Magische Bande. Dennis Blesinger

Magische Bande - Dennis Blesinger


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seiner momentanen Laune auch nur anzureden. Sven, der bei familiären Situationen nicht ganz so viel Erfahrung mit Marc hatte, versuchte es dennoch.

      »Hast du als Kind nie gegen Regeln verstoßen?«, fragte er. »Ich will euch nicht in die Erziehung von Nadja reinreden«, meinte mit erhobenen Händen, als er Marcs Blick bemerkte, »aber glaubst du nicht, dass du vielleicht ein wenig überreagierst?«

      »Ach ja? Ich will dir mal was sagen. Als meine Eltern mich dabei erwischt haben, dass ich gegen eine ihrer Regeln verstoßen habe, haben die mir sechs Wochen Hausarrest aufgebrummt und mir einen Fluch angehängt, der sechs Monate lang meine Fähigkeiten unterdrückt hat. Und da war ich zehn!«

      »Ähm, da mag ja richtig sein«, erklang Vanessas Stimme vom Türrahmen her. »Aber du hast damals fast jemanden in Brand gesteckt. Das ist ein bisschen was anderes, als sich unerlaubt auf eine Party zu schleichen.«

      »Ich schwöre bei Gott, wenn die Kleine hier auftaucht, dann reiße ich ihr dermaßen – «

      Das Brummen und Klingeln seines Handys verhinderte, dass Marc sich in ausführlichen Darstellungen der Bestrafung seiner kleinen Schwester erging. Mit einem missgelaunten Blick schaute er auf das Display. Gleich darauf verschwand seine schlechte Laune und wurde von ehrlicher Überraschung ersetzt.

      »Du hast echt Nerven, hier anzurufen!«, beantwortete er den Anruf und legte das Telefon vor sich auf den Tisch, so dass Sven und Vanessa mithören konnten. »Kannst du mir vielleicht mal – «

      »Marc, es tut mir leid!«, erklang Nadjas gehetzte Stimme aus dem Lautsprecher. »Ihr müsst mir helfen! Ich bin … ich glaub', ich hab echt Mist gebaut. Hier ist ein Dämon und der hat … der hat Leute umgebracht! Ich … oh scheiße!«

      Irgendetwas schepperte und krachte im Hintergrund. Ein spitzer Schrei war zu hören, von dem alle wussten, dass er von Nadja stammte. Ein Grunzen oder vielleicht auch ein Knurren war zu hören und andere Geräusche, aus denen keiner der drei Zuhörer schlau wurde.

      »Nadja, was ist los?«, rief Vanessa. »Wo bist du?«

      »Hat sie gerade Dämon gesagt?« Marcs Mimik spiegelte sowohl Unglaube als auch Entsetzen wider. Die Kampfgeräusche hielten an, während sie versuchten, Nadja dazu zu bringen, ihnen zu sagen, was los war und wo sie sich befand. Keine Antwort war zu hören, nur weiteres Poltern und das wiederholte Grunzen von etwas, das keiner der drei einordnen konnte.

      »Ich weiß, wo sie ist.«

      Marc und Sven drehten sich zu Vanessa um, die mit geschlossenen Augen da stand und sich scheinbar auf etwas konzentrierte, das sich nicht im Raum befand. Einige Sekunden vergingen, als plötzlich ein kleiner grüner Funke vor Vanessa erstrahlte. Einen Augenblick lang hing er in der Luft, dann schwebte er langsam von ihr weg in Richtung Haustür. Vanessa öffnete die Augen und blickte dem Licht hinterher, das gerade dabei war, durch die Tür zu verschwinden.

      »Sie ist ganz in der Nähe«, meinte sie und schritt entschlossen dem Licht hinterher. Marc und Sven brauchten eine Sekunde, um sich von ihrer Überraschung zu erholen, dann folgten sie ihr.

      Bei jeder Fahrprüfung wäre Marc mit Pauken und Trompeten durchgefallen, so wie er den Wagen schließlich halb auf der Straße zum Stehen brachte. Sie waren dem grünen Licht weniger als fünf Minuten lang gefolgt, als es schließlich vor einem leicht heruntergekommenen Einfamilienhaus zu Stehen gekommen und dann erloschen war. Dass andere das Licht hätten sehen können, interessierte weder Vanessa noch Marc. Sie standen vor dem Grundstück und blickten auf das Haus, in dem sich, Vanessas Findezauber zufolge, Nadja aufhalten musste.

      Marc steckte das Handy ein, das er die ganze Zeit über angeschaltet gelassen hatte. Er wusste, dass die andauernde Präsenz des Lichtes besagte, dass Nadja zumindest noch lebte, andernfalls wäre es bereits auf dem Weg hierher erloschen. Die Geräusche und die andauernden panischen Rufe von Nadja, die aus dem kleinen Lautsprecher drangen und nach wie vor auf eine Art Kampf hindeuteten, trugen jedoch zusätzlich zu ihrer aller Beruhigung bei.

