Flammenkiller. Nick Stein

Flammenkiller - Nick Stein


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Enkel zur Eile. »Jonas, Junge, mach hin, wir müssen los, deine Mutter macht sich bestimmt schon Sorgen.«

      »Popo saubermachen«, verstand ich aus seiner Richtung.

      »Wir sind dann mal weg«, versprach ich der Dame, klemmte mir Onno mitsamt dem Trecker unter den Arm, nahm Ella an die andere Hand und verschwand. »Wir machen uns was Leckeres zu essen zu Haus«, versprach ich ihnen. »Nudeln mit Tomatensoße, ja?«

      »Au ja«, Ella klatschte wieder in die Hände. Sie hatte schon mehr drauf als ihr Bruder, der im Wachstum leicht zurückgefallen war. Dafür hatte er mehr Technikverständnis.

      Draußen stand der Bus immer noch an derselben Stelle. Durch die dunklen Scheiben konnte ich allerdings nicht nach innen spähen.

      Ella erzählte mir, wie Frieda ihr die Haare lang gezogen hatte, während Onno leise das Wort Motor fallenließ.

      Zu Haus sprang uns Jackie entgegen, unser schwarz-weißer Spürhund, der mir schon bei vielen Fällen eine große Hilfe gewesen war. Wie ein Gummiball hüpfte er hinter dem Tor auf und ab, ganz Jack-Russell-Terrier, um an den Riegel zu kommen, den er auf diese Weise schon mehrfach geöffnet hatte. Tagsüber hatte sich ein Nachbar um ihn gekümmert, aber das füllte ihn nicht aus. Er wollte zwei Dinge, mit mir um die Felder toben und den beiden Lütten die Gesichter abschlecken.

      Als Erstes bekamen die drei etwas zu essen, dann ging es mit Zwillingskarre und Jackie, der das Gespann ziehen durfte, während ich lenkte, dreimal ums Karree.

      Lisa war noch nicht zurück. Ich spielte noch eine Stunde mit den Lütten und las ihnen was vor, dann kamen sie ins Bett.

      Unser Reetdachhaus hatte den Luxus eines Kamins. Jackie rollte sich vor meinen Füßen auf einem Schaffell zusammen, ich bereitete mir die letzte Kanne Tee für heute zu.

      Die Sahne goss ich diesmal vorschriftsmäßig ein, noch eine Leiche konnte ich am Abend nicht gebrauchen. Das Experimentieren konnte ich trotzdem nicht lassen; statt des einen, weißen Kluntje nahm ich diesmal einen Teelöffel mit braunem Stangenkandis. Mal sehen, was das bewirken würde, dachte ich.

      Der Tee, eine ostfriesische Goldspitzenmischung vorwiegend aus Assam-Sorten, schmeckte auch so vorzüglich.

      Ich goss mir gerade die zweite Tasse ein, als Lisa schnaufend nach Haus kam.

      »Ah, Tee, wunderbar, genau, was ich jetzt brauche«, begrüßte sie uns. Aber dann bekam ich doch noch meine Umarmung und meinen Kuss und Jackie eine Streicheleinheit. »Moin, ihr zwei«, sagte sie. »War ein langer Tag heute, erst hatten wir eine Grippewelle und dann diese beiden Russen auf dem Seziertisch. Na ja, man gönnt sich ja sonst nichts.«

      »Wieso Russen?«, fragte ich. »Der eine war doch Finne, dachte ich. Der aus Russland. Der Russe war der aus Amerika. Jetzt fehlt uns nur noch ein Amerikaner aus Finnland.«

      Lisa sah mich erstaunt aus ihren graublauen Augenbögen an. Dann fiel ihr etwas ein.

      »Das kannst du eigentlich gar nicht wissen«, sagte sie. »Personalien hatte der Typ ja nicht bei sich. Aber er hatte einen künstlichen Meniskus, und laut Seriennummer hat er sich den in Helsinki einsetzen lassen, vor drei Jahren. Aber er ist kein Finne.«

      Sie nahm einen Schluck aus meiner Tasse.

      »Der Mann hat doch einen finnischen Namen, Paavo Junolainen«, sagte ich. »Und er kommt aus Wiborg. Was ist er denn dann?«

      Lisa spuckte den Tee beinahe wieder aus. »Woher weißt du das denn?«, staunte sie. »Wiborg liegt seit einigen Jahrzehnten in Russland, mein Lieber, zusammen mit den ehemals finnischen Einwohnern. Der war Russe, dieser Paavo.«

      »Und er stand auf leidensfähige schwarzhaarige Pummel«, ergänzte ich. »Fragt sich nur, wer ihm den Wasserfall eingeflößt hat.«

      »Sag mal«, Lisa trat einen Schritt zurück, die Tasse in der Hand.

      »Pass auf deinen Pullover auf, der fängt gleich Feuer«, warnte ich sie. Sie stand direkt vor dem Kamin.

