Rette sich, wer kann!. Ekkehard Wolf

Rette sich, wer kann! - Ekkehard Wolf


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die Innenflächen seiner Hände wieder feucht wurden.

      So unauffällig wie möglich, versuchte er diese an seiner Hose trocken zu reiben, musste jedoch erkennen, dass der Mann an seiner Seite jede Bewegung aufmerksam registrierte.

      Diese Beobachtung trug nicht dazu bei, seine innere Unruhe zu beseitigen.

      Als er wieder in der Lage war, der Aufforderung seiner Vorgesetzten Folge zu leisten, hatte seine Stimme bereits einen krächzenden Klang angenommen.

      Die Zunge klebte förmlich am Gaumen und er hatte Mühe klar zu artikulieren.

      „Hören Sie, Ich habe mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun, absolut gar nichts.“

      Noch während er diese Worte aus sich herauspresste, wurde ihm bewusst, dass er damit genau die Haltung an den Tag legte, die jeder kleine Kriminelle auch an den Tag zu legen pflegte, der auf frischer Tat ertappt wurde.

      „Natürlich nicht Rogge, beruhigen sie sich bitte. Ich will doch nur wissen, was da los ist bei Ihnen.“

      Dass seine Vorgesetzte es für geboten hielt und sich die Mühe machte, ihn in diesem geradezu mütterlichen Tonfall anzusprechen, trug erwartungsgemäß dazu bei, den Oberrat noch mehr in Rage zu versetzen.

      Als ihm bewusst wurde, dass sich die Frau bereits zum wiederholten Mal darauf beschränkt hatte, ihn mit dem Nachnamen anzusprechen und dabei den in der Anrede üblichen Herrn ganz einfach wegzulassen, war er kurz davor, den Hörer aufzulegen.

      Lediglich die fragend hochgezogene Augenbraue seines estnischen Kollegen veranlasste ihn dazu, von dieser spontanen Eingebung Abstand zu nehmen.

      Wieder entstand eine kurze Pause, die Andrea Grafunder zu der Frage veranlasste: „Rogge, sind Sie noch dran?“

      Der Angesprochene ließ die Frage unbeantwortet und atmete ein weiteres Mal tief durch, bevor er sich dazu entschloss, gegenüber seiner Vorgesetzten Klartext zu reden.

      „Offen gesagt, ich habe keine Ahnung, was hier gespielt wird. Alles was ich Ihnen im Augenblick sagen kann ist, dass hier so eine kleine Nutte aufgetaucht ist, die behauptet hat, dass ich ihr das gesamte Material zugespielt haben soll.“

      „Und diese Zeugin ist jetzt tot. Habe ich das soweit richtig verstanden?“

      Die Stimme seiner Vorgesetzten klang weiterhin betont sachlich, wenngleich nach Rogges Wahrnehmung nur noch wenig besorgt.

      „Ist das richtig?“

      Die Nachfrage stürzte den Oberrat in Verwirrung.

      „Ob was richtig ist?“

      „Ich frage Sie, ob es richtig ist, dass die Zeugin sich kurz nach ihrer Aussage in ihrer Zelle umgebracht hat?“ Andrea Grafunder gab sich die allergrößte Mühe, ihren Gesprächspartner auf seine tatsächliche Situation aufmerksam zu machen. Aber erst nachdem der im zweiten Anlauf begriffen hatte, dass seine Vorgesetzte mit der Zeugin die gleiche Person meinte, wie er, als er von der kleinen Nutte gesprochen hatte, wurde dem Oberrat wirklich bewusst, dass seine Lage derzeit ein wenig prekär war.

      „Ja, was soll ich dazu sagen? So wurde mir das auch berichtet.“

      Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Hören Sie zu, ich habe Anweisung gegeben, dass die Botschaft informiert wird und darum gebeten, dass sich jemand vor Ort um Sie kümmert.“

      Rogge traute seinen Ohren nicht.

      Diese Ankündigung konnte eigentlich nichts anderes bedeuten, als dass seine Chefin davon ausging, das er festgenommen sei.

      Fragend blickte er seinen estnischen Kollegen an.

      Doch der zuckte nur ebenso fragend mit den Schultern. Sein Gesichtsausdruck verriet sogleich, dass er nicht zu wissen schien, worum es gerade ging.

      Der Blick des Oberrats wanderte weiter zur Tür des Raumes, in dem er sich augenblicklich befand.

      Verblüfft nahm er wahr, dass diese inzwischen nicht nur offen stand, sondern dazu noch immer von zwei Uniformierten ausgefüllt wurde.

