Schatten und Licht. Gerhard Kunit

Schatten und Licht - Gerhard Kunit


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im Haus DaCalva

      Die junge Gesellschafterin liebte die Aussicht von der Terrasse. Sie lebte seit vier Monate im Haus DaCalva und genoss den Blick über den Goldhügel an jedem einzelnen Tag. Das noble Viertel abseits des geschäftigen Hafens war der schönste Teil von Rand, geprägt von gepflegten Gärten, deren Grün mit dem tiefblauen Wasser des westlichen Ozeans und dem satten Blau des Himmels um die Wette strahlte.

      Die Sommerabende, die sie mit ihrer Dienstherrin auf der weitläufigen Terrasse verbrachte, erfüllten Sara mit Freude. Baronin Rhiannon DaCalva strahlte Ruhe und Gelassenheit aus. Trotz ihrer fast vierzig Sonnenläufe war sie noch eine attraktive Frau. Seit zwölf Jahren war sie mit dem deutlich älteren Horatio, Baron DaCalva vermählt, doch UNAs Segen war dem Paar verwehrt geblieben. Wenn die Sonne im westlichen Meer versank, schienen die Gedanken der Baronin um den unerfüllten Kinderwunsch zu kreisen.

      Sara sog das Panorama in sich auf. Sie wollte sich den Anblick einprägen, solange sie die Gelegenheit dazu hatte. Sie stand nicht zufällig in Baronin Rhiannons Dienst, und noch heute vollzöge ERUs Gesandte den Willen der heiligen Mutter. Sie, die junge Tempeldienerin, durfte daran Anteil haben.

      Beschwingte Schritte trugen sie ins Innere des Palazzos. Sie lief die breite Marmortreppe hinab ins Erdgeschoss, wo sich die Wirtschaftsräume befanden und stürmte in die Küche. „Das Bad für die Baronin richten!“ Sara lächelte den Mägden zu und wandte sich an den Majordomus. „Dominus, die Herrin wünscht Euch zu sehen.“

      Dienstbeflissen erhob sich der ältliche Vorsteher. Die nachmittägliche Hitze hielt ihn nicht davon ab, seine goldbetresste Jacke überzuziehen. „Danke Sara“, rief er und machte sich auf den Weg ins Obergeschoss.

      Der Weg ist frei, dachte sie. Ich hoffe, die Herrin ist bereit. Sie huschte zum Tor, schob den schweren Flügel einen Spalt breit auf und eine schlanke Gestalt schlüpfte ins Haus. Sara wies auf eine Nische unter der Treppe und die Fremde verschmolz mit dem Halbdunkel der Schatten.

      Von oben hörte sie die Schritte des Majordomus. Sie setzte ein Lächeln auf und eilte die Treppe empor. Dominus kam ihr schwitzend entgegen und hob anklagend die Rechte: „Was fällt Dir ein, närrisches Ding. Die Baronin braucht nichts. Deinetwegen habe ich ihre Mittagsruhe gestört.“ Er machte kein Hehl aus seiner Missbilligung, aber Sara lächelte unverbindlich, zuckte bedauernd die Achseln und war schon vorüber.

      Als der Flur wieder frei war, schlich sie zurück, pfiff leise durch die Zähne und winkte die Besucherin nach oben. „Versteckt Euch im Ankleidezimmer des Herrn bis Alles fertig ist.“

      Eine feingliedrige Hand legte sich auf Saras Arm. „Ich danke Dir. Du hast es gut getan.“

      Die junge Frau erschauerte unter der Berührung und die Erinnerungen an die letzte Nacht überwältigten sie. „Geliebte der Göttin, ich gehöre ganz Euch.“ Sie warf sich vor ihr auf die Knie und küsste ihre Hände. Heißes, von ERU selbst entfachtes Verlangen mischte sich in ihre Zuneigung und Bewunderung für ihre höchste Dienerin.

      Sharana lächelte. „Geh jetzt.“ In ihren schlichten Worten lag Wärme, Liebe und eindringliche Mahnung an ihre Pflicht.

      Sara richtete das Bad mit Sorgfalt. Die vertrauten Handgriffe, mit denen sie die weichen Badetücher bereit legte, halfen ihr, ihre Unrast im Zaum zu halten. Dennoch zitterten ihre Hände, da so viel auf dem Spiel stand. Sorgsam veredelte sie das heiße Wasser mit Rosenöl, Gewürznelken und Thymian. Einen flüchtigen Gedanken verschwendete sie an das Geld, das die Kerzen gekostet haben mussten, bevor sie mehrere Dutzend davon aufstellte und entzündete.

      Als Sara mit den Vorbereitungen zufrieden war, eilte sie zur Garderobe und klopfte leise. „Ich bin soweit.“

      „Danke. Hol die Baronin.“

      Sharanas melodische Stimme ließ Saras Herz schneller schlagen. Sie huschte zu Rhiannons Salon, klopfte und betrat den weitläufigen, im Halbdunkel liegenden Raum. „Baronin, Euer Bad ist gerichtet.“

      Anstatt sich diskret zurückzuziehen, griff sie nach dem seidigen Hauskleid und half Rhiannon hinein. Die Baronin zögerte, nahm die unerwartete Handreichung aber mit einem unverbindlichen Lächeln entgegen. Ihre langen schwarzen Haare strichen weich über Saras Hand.

