Schatten und Licht. Gerhard Kunit

Schatten und Licht - Gerhard Kunit


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aber zuvor würde seine Truppe unnötige Verluste erleiden, weil er versagt hatte.

      „FEUERBALL!“, hörte er Sylvas Stimme, so laut und schrill, wie er sie noch nie vernommen hatte. Eine fremde Macht berührte ihn, als etwas Heißes an seiner Wange vorbeischoss. Keine fünf Schritt vor seiner Schützenlinie explodierte ein Feuerball und verwandelte den Zugang zur Lichtung in ein Inferno, in dem der Angriff der Reiter zusammenbrach. Schmerzensschreie und panisches Wiehern drangen aus den Flammen und kündeten von Untergang und Tod.

       * * *

      Das magische Feuer erlosch so plötzlich, wie es gekommen war und hinterließ eine Stätte der totalen Verwüstung. Zwei von Torins Männern waren zu nahe gewesen. Teile ihrer Uniformen brannten, aber ihre Kameraden erstickten die Flammen.

      Nur zwei der Angreifer hatten ihre Tiere zügeln können und suchten ihr Heil in der Flucht. Pfeile zischten hinter ihnen her, doch der Leutnant ließ den Beschuss einstellen. „Schwerverletzte? Sofortige Versorgung?“

      Die Männer verneinten.

      „Abrücken!“ befahl Torin mit belegter Stimme.

      Sylva hielt eine Hand gegen die Brust gepresst. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt und in ihren Augen standen Tränen.

      „Bist Du verletzt?“, fragte er besorgt. „Nein“, wehrte sie ab. „Es ist nur der magische Rückschlag. Aber wir müssen den Verwundeten helfen.“

      „Wir müssen weg und zwar sofort.“

      „Einige leben noch“, beharrte Sylva. „Sie brauchen Hilfe.“

      Besorgt sah er zu der Biegung, an der jederzeit neue Feinde auftauchen konnten. Er sah die Gefahr, aber er kannte seine Freundin. Sie würde nicht nachgeben.

      „Ich bleib hier und pass auf die Lady auf.“ Der Rammbock trat an Sylvas Seite und zwei weitere Schützen folgten seinem Beispiel.

      „Tut, was Ihr nicht lassen könnt!“, bellte Torin. „Beeilt Euch. Bei der Abzweigung wartet ein Mann auf Euch, aber nicht länger als eine halbe Stunde.“ Er setzte sich an die Spitze und verließ die Lichtung ohne sich umzusehen.

       * * *

      Torin kochte vor Wut. Er ärgerte sich über sein Versagen, das beinahe zur Katastrophe geführt hätte. Larn hatte sie zu spät gewarnt und Sylva brachte durch ihren Starrsinn nicht nur sich in Gefahr, sondern auch die Männer, die bei ihr waren. Die sture, hartnäckige Ausdauer der Verfolger, erinnerte eher an ein ausgehungertes Wolfsrudel, als an eine militärische Aktion, doch am meisten ärgerte ihn, dass er die Magierin angeschnauzt hatte, anstatt ihr seine Liebe zu gestehen. Wenn sie wüsste, wie sehr er sich um ihre Sicherheit sorgte. Wie er sich nach ihr verzehrte, wenn er den Nachthimmel betrachtete und ihren Atemzügen lauschte, während sie schlief.

      Aber soweit durfte es nicht kommen. Der Standesunterschied war zu groß. Sobald er diese Grenze überschritt, musste sie in abweisen und dann verlöre er sie auch als Freundin. Es war besser, die törichten Gefühle im Zaum zu halten und in ihrer Nähe zu bleiben.

      „Larn!“ Torin zuckte zusammen, da seine Stimme ungewollt schroff klang. Er musste seine Laune in den Griff bekommen. Die Männer waren schon beunruhigt genug.

      Larn kämpfte sich an den Reitern vorbei und Torin wartete auf ihn. „Was ist passiert? Wieso hast Du nicht früher Alarm geblasen?“

      Der Mann schwieg und hielt sein Pferd an. Erst nachdem die Schützen vorüber waren und sie gut zwanzig Pferdelängen zurücklagen, setzte er sich wieder in Bewegung.