      Sie machte einen Schritt zur Seite, sah aber gar nicht hin. »Woher weißt du das denn alles? Kannst du plötzlich Gedanken lesen, Lukas?«

      »Nein, aber ich kann die Zukunft beeinflussen«, grinste ich. »Jedes Mal, wenn ich die Sahne verkehrt rum in den Tee lasse, stirbt jemand.«

      »Das soll man ja auch nicht machen«, erklärte ausgerechnet sie mir, die Nicht-Ostfriesin. »Also, woher? Onno, oder?«

      »Der schläft doch schon«, grinste ich.

      »Illegale Gesichtserkennung«, sie sah mich lauernd an. »Ich hole mir einen Löffel, bin gleich wieder da.«

      »Ich kenne dich doch«, fuhr sie fort, als sie sich neben mich gesetzt und sich Kandis in den Tee getan und meine Tasse neu gefüllt hatte.

      Ich nickte nur. »Jetzt erzähl du mal. Stimmt schon, Onno hat den Typen auf Tinder gefunden. Viel mehr weiß ich aber nicht von ihm.«

      »Tja. Langer Tag heute, Lukas.« Sie lehnte sich zurück und zog die Beine auf unsere Sitzbank.

      »Fangen wir mit dem ersten Toten an. Dem hat jemand seinen Brägen weggeballert, das weißt du ja schon. Ansonsten war der Mann unauffällig. Der Leber nach ein Alkoholiker, hat in seinem Leben zu viel geraucht, hatte einen schwach ausgebildeten Prostata-Krebs, zu wenig Sport, zu viel Fleisch. Also völlig unauffällig. Bis ich seinen Mageninhalt untersucht habe. Er hat wohl eine Art Henkersmahlzeit bekommen.«

      Sie wischte sich den Mund ab und trank einen Schluck. »Und die bestand aus einem fetten Burger von McDoof, nebst einer Cola mit Zucker und, jetzt halt dich fest, Bonbons. Vielen Bonbons.«

      »Aha«, sagte ich und fühlte mich etwas schafsköpfig. »Aber daran ist er nicht gestorben.«

      Lisa lachte. »Die konnte ich analysieren, bin ich ganz stolz drauf. Das war die Marke LaffyTaffy von einer Firma namens Wonka, und die gibt es nur in ein, zwei Spezialgeschäften in Bayern zu kaufen. Oder eben massenhaft in den USA.«

      Da war doch mal was. »Willy Wonka?«, fragte ich. »Wie in Charlie und die Schokoladenfabrik

      »Kann schon sein. Was ich mich frage, wie kommen diese amerikanischen Bonbons in diesen Russen?«

      »Er wird sie gegessen haben«, vermutete ich.

      »Ja, du Blödi, natürlich hat er sie gegessen. Aber wo hat er sie her? War er mit Amis unterwegs?«

      »Er ist immerhin in Amerika erschossen worden«, erinnerte ich sie. »Und warte mal. Wir haben die Kugel analysieren lassen. Wahrscheinlich ist er mit einer Sig Sauer P320 erschossen worden. Und das ist die Dienstpistole der US Army und wird auch bei CIA und FBI gern eingesetzt. Das war von einiger Zeit mal ein Milliardenauftrag von denen an den Hersteller.«

      »Die Hohlraummunition kannst du aber auch hier kaufen, die Pistole natürlich auch«, wusste Lisa. »Jäger benutzen die gerne. Was gut als Mannstopper ist, hält auch ein Wildschwein im Galopp auf. Trotzdem, das ist merkwürdig, da hast du recht. Der Typ hat US-Bonbons im Bauch und wird mit einer amerikanischen Dienstpistole erschossen und dann auch noch in Amerika abgelegt. Was sagt uns das über den Täter?«

      »Dass der vorher mit dem Opfer bei McDoof war, das sich dort seine Bonbons eingepfiffen hat«, antwortete ich. »Vielleicht können wir ihn darüber finden. Würde ja irgendwie zu einem Ami passen.«

      Lisa wiegte den Kopf. »Schon. Trotzdem habe ich ein komisches Gefühl dabei. Zu den Amis würde auch Waterboarding passen. Der zweite Tote, der Scheinfinne, war ja auch Russe. Kann sein, dass da was schiefgegangen ist. Der ist dabei gestorben, in Amerika in irgendeiner Scheune, und die haben sich dann einen See gesucht und ihn da entsorgt.«

      »Dann hätte ich ihn doch gleich in den Jadebusen gekippt, da hätte ihn so schnell keiner gefunden«, warf ich ein.

      »Das ist Salz- und Brackwasser dort«, erklärte sie mir. »Da in diesem Teich ist Süßwasser, ganz so blöd sind die auch nicht. Die werden ihr Waterboarding ja nicht mit Seewasser gemacht haben.«

      Sie


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