Eternumity. Stephan Schöneberg

Eternumity - Stephan Schöneberg


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zweiten Welt, soweit man dies alles wirklich Entdeckungen nennen kann, ist nach wie vor immer noch nicht dort, wo sie die Menschheit gerne sehen würde. Nach und nach wurden die 'Bots' immer besser und ausgefeilter. Ein Mensch aus dem zwanzigsten Jahrhundert würde darin fast keine Maschinen mehr erkennen. Mit den heutigen 'Bots' kann man reden und in die Gesichter der jeweiligen 'Mieter' blicken. Die so genannte „Response“ ist inzwischen so gut, dass sie auch in der Lage sind, weitestgehend ohne Verzögerung die Gedanken und Gefühle desjenigen zu zeigen, der gerade den jeweiligen Bot steuert oder besitzt. Jedoch ist die allerneueste Generation der Bots der Allgemeinheit nicht bekannt, was durchaus seine Gründe besitzt.

      Denn es gibt leider - oder auch zum Glück - nicht genug 'Bots' für alle, sodass sie ständig ausgebucht sind. Das 'leider' gilt für die Menschen in der zweiten Welt, die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind. Der Gedanken 'zum Glück' galt allen anderen Bewohnern und Lebewesen der Erde, ansonsten wären wohl viele Orte auf der Welt schlichtweg mit meterhohen Stapeln von Bots aufgefüllt. Das wäre dem Sinn und Zweck dieser ansonsten nützlichen Helfer auch nicht mehr ganz so dienlich. Dazu kommt noch das Energieproblem. Bots benötigen naturgegeben viel Strom und müssen natürlich auch dann und wann gewartet und repariert werden.

      „Aber genug für den Moment, andere Kinder möchten ja auch noch was erzählen - nicht jedes Kind hat die Möglichkeit, fast jeden Fleck auf der Erde zu besuchen, aber vielleicht kann ja Amelie mal weiter erzählen, wenn du soweit erst einmal fertig bist?“, Jochen wusste natürlich, dass Senol noch so viel mehr zu erzählen hatte, aber eine Unterrichtsstunde ist knapp - auch andere Schüler möchten vielleicht gerne etwas vortragen und von Amelie hatte er schon länger nichts mehr über ihr normales Leben gehört.

      Amelie war kein Virtueller. Amelie war ein ganz normales Kind mit ganz normalen Eltern und sogar noch allen vier lebenden Großeltern. Lediglich ab den Urgroßeltern befanden sich die Verwandten im Status „zweite Welt“.

      Sie begann ihre Zusammenfassung:

      „Och, gestern hat es ja nur geregnet. Und kalt war es auch noch gewesen, obwohl wir doch schon Mitte April haben. Heute ist es wärmer Ich hab einfach nur mit Puppen gespielt. Papa kam früher nach Hause. Wir konnten dann noch ein wenig Spiele spielen.“

      „Hört sich nach einem gemütlichen Nachmittag an.“ ergänzte Jochen.

      „Ja, war nichts Aufregendes - später kam noch Urgroßoma dazu, wir haben dann den virtuellen Spieletisch benutzt.“

      Der virtuelle Spieletisch war ein Segen für die Interaktion zwischen den Welten. Im Grunde war er in fast jedes Haus integriert. Mit Hilfe von Hologrammen, Kameras, Monitoren und diversen anderen technischen Dingen war es so, als würde ein virtueller Mensch mit am Tisch sitzen. Leider konnte nicht jeder Raum in einem Haus ein solch großzügig ausgestattetes 'Portal' besitzen. Meist beschränkten sich die sogenannten Portale, die so etwas wie eine Tür in die andere Welt waren, in den anderen Räumen auf einen Monitor, eine Kamera und einen Lautsprecher. Es war immens wichtig, dass die verstorbenen Verwandten am Leben der normalen Menschen teilnahmen. Das war mit Verwandten noch am Einfachsten. Hier bestand eine gemeinsame Basis. Sie teilten ihre Erinnerung aus dem vorherigen Leben mit der Familie, sofern es eine gab. Eine Familie war die vorherrschende Form des sozialen Zusammenlebens und meistens ein Segen für Kinder. Es gab aber auch andere Gemeinschaftsformen. Niemand schrieb Kindern das Leben in einer Familie vor und für erwachsene Menschen galt dies schon gar nicht. Jochen hatte solch ein anderes Leben, bevor er Marie kennen gelernt hatte, auch gelebt. Selbst mit der Geburt ihres Sohnes wäre es auch noch möglich gewesen in diesem alten Leben zu bleiben. Aber sie beide teilten die gleichen Werte und Vorstellungen von Erziehung. So entschlossen auch sie sich zu dem Modell „Familie“, ebenso wie dies Amelies Eltern getan hatten. Es gab aber auch noch mehr Möglichkeiten. Sowohl bei Marie wie auch bei Jochen sah das Lebensmodell anfangs anders aus, als das Leben das sie jetzt führten. Bereut haben sie es nie, eine Familie zu leben. Leider mussten aber auch Kinder ein anderes Schicksal annehmen. In gewisser Weise war der Tod besiegt, aber er hatte immer noch seinen Preis, der bezahlt werden musste.

