass sie uns in dieser Zeit besuchen « , empfängt ihn Katharinas Mutter.
Willi und Dora, Katharinas Vater, Katharina und ihr großer Bruder nehmen an dem Gespräch teil. Katharinas kleineren Geschwister haben sie in die Betten geschickt.
Aber sicher werden sie hinter der Tür horchen.
»Darf ich ihnen unsere Bekannten Willi und Dora aus Czernowitz vorstellen. Die beiden waren bei uns zur Sommerfrische und wollen nicht mehr zurück. Die Russen wohnen in ihrem Haus und regieren mit harter Hand. Sie können sich vorstellen was dort los ist? « , lenkt ihr Vater ein, während die Beiden mit steinernen Gesichtern Platz genommen haben.
Katharina ergänzt gleich: »Sie wollen auch nicht mit uns umsiedeln, sie möchten hier bleiben « . »Das sollte kein großes Problem sein, von den vielen Deutschen bleiben einige aus familiären Gründen zurück « , antwortet der Bürgermeister auf Katharinas Hinweis.
Man sieht Beiden die Erleichterung an. »Herr Bürgermeister, wir wollen sie mit unseren Fragen nicht überhäufen, obwohl wir gern wissen möchten, was mit unserem Haus und den Tieren wird? « , mischt sich Katharinas Mutter ein. »Liebe Frau, das Vermögen der Umsiedler geht an den rumänischen Staat und wir in den Verwaltungen müssen damit fertig werden « , antwortet er. »Das rumänische Militär wird uns dabei unterstützen und zum Beispiel die Tiere abholen. Sie brauchen sich keine Sorgen machen! « , beruhigt er die Anwesenden.
»Wer in die zurückgelassenen Häuser einziehen wird, steht noch nicht fest. Die Regierung wird aber Statuten für die rumänischen Bürger erstellen. Schließlich bekommt er auch eine Rechnung von der deutschen Regierung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Staat etwas zu verschenken hat « , ergänzt er seine vorangegangen Worte.
Geduldig beantwortet der Bürgermeister noch diese und jene Frage, während Willi und Dora gespannt zuhören.
Schließlich geht man zum gemütlichen Teil über und erzählt nach einigen Schnäpsen alte Geschichten. Mit rumänischer Gelassenheit verabschiedet sich der Bürgermeister zu später Stunde. Er hinterlässt eine aufgewühlte Gesellschaft, die in der folgenden Nacht keine Auge zubekommt.
Katharina muss zum Schluss noch ihre Meinung zum Besuch des Bürgermeisters kundtun: »Merkt ihr nicht, dass er froh ist, dass er die Deutschen los wird, weil sie sich ihre Lebensweise erhalten haben und