      „Die Straße war gut einsehbar. Als die Reiter um die Biegung kamen, hab’ ich ins Horn geblasen, nur war nix zu hören. Stille. Nicht einmal unseren eigenen Atem haben wir gehört. Gespenstisch war das. Wir sind abgehauen, aber da war ’n verdammter Zauber im Spiel.“

      Larn schwieg für einen Augenblick. „Dann hab’n sie Krysan erwischt. Also eigentlich sein Pferd. Das Biest ist aufgestiegen, hinten übergekippt und auf ihn draufgefallen. Ich konnte ihm nicht mehr helfen. Die Pferde von denen waren auch komisch. Sind gelaufen, wie frisch ausgeruht, obwohl sie genauso kaputt ausgesehen haben wie unsere. Den Rest kennst Du. Wenn uns die Lady nicht rausgehauen hätte, wär’s bös ausgegangen.“

      Torin überdachte das Gehörte. „Kein Wort davon, außer zu Sylva. Sie hat schon vermutet, dass die Zauberin von heute Vormittag nicht die einzige Magiebegabte bei den Verfolgern war und wird mit Dir darüber reden wollen. Wenn Dich die Männer auf den verpatzten Alarm ansprechen, schickst Du sie zu mir.“

      Schweigend ritten sie nebeneinander her. Unter anderen Umständen hätte Torin die wilde Schönheit des Bergtales genossen, aber jetzt wirkten die hohen Nadelbäume beengend und feindselig. Da zerriss ein greller Blitz das Grau und der Donner rollte mehrfach durch das enge Tal. Schwere Tropfen fielen vom Himmel und hinterließen Flecken auf den staubigen Lederrüstungen.

      „Torin?“

      „Ja?“

      „Ich hol sie.“ Larn wendete sein erschöpftes Pferd und trieb es den eben erst erklommenen Anstieg hinunter. Nachdenklich sah ihm der Leutnant nach. Viel Glück, wünschte er im Stillen und meinte nicht nur den tapferen Reiter.

       * * *

      Der Junge fand die Abzweigung auf Anhieb, und der schmale Pfad war trotz des Wolkenbruchs auch für die Pferde gangbar. Waren sie bisher einem Tal gefolgt, das dem Hauptkamm und der baelischen Grenze zustrebte, bog dieser Weg entlang der Flanke eines mächtigen Granitstocks zurück nach Norden bis in das Nachbartal. Von dort, so hoffte Torin, könnte er die Truppe zurück in die Ebene führen.

      Einmal mehr versuchten die Kundschafter ihre Verfolger zu täuschen. Eine Gruppe folgte dem Hauptweg, hinterließ eine deutliche Spur und kehrte später um. Einen guten Fährtenleser hielt man damit bestenfalls auf, aber bei dem starken Regen könnte es auch klappen. Die Anderen saßen ab und begannen oberhalb des Pfades Bäume zu fällen. Torin schloss sich dieser Gruppe an. Die Axtschläge hallten weit durch das Tal, doch die vielfachen Echos erschwerten die Bestimmung ihres Ursprungs.

       * * *

      Der Regen hörte so rasch auf, wie er begonnen hatte, und von den Hängen stiegen Nebelschwaden auf. Dennoch sah Torin einige tieferliegende Abschnitte der Straße ein. Er wartete ungeduldig auf Sylva und ihre Begleiter, doch zunächst sah er weiter unten die Reihen der Verfolger. Er schätzte seinen Vorsprung auf anderthalb Stunden, war sich aber nicht sicher, ob diese Reiter tatsächlich die Spitze der feindlichen Kolonne bildeten.

      Im Licht der tiefstehenden Sonne, die schon unterhalb der dichten Wolkendecke stand, entdeckte er endlich den weißen Umhang der Magierin. Kurz darauf sah er auch Ern und die anderen. Nachdem der kleine Trupp aufgeschlossen hatte, brachten sie die angeschlagenen Bäume zu Fall. Die Stämme verkeilten sich in dem steilen Gelände zu einem ernstzunehmenden Hindernis.

      Noch einmal verlangten sie ihren Tieren das Letzte ab und schlossen noch in der Dämmerung zu den übrigen Männern auf.

       * * *

      Sie lagen in ihre Decken gehüllt auf nacktem Fels. Der war allemal besser, als feuchte Erde oder nasses Gras.

      „Sylva?“

      „Ja?“

      „Danke.“

      „Wofür?“

      „Du hast heute Vielen das Leben gerettet, vielleicht uns allen.“

      Fahles Mondlicht schimmerte durch die treibenden Wolken. Torin war besorgt, als sie schwieg. „Geht‘s Dir gut?“

      „Ja, warum?“

      „Die Schmerzen in Deiner Brust. Ist das was Ernstes?“

      „Nein. Ja. Das ist kompliziert.“ Sylvas Stimme war kaum noch hörbar.

      „Erzähl‘s mir“, bohrte er nach.

      „Wenn wir mit unserer


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