      „Soll das heißen, Sie glauben dieser Nutte und wollen mich hier festhalten?“

      Rogge hatte die Frage direkt an seinen estnischen Kollegen gerichtet, jedoch ohne dabei die Sprechmuschel des Hörers abzudecken.

      Entsprechend überraschend kam für ihn die verständnislose Rückfrage Grafunders.

      Da er voll darauf konzentriert war, die Reaktion des estnischen Polizisten zu erfassen, nahm er deren Worte nur als unbestimmtes Quäken im Hörer wahr, versuchte diese Unaufmerksamkeit jedoch sogleich wieder auszubügeln.

      „Entschuldigung, was haben sie gerade gesagt?“

      Während er sich nun darauf konzentrierte, den Worten seiner Abteilungsleiterin und Chefin zu lauschen, wiederholte sich dasselbe Spiel nur seitenverkehrt.

      Jetzt übersah und überhörte er die Antwort des Esten. Immerhin gelang es ihm dafür zu verstehen, was seine Vorgesetzte ihm zu sagen hatte, auch wenn das für ihn wenig schmeichelhaft war.

      Sie verbat sich energisch seinen Ton, klärte ihn darüber auf, dass nicht sie, sondern wenn schon dann die Kollegen aus Estland seine Festnahme veranlasst hatten und forderte ihn dazu auf, „sich jetzt gefälligst einer anderen Ausdrucksweise zu befleißigen.“

      Im gleichen Moment brach die Leitung zusammen und das Gespräch war beendet. Rogge hatte alle Zeit der Welt, sich auf das Geschehen vor Ort zu konzentrieren.

      Das wiederum ließ keinen Spielraum für Interpretationen. Vermutlich auf ein entsprechendes Handzeichen seines inzwischen wie bedauernd mit den Schultern zuckenden Kollegen aus Estland hin hatten sich die beiden Uniformierten vom Türrahmen weg zum Schreibtisch bewegt, an dem sich Rogge niedergelassen hatte. Dort nahmen sie sogleich eine auch für den Kriminalbeamten aus Deutschland so vertraute Pose ein, dass auch für ihn keinerlei Zweifel daran zurückblieben, wie die von ihm zuvor gestellte Frage zu beantworten war.

      Umso größer war die Überraschung, als sein Kollege sich ihm mit um Verständnis bittender Miene zuwandte und ihm beide Beamten namentlich vorstellte und sich dafür entschuldigte, dass beide „leider nur wenig deutsch sprechen.“

      „Wir haben die beiden Beamten zu ihrem Schutz abgestellt,“ klärte er Rogge auf und bat ihn dringend „nichts ohne ihre Begleitung zu unternehmen.“

      Den verständnislosen Blick des Deutschen missverstehend, entschuldigte sich der Este für „die Panne mit dem jungen Mädchen“ und machte deutlich, dass er auf jeden Fall vermeiden möchte, seinen Kollegen am kommenden Morgen aus irgendeinem Gewässer fischen zu müssen.

      „Ansonsten hätten wir Ihnen anbieten müssen, hier bei uns zu übernachten, aber das wäre ja wohl kaum in ihrem Sinne gewesen, nicht wahr?“

      Der estnische Kollege lachte, wie Rogge fand, ein wenig gequält.

      Angesichts der mit der Auskunft verbundenen Wendung seiner persönlichen Perspektive bereitete ihm diese Beobachtung jedoch keinerlei Kopfzerbrechen.

      Und auch der Polizeioffizier beeilte sich ihm beruhigend mitzuteilen, dass seine beiden Begleiter sich bereits im Hotel aufhalten.

      Gleich nachdem sich beide Beamten abschließend darauf verständigt hatten, wann sie sich am kommenden Tag treffen würden, beeilte sich Rogge, in dem Dienstwagen Platz zu nehmen, der für ihn bereit gestellt war.

      Der Beamte aus Deutschland war froh, einem Missverständnis aufgesessen zu sein und genoss daher geradezu die Fahrt durch das abendliche Tallin.

      Die Phase der Hochstimmung hielt jedoch nur solange an, bis der Wagen an einer roten Ampel halten musste. Hier glaubte Rogge seinen Augen nicht zu trauen, als unmittelbar in dem Moment, in dem die Signalanlage wieder auf grün geschaltet hatte und der Wagen sich erneut in Bewegung setzte, direkt neben ihm ausgerechnet die junge Frau auftauchte, deren Selbstmordversuch ihm zuvor berichtet worden war. Dass hier ein Irrtum ausgeschlossen war, zeigte ihm die Reaktion der angeblichen Studentin. Sobald sie den auf dem


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