      Die junge Frau öffnete die Türe zum Bad. Rhiannon stutzte, sah sie fragend an, und Sara meinte, im fragenden Blick ihrer Augen zu vergehen. ERU hilf, dachte sie verzweifelt, doch mehr als ein gehauchtes „Baronin, bitte“, brachte sie nicht hervor. Jetzt wirft sie mich raus, schoss es ihr durch den Kopf, doch Rhiannon betrat den verheißungsvoll duftenden Baderaum.

      Behutsam schloss Sara die Türe und half ihrer Herrin aus dem Kleid. Wie schön sie ist, dachte sie, als die Ältere im sanften Licht der Kerzen nackt und verletzlich vor ihr stand. Und nun?, schien die Miene der Baronin zu fragen. Offene Neugier stand in ihrem ebenmäßigen Gesicht.

      „Ich wasche Euch, wenn Ihr erlaubt.“

      Der heikle Moment war überstanden. Während Rhiannon in das warme Wasser glitt, schlüpfte Sara aus ihrem Kleid. Rhiannons Blicke prickelten auf ihrer Haut, während auch sie ins Becken stieg. Sie nahm einen der weichen Badeschwämme und wusch den Rücken ihrer Herrin.

      Langsam entspannte sich die Baronin. Sara spürte ein Begehren, ihren geschmeidigen Körper zu umfassen und zu liebkosen. Ihre Arme glitten unter Rhiannons Achseln durch und umfingen sie zärtlich.

      Der Kopf der Baronin ruckte herum, als ein feiner Luftzug das Öffnen der Türe begeleitete. Als sie Sharana sah, versteifte sie sich augenblicklich. Enttäuschung, Vorwurf und aufkeimende Furcht lagen in ihrem Blick. Den Ausdruck in ihren grauen Augen würde Sara nie wieder vergessen.

      „Vertraut mir“, bat sie flehentlich. Sie zog die Ältere an sich küsste sie, kostete die Berührung der Lippen bis das Beben in Rhiannons Körper verebbte. Liebe und Geborgenheit durchfluteten sie, als Sharana sie beide umfing und ERUs Geschenk entfesselte.

       * * *

      Die Frauen lösten sich voneinander. Sara konnte nicht sagen, wie lange sie sich dem Rausch der Göttin hingegeben hatten. Die Kerzen waren heruntergebrannt, und das Wasser war kühl. Rhiannon lehnte am Beckenrand. Ihre Brust hob und senkte sich, und sichtbare Schauer liefen durch ihren schlanken Körper.

      Sara hatte schon vielen Andachten zu Ehren der Liebesgöttin beigewohnt und brachte sich jedes Mal voller Hingebung ein, doch diesmal war es besonders gewesen. Nie zuvor hatte sie sich Sharana so nah gefühlt, hatte sie die Zuwendung der Hohepriesterin so unmittelbar genossen. Die Göttin selbst war in ihnen gewesen, hatte sie erfüllt, daran gab es keinen Zweifel. Fragend sah sie zu Sharana und diese nickte lächelnd. Es war gelungen.

      Sara wandte sich zu Rhiannon und küsste sie. „Vergebt mir, Baronin.“ Dankbar spürte sie, wie ihr Kuss erwidert wurde.

      „Sara!“ Sharanas Stimme drang glockenhell an ihr Ohr, während ihr die Hohepriesterin übers Haar strich. „Es ist noch nicht zu Ende. Trockne die Baronin ab, frisiere sie und geleite sie in das Zimmer ihres Gemahls. UNAs Segen ruht in ihr und ERUs Zauber ist mit ihr, aber wir müssen auch PHALLONs Macht entfesseln, damit es vollendet wird.“

      Rhiannon war schläfrig und reagierte dennoch mit erwachender Leidenschaft auf jede noch so flüchtige Berührung. Schließlich nickte sie auf dem fürstlichen Doppelbett ein und Sara sorgte mit geübten Handgriffen dafür, dass das zarte Nachthemd ausreichend viel verbarg und zugleich enthüllte, ehe sie wieder ins Bad eilte.

      Sharana erwartete sie bereits. „Kümmere Dich persönlich darum.“ Ihre Handbewegung umfasste die Reste der Kerzen und die Badeutensilien. „Aber bring mich vorher aus dem Haus.“ Die Blonde trat an sie heran und küsste sie inbrünstig. Dann legte sie ihre Finger unter das Kinn der Tempeldienerin und sah ihr tief in die Augen. „Ich danke Dir, Sara, Priesterin der ERU, für Deine Hilfe bei dieser wichtigen Aufgabe.“

      Sara zuckte zusammen. Priesterin? In ihrem Alter? Ehrfurchtsvoll neigte sie ihr Haupt vor der Hohepriesterin und sprach die rituellen Worte, die ihre Ernennung bestätigten: „ERU, ich danke Dir.“

      


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