      »Was machen wir jetzt?«, fragte Vanessa ratlos. »Was ist, wenn da drin wirklich sowas wie ein Dämon ist?«

      Anstatt einer Antwort ging Marc um den Wagen herum, öffnete den Kofferraum und holte ein Brecheisen hervor, das er kurz in der Hand wog. Sie nickten, dann schritten sie nebeneinander auf die Tür zu. Dort angekommen, legte Vanessa kurz die Hand an den Türrahmen. Noch bevor die Haut das Holz vollständig berührt hatte, sprang sie entsetzt einen halben Meter zurück und blickte mit großen Augen auf die Tür.

      »Ich weiß nicht, ob das reicht«, meinte sie mit einem Blick auf das Brecheisen in Marcs Hand. »Ich habe noch nie so viel negative Aura auf einem Fleck erlebt.«

      Vorsichtig öffnete Marc die Tür.

      Ein Blick in den Flur und das daran angrenzende Wohnzimmer offenbarte, dass der Kampf sich nicht weiter auf den Keller beschränkte. Überall lagen zerbrochene und zersplittere Teile der Einrichtung herum, Spiegelscherben bedeckten den Boden und ein metallischer Geruch hing in der Luft, der unangenehm in der Nase stach.

      Ein Scheppern erklang aus dem Wohnzimmer, gefolgt von dem schon bekannten Knurren. Dann hörten sie Nadjas Stimme.

      »Ich hab noch mehr davon, pass bloß auf!«

      Wieder schepperte es und Splitter flogen durch die Gegend, als Nadja ihre Geschosse durch den Raum warf und, der Reaktion nach zu urteilen, mindestens einen Treffer landete.

      Für einen Augenblick erhaschten sie einen Blick auf das, was Nadja sich vom Leib zu halten versuchte. Mit viel Fantasie hätte man es als Mensch bezeichnen können, allerdings waren die graue Farbe der Haut, die durchgehend roten Augen und die sich windenden Verformungen, die mittlerweile sogar durch die Kleidung hindurch sichtbar waren, für alle ein deutliches Zeichen dafür, dass sie es hier nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatten. Marc spürte, wie sich Vanessa neben ihm versteifte und ihr ein entsetztes Keuchen entfuhr. Wortlos drehte sie sich zu ihm um und schüttelte den Kopf. Was immer dieses Ding auch war, es haftete ihm nichts menschliches an.

      Vielleicht hatte das Ding Vanessas Keuchen gehört, vielleicht hatte es ihre Gegenwart auf einer anderen Ebene wahrgenommen. Auf jeden Fall hielt es plötzlich in der Bewegung inne und drehte sich langsam zu ihnen um. Marc entspannte sich und trat einen Schritt in den Raum hinein, jetzt, da die Notwendigkeit der Heimlichkeit nicht mehr gegeben war.

      Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass Nadja sich hinter einem Tisch verschanzt hatte und alles, was sich in der Vitrine neben ihr befand, als Wurfgeschoss verwendete, um sich ihren Gegner vom Leib zu halten. Mehrere Kratzer und kleinere Wunden waren auf ihren Armen und im Gesicht zu sehen, jedoch schien sie nicht ernsthaft verletzt zu sein.

      Ihr Gegner sah weniger intakt aus. Mehrere klaffende Wunden zeugten davon, dass Nadja bei ihren Wurfgeschossattacken mehrere Treffer gelandet hatte. Allerdings wurde Marc das Gefühl nicht los, dass keine der Wunden, so offensichtlich sie auch waren, irgendeine Wirkung zeigte. Er hatte den vagen Eindruck, als ob das Ding mit Nadja spielte. Der Blick, den Nadja ihnen zuwarf und die darin liegende Erleichterung ließen ihn für eine Sekunde vergessen, wie wütend er auf sie war. Er nickte ihr beruhigend zu und bedeutete ihr, wieder in Deckung zu gehen.

      Ohne ein Wort miteinander zu wechseln, betraten Vanessa und Sven das Zimmer und stellten sich in einem lockeren Halbkreis neben ihn.

      Jetzt, wo sie Zeit und einen freien Blick hatten, war es noch offensichtlicher, dass dieses Ding, das vor ihnen stand, kein Mensch war. Blasen schlängelten sich unter der Haut entlang, liefen den Körper auf und ab, als ob etwas Fremdes innerhalb des Körpers versuchte, einen geeigneten Platz zu finden.

      »Verpiss dich«, rief Marc seinem Gegenüber zu. »Du bist hier nicht erwünscht. Geh dahin zurück, wo du hergekommen bist.«

      Die Schnelligkeit, mit der ihr Gegner die wenigen Meter überbrückte, war ebenso unmenschlich wie der Rest an ihm. Noch ehe Marc mit dem Brecheisen zum Schlag ausgeholt hatte, schloss sich eine Hand um seine Kehle und er wurde mit Wucht gegen die Wand geschmettert. Unfähig, auch nur einen Laut von sich zu geben, kämpfte Marc gegen den Griff an. Er fühlte, dass er gleich ohnmächtig werden würde. Er konnte nicht atmen und der


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