Schatten und Licht. Gerhard Kunit

Schatten und Licht - Gerhard Kunit


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für Ordnung sorgen.

       * * *

      Den Unterricht führte Magistra Rowina Schmied. Darrian mochte die junge Lehrerin, die sich so für die Kunst der Alchimie begeisterte.

      „Auch wenn ihr jetzt noch einfache Mischungen aus billigen Substanzen herstellt, liegt es in eurem Interesse, mehr als nur die elementaren Grundzüge zu erlernen.“ Aufmerksam ging die Magierin durch die Reihen. „Stell den Brenner etwas höher, sonst wird das nichts – Die Alchimie stellt, nebst der Schmiedekunst, die höchste der nichtmagischen Wissenschaften dar. Durch ihre Kenntnis seid ihr in der Lage, aus meist einfachen, manchmal aber auch teuren und schwer zu beschaffenden Zutaten … jetzt eingießen, Anja, noch rascher – ja, gut so …. wertvolle Mixturen und Tränke herzustellen.“

      Darrian konnte das Gähnen nicht länger unterdrücken. Seit Stunden arbeiteten sie an der Isolation von Blei aus einer Mischung von gelösten Metallen, und er konnte beim besten Willen nichts Aufregendes darin entdecken. Seine Gedanken schweiften zur gestrigen Zauberstunde, in der er sich mit einem perfekt ausgeführten Verformungszauber ausgezeichnet hatte. Was ist dagegen schon die Mischerei hier? Das kann dem Grunde nach jeder Apotheker. Wäre er erst ein großer Zauberer, würden das seine Gehilfen und Lehrlinge erledigen. In seinen Träumen besaß er einen Turm und genoss die Bewunderung gut zahlender Kunden.

      „Die wichtigste und zugleich häufigste Anwendung besteht in der Herstellung von Heiltränken. Sie dienen der Behandlung von Wunden und Verletzungen – nicht so viel von der Säure – und repräsentieren damit das Grundprinzip der weißen Magie in vollendeter Form.“ Magistra Rowina räusperte sich. „Wiewohl in den Grundzügen einfach, bedarf die Herstellung heilender Mixturen von definierter Qualität und verlässlicher Wirkung jahrelanger Übung und höchster Sorgfalt.“

      Darrians Blick schweifte durch den Raum. Anja grübelte über ihrer Schale. Die Zwillinge wehrten sich verzweifelt dagegen einzudösen und die kleine Ylva kritzelte fantastische Muster auf einen Zettel. Nur Semira war noch mit Eifer bei der Sache. Ihre Feder glitt über das Pergament, als wollte sie jedes einzelne Wort festhalten, während der Löffel in ihrer Linken die Probe rührte.

       * * *

       Magistra Rowina Schmidt, Lehrerin für Alchimie an der Akademie zu Rand

      „Magistra!“, rief Semira aufgeregt. „Wenn ich dem Blei, solange es noch gelöst ist, sofort den Diamantstaub und die Krötengalle zufüge, kann ich die Basis für einen Wandlungstrank herstellen, ohne dazwischen abzukühlen. Dann müsste die Verteilung in der Probe auch feiner sein.“

      Genial, schoss es Rowina durch den Kopf. Das könnte tatsächlich funktionieren. Das Mädchen besaß eine natürliche Begabung, und ihr Eifer und ihre kreativen Einfälle begeisterten die Lehrerin. Sie dachte an ihre Forschungen für die Rezeptur eines verbesserten Stärkungstranks. Ich werde fragen, ob mir die Kleine den einen oder anderen Nachmittag helfen darf. Da lernt sie viel, wir haben Spaß daran und vielleicht hat sie ja noch mehr Ideen, die uns weiter bringen.

      Als sie wieder aufsah, waren die Schüler dabei die Materialien wegzuräumen und ihre Schalen zu säubern. „Los, raus jetzt“, rief sie den Kindern fröhlich nach, während diese ins Sonnenlicht drängten.

      Eine Schande, dass sich so Wenige ernsthaft für die Alchimie interessieren, grübelte Rowina, während ihr Blick dem blonden Mädchen folgte. Obwohl die Art der Tränke, die ein Absolvent einer weißen Schule herstellen durfte, eingeschränkt war, ermöglichte deren Verkauf doch ein gutes und angesehenes Auskommen, ohne sich in ein festes Dienstverhältnis oder einen bewaffneten Konflikt zu begeben. Aber die direkte Anwendung von Magie war für die angehenden Zauberer natürlich verlockender, musste sich die junge Lehrkraft eingestehen.

      Die Sache mit der Bleilösung probiere ich gleich aus.

