Eternumity. Stephan Schöneberg
) Samuel Taylor Coleridge (X)Amanda, Christian, Jochen, Martin, Samantha
( ) David Guetta (Y)Christian, Ludwig, Sylvia
( ) Frank Herbert (Z)Samantha, Simon
GenesisStephan Schöneberg
Einige Haupt- und Nebenfigurenalphabetisch nach Vornamen sortiert
Gelesene Kapitel können abgehakt werden. Ab dem Kapitel (D) bis zum Kapitel (W) müssen die Kapitel nicht mehr nacheinander gelesen werden.
Pink Floyd (A)
Christian, Jochen, Michaela
We don't need no educationWe don't need no thought controlNo dark sarcasm in the classroomTeachers leave them kids alone
Pink Floyd - Another Brick In The Wall
Der Wecker klingelte diesen Montagmorgen nicht so früh wie er es üblicherweise tat. Dr. Jochen Schuppien hatte ihn mit Absicht etwas später, auf 7:30 Uhr, gestellt. Seine erste Stunde in der Albert-Einstein-Schule zu Neustadt/Wied fiel heute aus. Daher konnte er sich den Luxus leisten, heute eine halbe Stunde später als üblich unter der Dusche zu stehen. Die Kinder waren wohl schon aus dem Haus. Seine Ehefrau Maria hatte das Haus auch schon verlassen, sodass er mit sich und seinen Gedanken, sowie den verblassenden Träumen, allein war.
Er duschte heute sehr lange. Das entspannte ihn meistens. Auch diesmal half das viele Wasser. Relaxt setzte er sich danach an den noch gedeckten Frühstückstisch. Maria war in diesen Dingen immer sehr fürsorglich. Sie wusste, dass er diese erste Mahlzeit des Tages liebte. Darum hatte sie den Tisch für ihn gleich mit gedeckt. Sie selbst hatte heute Morgen einen sehr frühen Termin, den sie nicht absagen konnte, weswegen sie schon um sechs Uhr aufgestanden war. Es gab keinen Grund, ihren Mann, den sie über alles liebte, ebenfalls zu wecken. Jochen war sehr glücklich darüber, denn so konnte er sehr viel länger schlafen.
Seit Neuestem nahm bei ihm die Intensität seiner Träume wieder zu. Er wischte die verrückten Geschichten mit einem Brotaufstrich extra dicker Marmelade aus seinem Kopf. Es waren schließlich nur Träume.
Auch Christian war noch im Haus, seine erste Stunde fiel wohl auch aus: „Hallo Papa“.
Jochen hatte nicht bemerkt, dass sein Sohn hereingekommen war. Eigenartig, eine Fehlfunktion im System gab es nicht. Er war scheinbar noch zu sehr in Gedanken, als dass er das grüne Licht für Christians Anwesenheit am nahegelegenen Monitor bemerkt hätte.
„Guten Morgen, Christian“ erwiderte er, vielleicht eine Spur zu unfreundlich. Nach einer kurzen Pause antworte Christian: „Oh, guten Morgen, Papa. Tut mir leid, ich wollte nicht einfach so hereinplatzen.“
„Schon gut, aber es gehört sich eigentlich die Tageszeit zu nennen, wenn man sich 'an den Frühstückstisch setzt'.“ Natürlich wusste Jochen, dass Christian nicht einfach so aufgestanden war. Im Grunde benötigte sein Adoptivkind keinen Schlaf im klassischen Sinn. Sie hatten innerhalb der Familie jedoch festgelegt, dass auch er sich an den Tagesrhythmus der 'normalen' Welt anpassen sollte, zumindest hier im Haus. Insbesondere für Kinder gab es in vielen Familien meist vorgeschriebene Regeln. Das war logisch begründet und nur zu verständlich, da sonst die beiden Welten zu weit auseinanderdrifteten und so ein familiärer Alltag schwer bis unmöglich wurde. Sicher, es gab Strömungen und Meinungen das eben dies möglich sein sollte. Sowohl in der einen wie der anderen Welt. Aber intern, in der Familie Schuppien, galt die Regel, dass es so sein sollte, wie es in jeder Familie mit normalen Kindern nun einmal auch ist. Er lächelte ein stilles Lächeln. Die eine Welt, die andere Welt! Dabei gab es eigentlich nur diese eine, unsere Welt! Schließlich lebten alle jetzt und hier und in der gleichen Zeit. Zumindest dachten Jochen, Maria und Alexander so.
Eine Welt … was ist das eigentlich? Die einfachste Definition davon war wohl: Es ist der Platz, in dem wir 'leben'. Nur ... leben SIE wirklich? Was ist das überhaupt, das Leben?