      Senol meldete sich und wurde von Amelie zum Sprechen autorisiert: „Ich würde alles dafür geben, noch einmal von meiner Mutter oder meinem Vater umarmt zu werden.“

      „Uff, das war hier und jetzt etwas sehr überraschend, dies von einem virtuellen Kind zu hören.“ dachte Jochen. „Das werde ich mit Julia besprechen müssen.“

      Julia war der virtuelle Vertrauenslehrer-Gegenpart zu Jochen. Natürlich war auch in der virtuellen Welt ein Lehrer angestellt, der auf die Inklusion von virtuellen und realen Schülern achtete und zu diesem Zweck jederzeit angesprochen werden konnte. Viele nicht direkt im Schulalltag eingebundene Menschen, seien sie nun real oder virtuell, ahnten oft nicht, wie viel zusätzlicher Aufwand notwendig war, um jedem Schüler gerecht zu werden. Die realen Schüler blickten neidvoll auf die speziellen Fähigkeiten der virtuellen Schüler. Es war unglaublich reizvoll, innerhalb von Sekunden überall auf dem Planeten direkt vor Ort zu sein. Darin lag aber auch eine gewisse Gefahr, denn die realen Menschen hatten etwas zu verlieren, was sie als virtuelle Menschen nicht mehr wiedererlangen konnten: Ihre Körperlichkeit.

      Ganze Heerscharen von Wissenschaftlern arbeiteten daran, diese Lücke zu schließen. Aber die Probleme zur Wiedererlangung von körperlichem Gefühl waren vielfältig. Jochen war sich sicher, dass es irgendwann einmal möglich sein würde, dass ein Virtueller sich irgendwann einmal wieder genau wie der Mensch fühlen wird, der er einmal war. Es war eine Frage der Zeit, wann dies möglich sein würde. Und Zeit hatte jeder Bewohner der zweiten Welt im Überfluss. Jedoch gehörte dazu Geduld. Kinder hatten wenig Geduld und es war oftmals schwer oder gar unmöglich, ihnen Dinge logisch zu erklären.

      Es war nicht möglich, ihnen einen virtuellen Kratzer am Knie mit einem lustigen Zebrapflaster zu bekleben und damit den Schmerz einfach so zu 'heilen'. Virtuelle Kinder fielen nicht hin, oder verletzten sich.

      Gerade Kinder zählten in der virtuellen Welt zu den verletzlichsten Wesen, da sie sich Begriffe wie Ethik, Mitgefühl aber auch Traurigkeit erst erarbeiten mussten. Ein menschlicher Vertrauter war hier genauso hilfreich und nötig, wie ein Virtueller.

      Dementsprechend waren die virtuellen Kinder neidisch auf die realen Kinder, denn sie kannten keine Körperlichkeit. Früher gab es Kinder, die nicht laufen konnten. Es musste für virtuelle Kinder ein ähnliches Gefühl sein. Sie konnten nicht auf dem Schulhof fangen spielen oder sich an Spielgeräten austoben.

      Es war schon immer Jochens Passion gewesen, gerade diesen Graben zwischen realen und virtuellen Schülern so weit wie möglich zu schließen und zum Beispiel jeder Klasse ein Gruppengefühl zu geben.

      Jochen war abermals sehr froh, dass sie Christian gefunden und adoptiert hatten. Er hatte ihm vielleicht mehr bei der Ausübung dieser Lehrerpassion geholfen, als dies irgendeinem Buch oder einer einstudierten Vorgehensweise möglich gewesen wäre.

      Letztendlich hatten sie sich wohl gegenseitig geholfen. Auch wenn Jochen sein Adoptivkind wahrscheinlich niemals so umarmen kann, wie er es mit seinem echten realen Kind, seinem Bruder Alex, machen konnte. Jedoch, es würde ihm niemals in den Sinn kommen, dass Christian nicht auch sein Sohn wäre. Auch sein biologischer Bruder akzeptierte ihn vorbehaltlos als sein wirkliches echtes kleines Brüderchen.

      „Senol“, er holte tief Luft. „Eine Umarmung ist etwas Wundervolles. Die Liebe der Eltern ist im meistens grenzenlos und unendlich groß.“

      „Aber ...“, Bryan, ein weiteres virtuelles Kind, wollte gerade etwas erwidern.

      „Warte bitte“, sagte der Doc ruhig und gelassen.

      „Ich war noch nicht fertig, Bryan ... Eltern, die ihre Kinder nicht mehr lieben - und so etwas kommt vor - verraten in meinen Augen ihre Menschlichkeit. Ich habe so etwas nie verstanden. Du hast als Mensch eine Verantwortung, du hast als Eltern eine noch größere Verantwortung. Dein Kind oder überhaupt irgendein Kind zu verraten gehört zu den schlimmsten Verfehlungen, die du dir als Eltern oder Mensch zuschulden kommen lassen kannst“, Jochen stockte ein wenig.

      „Oh, entschuldigt, vielleicht könnt ihr das noch nicht voll verstehen.“

      Er machte eine weitere


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