Flammenkiller. Nick Stein
wenig später ist in Friedeburg ein weiterer Mann kaltblütig hingerichtet worden, wie wir gerade von Frau Meier erfahren haben.«
Böhme nieste. Heizte das LKA nicht richtig?
»Wir glauben hier nicht an Zufälle. Das ist jetzt auch Ihr Fall, Jansen. Unterstützen Sie Frau Meier nach Kräften, Sie alle drei, und finden Sie die Verbindung zwischen den beiden Morden. Mehr kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Rufen Sie die Erste Hauptkommissarin an und folgen Sie Ihr an den Tatort. Den Mord selbst, da hat sie weiter die Federführung, Ihr Job ist es, die Zusammenhänge aufzudecken. Das ist jetzt Ihr erster richtiger Fall als vereidigter Beamter, Jansen, versaubeuteln Sie das nicht. Sehen Sie das als Bewährungsprobe.«
Böhme legte auf, ich auch. Die anderen hatten alles gehört und starrten mich mit offenen Mündern an. Svantje legte ihren Keks zurück auf den Teller, Hinnerk steckte seine Pfeife in ein Stoffetui.
»Bewährungsprobe«, zitierte ich. »Als ob ich ein Knacki wäre.«
Svantje zeigte auf das Konferenztelefon. »Soll ich?«
Ich nickte, und ein paar Sekunden später erscholl die feste und ruhige Stimme Erika Meiers aus dem Lautsprecher.
»Schön, dass Sie anrufen«, sagte sie. »Sie wissen ja, dass Schulz auf Urlaub ist.«
Schulz war der Hauptkommissar aus Wittmund, mit dem ich früher Einsätze abgesprochen hatte.
»Es wäre sehr schön, wenn Sie sich kümmern könnten, Herr Jansen, mit Ihrer Truppe. Wir können jede Hilfe gebrauchen. Kommen Sie bitte gleich nach Rußland, zum Rußlandweg. Hinter dem Reisebüro dort liegt ein Teich, sie werden uns dort stehen sehen. Sie werden sich das nicht entgehen lassen wollen.«
Wir schnappten uns unsere Handys und liefen runter. Die Wirkung der Kekse war wie weggeblasen. »Das liegt direkt südlich von Amerika, Rußland«, sagte Hinnerk. »Nach Friedeburg rein und dann nach Westen, können wir kaum verfehlen. Ich geb’s trotzdem ins Navi ein.«
Als wir aus Friedeburg raus waren, sahen wir die sich drehenden Blaulichter der Streifenwagen auf einem Hof, an dem auch das Reisebüro Janssen ausgeschildert war. Aus den Büros und einer Fabrikhalle sahen uns die Leute zu, wie wir ausstiegen und zum Teich hinüberliefen.
Johanna Kleinschmidt dirigierte uns an den Fähnchen vorbei, die überall im Boden steckten und Spuren markierten. Dann standen wir vor dem Teich, in dem ein Parka trieb.
»Die Leute hier haben das erst für Müll gehalten«, berichtete Johanna. »Bis die Krähen ankamen und daran herumgepickt haben, da sind ihnen die Blutschlieren im Wasser aufgefallen.« Sie zeigte uns, was sie meinte. Vom Parka gingen zwei dunkle, rötliche Spiralen ab, die sich bisher kaum mit dem Wasser vermischt hatten.
»Wir müssen erst alle Spuren am Ufer sichern, dann können wir die Leiche bergen. Falls Ihr helfen wollt, drängt doch bitte die Leute zurück und zieht mehr Absperrbänder auf. Neben das Haus soll noch eine Sichtblende, ihr könnt die mit aufbauen helfen.«
Sie wandte sich wieder ihren Aufgaben zu. Jetzt kam ich mir doch reichlich blöd vor, andererseits hatte sie ja recht. Wir halfen gern, und Hinnerk durfte rauchen, da war ihm ohnehin alles egal.
Schließlich war es soweit. Ich durfte helfen, die Leiche mittels Hakenstangen an Land zu ziehen und aus dem Wasser zu hieven, wobei ich mir meine neuen Schuhe einsaute. Lisa würde nicht glücklich darüber sein, sie hatte sie mir zu Weihnachten geschenkt.
Der Tote sah intakt aus. Merkwürdig war nur, dass er unter dem Parka nichts anhatte. Werner Reemtsma beugte sich über die auf dem Rücken liegenden Leiche und sah sie sich genau an.