Jochen hatte sich viele, viele Stunden während seines Studiums und seines bisherigen Lebens mit genau diesen Fragen beschäftigt. Es war Teil seiner Ausbildung zum Lehrer für 'alle' Schüler gewesen. Dies ist ein 'Job', den nicht jeder oder jede leisten konnte oder wollte. Um eine bessere Bindung und ein besseres Verständnis für 'die Anderen' zu bekommen, hatten er und Maria damals entschieden, ein Kind aus der zweiten, virtuellen Welt zu adoptieren. Der Zeitpunkt dieser Suche hätte für Christian nicht besser sein können, denn er war gerade auf der Suche nach einer 'neuen' Familie. Für ihn war dies alles ein großes Glück. Er hatte bisher nicht so viel davon gehabt, vom Glück.
Seine ursprünglichen Eltern entschieden sich vor Jahren, endgültig zu sterben. Christian war zu dem Zeitpunkt noch nicht 'alt' genug, um dies auch zu tun oder besser, um es tun zu dürfen. Inzwischen war er ein echter Teil der Familie Schuppien und sowohl Jochen wie auch Maria hatten eingesehen, dass es eine echte Adoption war und nicht zunächst ein Spiel. Wie naiv es doch war, zu glauben, ein virtuelles Kind zu adoptieren sei irgendwie einfacher … Es war traurig, aber viele taten dies mit genau dem Hintergedanken: „... und wenn es nicht funktionierte, dann konnte man es wieder abgeben.“
Aber so dachten sie beide schon damals nicht. Sie waren sich ihrer Verantwortung bewusst. Ihr Entschluss war bindend und endgültig, ihr ganzes Leben lang und natürlich auch noch darüber hinaus. Dennoch hatten sie nicht mit einer solchen Tragweite dieser Entscheidung gerechnet.
Vielleicht entscheiden sich erwachsenere Kinder auch generell anders, eventuell hätte ein älteres Kind sich nicht für sie entschieden? Christian war damals gerade einmal 9 Jahre alt gewesen. Er ahnte zunächst überhaupt nichts davon, dass seine leiblichen Eltern sich gegen das virtuelle Leben entscheiden würden, wie sie es schließlich auch getan hatten. Seine Eltern hatten dies nur für sich beschlossen. Sie hatten Christian in ihre Entscheidungsfindung nicht einbezogen.
Er hatte nie verstanden, warum seine leiblichen Eltern diese Entscheidung getroffen hatten. Er war noch sehr jung, wahrscheinlich dachten sie, er wäre zu jung. Aber egal wie alt jemand ist, ein Entschluss für einen Freitod ist für jedes Alter schwer zu fassen oder zu begreifen.
„So wie sie ging man nicht von dieser Welt. Nicht ohne sich richtig zu verabschieden!“, dachte Jochen damals, wie auch heute. Jochen konnte nicht verstehen, wieso echte Eltern das tun konnten. Oder … vielleicht doch? Wie ist es 'dort'? Andererseits war Jochen froh, mit Christian einen Gesprächspartner gefunden zu haben, der …
„Papa!“ … und etwas leiser „Papa?“
„Ja, Christian?“
„Träumst du?“, erklang die Stimme erneut mit einer leicht lächelnden Intonation.
„Träume ...“, dachte Jochen, „...ein weiterer Punkt in der langen Liste, der vielen, vielen Unterhaltungen.“
„Schon gut, Christian … es war ein langer Tag gestern, ich bin einfach zu spät ins Bett gekommen. Hast du noch die Gelegenheit gehabt, mit Mama zu besprechen, was heute ansteht?“
„Hmm?“
„Du hast doch heute Schule, oder etwa nicht?“
„Ja sicher, Paps; krank sein kann ich ja schließlich nicht“, kam als amüsiert unterlegte Antwort zurück.
Jochen lächelte … es hatte lange gedauert, bis Christian wieder so etwas wie Humor zurückgewonnen oder neu für sich entdeckt hatte. Natürlich knabberte auch er lange an den Folgen seines vorherigen Lebens.
„Sie haben sich natürlich von dir verabschiedet!“, versuchte er es ihm immer wieder zu erklären, „Sie haben dir doch einen langen Abschiedsbrief hinterlassen. Sie haben dir erklärt, warum Mama und Papa von dir gehen mussten - aus ihrer Sicht heraus.“
In dem Brief erklärten sie, versuchten sie, genau zu beschreiben, warum sie sich so entschieden hatten. Zumindest gab es den Ansatz einer Rechtfertigung.
Jedoch