      Am Weg zum Experimentiertisch hielt sie inne und ihre Euphorie wich Bestürzung: Der Wandlungstrank zählte zu den verbotenen Elixieren. Durch seine vollendete Täuschung konnte man dunkle Machenschaften und Verbrechen nicht nur verbergen, sondern auch noch Unschuldigen anlasten. Die Liste der verbotenen Elixiere war ein unverzichtbarer Bestandteil des Unterrichts, aber Rowina konnte sich nicht entsinnen, jemals auch nur einen Bestandteil der Mixtur erwähnt zu haben. Um das Gespräch werde ich nicht herumkommen, seufzte sie, während sie lustlos ihren Tisch aufräumte.

      Zurück in ihrem Arbeitszimmer musterte sie das Schränkchen mit den Rezepturen. Die sorgfältig gearbeiteten Intarsien auf den Türchen zeigten eine Auswahl bekannter Heilpflanzen. Das Schloss war unversperrt. Ich habe ganz sicher abgesperrt, so wie jedes Mal …. In Rowina keimte ein Verdacht.

      „TANIS sei Dank“, entfuhr es ihr, als sie die Bände mit den verbotenen Rezepten an ihrem Platz vorfand.

      Das Buch mit dem schwarzen Einband stand für den Tod. Es enthielt eine erkleckliche Anzahl von Giften, teils langsam wirkend, teils rasch, in ihrer Wirkung von Schwächeanfällen bis zum unvermeidlichen Tod reichend.

      Der grüne Band enthielt Tränke zur Manipulation des Geistes. Hierin fand sich beispielsweise die Anleitung zur Herstellung des berüchtigten Wahrheitselixiers. Auch diese Substanz zählte zu den verbotenen Rezepturen, ihre Anwendung war aber – unter Einhaltung strikter Regeln – freigegeben worden.

      Die Seiten des roten Buches waren den Elixieren zur Verzauberung von Lebewesen gewidmet. Die Auswahl reichte von harmlosen Spielereien, wie stimmverändernden Anwendungen, bis zu eben jenem Wandlungstrank, den die kleine Semira vorhin so beiläufig angesprochen hatte.

      Rowina betrachtete die verbotenen Bücher mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu. Ausgewählte Weißmagier mussten sich mit diesen perversen Verirrungen der Alchimie auseinandersetzten. Für die einwandfreie Identifikation aufgefundener Tränke war dies ebenso von Bedeutung, wie für die Erforschung und Weiterentwicklung wirksamer Gegenmittel, und es oblag Rowina, jene verbotenen Wirkstoffe herzustellen, deren verderbliche Wirkungen noch analysiert werden mussten.

      Also habe ich wirklich nur vergessen abzuschließen, sagte sie sich, doch ihre Unruhe legte sich nicht. Sie öffnete das Kästchen erneut, und diesmal nahm sie den roten Band heraus. Hastig blätterte sie nach der Rezeptur und stieß erleichtert die angehaltene Luft aus. Nichts deutete darauf hin, dass das Buch vor kurzem benutzt worden wäre, doch beim Zuklappen fiel ihr Blick auf ein einzelnes blondes Haar, das sich im Faden der Bindung verfangen hatte.

       * * *

      Jahr 22 des Kaisers Polanas, Spätsommer

       Romero Likandros, Lehrmeister der Verwandlung an der Akademie zu Rand

      Die Platane im Hof der Verwandlungsakademie war alt. Im Schatten ihrer ausladenden Krone fand sich ein Dutzend Novizen zum Stockfechten ein, und noch einmal so viele Schüler der unteren Jahrgänge nutzten die entfallene Alchimiestunde, um den Älteren zuzusehen.

      Kampfzauber wurden in Rand nur rudimentär gelehrt, gerade einmal das Nötigste. Kraft und Gewandtheit zählten nicht zu den Stärken der angehenden Zauberer. Wer als feuerspeiender Kampfmagier den Ausgang einer Schlacht beeinflussen wollte, war in Bethan besser aufgehoben. Dennoch sollte jeder Weißmagier in der Lage sein, sich zu verteidigen.

      Oft war es schwierig, die Schützlinge für den Kampfunterricht zu begeistern und Magister Romero Likandros war dankbar, dass ihm Ran zur Seite stand, ein ehemaliger Küchenbediensteter, dessen athletischer Körper für den Nahkampf wie geschaffen war. Der junge Mann war ein respektabler Stockfechter und übte gerne mit den Novizen.

      Magister Likandros ergriff das Wort: „Heute lernen wir, uns gegen eine Entwaffnung zu wehren. Dies ist für Magier von eminenter Bedeutung, da wir mit dem Zauberstab nicht nur unsere Waffe, sondern auch unser wichtigstes Werkzeug verlieren. Ran wird die Entwaffnung vorführen, ehe Ihr Euch mit den Abwehrmaßnahmen vertraut macht. Freiwillige?“

      Ardana meldete sich sofort. Die schwarzhaarige Novizin war eine miserable Kämpferin, hatte aber ein Auge auf Ran geworfen. Seitdem ließ sie keine Gelegenheit aus, um den körperlichen


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