»Das dürfte deine Frau interessieren, Lukas«, sagte er zu mir. »Keine äußeren Einwirkungen zu erkennen, jedenfalls auf den ersten Blick nicht. Aber«, er sah auf und mir direkt ins Gesicht. »Wenn du genau hinsiehst, kannst du schon was sehen. Schau mal hier.«
Er zeigte auf das rötliche und trotz des kalten Wassers angeschwollene Geschlechtsteil des Toten. »Fällt dir da was auf?«
»Sommersprossen?«
Reemtsma schüttelte den Kopf. »Ja, auch«, gab er zu. »Aber diese Stellen da, das sind kleine Brandwunden, neben kleinen Einstichen oder Kratzern. Da lagen Elektroklemmen oder Nadeln an, der ist gefoltert worden, wenn du mich fragst.«
Jetzt, wo er das sagte, sah ich es sofort. Auch an den Händen hatte er solche Stellen. Ich zeigte das Reemtsma, er nickte nur. »Und der Bauch? Was sagst du dazu?«
Der Tote hatte ein nettes Sixpack, fast so schön wie mein eigenes. Aber das meinte Werner nicht. »Der ist stark angeschwollen, passt nicht zur ausgeprägten Muskulatur. Der hat ganz viel getrunken. Oder trinken müssen.«
»Waterboarding«, schloss ich daraus. Werner nickte. »Genau kann das erst die Obduktion sagen, aber wenn du mich fragst, haben die den gefoltert, erst mit Stromschlägen, dann mit Waterboarding, dabei ist der denen hopsgegangen. Damit es wie ertrinken aussieht, haben sie ihn hier in den Teich geschmissen.«
»Wer geht auch schon nackt nur mit einem Parka im Februar ins Freie und fällt in diese Suppe?«, fand ich. »Freiwillig macht das doch keiner.«
Werner durchsuchte die Taschen des Parkas. »Nichts. Kein Handy, keine Papiere, kein Garnichts.«
Erika Meier war zu uns getreten, gefolgt von Hinnerk Tjaden, der ihr zuliebe sogar seine Pfeife nicht wie sonst im Freien im Mund hängen hatte.
»Haben Sie schon was?«, fragte sie Werner.
»Nichts zur Identität«, erklärte er. »Wir glauben, dass dieser Mann gefoltert worden ist und dabei gestorben ist, womöglich haben die es übertrieben. Waterboarding, also das unmäßige Begießen von Mund und Nase mit Wasser, sodass das Opfer nicht atmen kann und ständig Wasser schluckt. Normalerweise hören die auf, sobald sie die Todesangst in den Augen des Opfers sehen.«
»Haben die das nicht in Guantanamo eingeführt?«, überlegte sie. »Die Amis, und ist nicht Präsident Trump auch ein Freund von so was? Oder machen das andere inzwischen auch?«
»Gute Technik spricht sich immer schnell rum«, fand Werner. »Aber stimmt schon, die Amis haben das eingeführt, erst in Guantanamo, dann Abu Ghraib im Irak, und wer weiß wo noch.«
»Ich finde das merkwürdig.« Die Erste kratzte sich mit allen Fingern der rechten Hand den kurz geschorenen Nacken unter ihrer Lockenpracht. »Erst haben wir einen Russen tot in Amerika, jetzt einen toten Mann in Rußland. Gefoltert. Würde mich jetzt nicht wundern, wenn das hier ein Ami ist.«
Werner drückte mit einem Spatel den Mund des Toten auseinander, was ganz leicht ging. »Der ist noch nicht lange tot«, kommentierte er. »Sehen Sie sich die Zähne an, ziemlich ungepflegt. Wäre bei Amis eher selten.«
Er suchte mit den Augen nach seiner Assistentin. »Johanna, hast du die Fotos schon an den Erkennungsdienst geschickt? Und wenn ja, haben die was? Sonst ruf da bitte an«, bat er sie.
Die Kleinschmidt ging ein paar Schritte zur Seite und telefonierte.
»Den Spuren nach ist jemand mit einem SUV ganz nahe rückwärts an den Teich herangefahren, mehr oder weniger verdeckt von dem Gebäude da, zur Straße hin«, erklärte Werner Reemtsma ein paar der Fähnchen im Gelände.
»Passt«, fand die Erste Kriminalhauptkommissarin. »Jemand in dem Gebäude da drüben hat gesehen, wie zwei Personen etwas ins Wasser geworfen haben. Die dachte erst, es ginge um illegale Müllentsorgung, bis die Zeugin selbst hingegangen ist und den Toten gesehen hat. Die Aussage haben wir, gibt aber nicht viel her. Erkannt hat sie keinen, Details hat sie sich auch nicht gemerkt. Nur die Uhrzeit und den Wagentyp, eine G-Klasse in Schwarz oder Dunkelblau.«
»Sonst hat niemand was gesehen?«, fragte ich nach.
Erika Meier sah mich belustigt an. Jetzt stellte ihr der Jungspund vom LKA schon Fragen, als ob er hier die Untersuchung leitete, sagte ihr Blick.
»Hören Sie, Herr Jansen«, sagte sie. »Wir sprechen später auf der Wache weiter, von mir aus auch morgen