Oliver Hell - Feuervogel. Michael Wagner J.

Oliver Hell - Feuervogel - Michael Wagner J.


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Landes zu bringen, denn in ihrem eigenen Land gab es seit dem Jahr 2010 ein Gesetz, das den Ordnungshütern der Polizei erlaubte, Hunde zu konfiszieren. Geriet ein Hund in eine Rangelei, bei der ein wenig Blut floss und kam dieser Vorfall zur Anzeige, so lebte der Hund, dem diese Rangelei zugeschrieben wurde, von da an in akuter Lebensgefahr.

      Die Polizei hatte das Recht, Tiere zu konfiszieren und sie einschläfern zu lassen. Davon waren vor allem Hunde betroffen, die den sogenannten Kampfhund-Rassen zugehörten, wie Staffordshire-Terrier oder Pitbull. Doch auch harmlose ‚Familienhunde‘ wie Retriever oder Dalmatiner gerieten so in die Fänge der Justiz.

      Tiere sind Tiere und sie regeln Dinge manchmal eben auch so, dass Aggression im Spiel ist. Das hatte nichts damit zu tun, dass diese dänischen Tierschützer Beißer retten wollten. Nein, es ging ihnen um Tiere, die völlig unschuldig getötet werden sollten.

      Auf Facebook gab es viele Fälle, die dort angeprangert worden waren. Viele Hunde wurden zu Helden. Sie mussten sterben, um den Widerstand der Menschen hervorzurufen.

      Auch die Hunde von Touristen waren von diesen Gesetzen nicht ausgeklammert. Es konnte passieren, dass man mit Hund nach Dänemark fuhr und ohne sein Tier wieder die Heimreise antreten musste, sofern sich der Hund auffällig verhalten hatte.

      Seit dem Frühjahr 2012 gab es die Aktivisten der Tierschützer, die sich dieser Hunde annahmen. Meist mit Wissen der Besitzer ‚entführten‘ sie diese Tiere, die sonst einen schnellen Tod vor sich gehabt hätten, um sie ins Ausland zu bringen. Für die Tierbesitzer ein schwerer Weg, aber für viele auch der einzige Weg, um ihren Hund zu retten.

      Dabei arbeiteten sie auch mit Tierschützern aus der Bundesrepublik zusammen. Die Menschen, die so handelten, stellten sich ganz bewusst gegen ihren Staat. Sie arbeiteten illegal und es erwarteten sie harte Strafen, wenn sie entdeckt wurden.

      Daher lief alles im Untergrund.

      Schlimm, wenn ein Land seine Bewohner aus solchen Gründen in den Untergrund treibt, das meinten auch viele Menschen im Ausland. Sie unterstützten die dänischen Tierschützer, deren Name ‚Venner‘ war.

      Petter Johansson war auch einer dieser Menschen. Er öffnete die Heckklappe seines Geländewagens. Dort lag zusammengekauert ein Hund und schaute ihn mit traurigem Blick an. Johansson brachte den schwarzen Retriever nur mühevoll dazu, aufzustehen. Dem Tier fehlte das Vertrauen. Von Menschen hatte er nie viel Positives erfahren.

      Mit einem schüchternen Hopser sprang er vom Geländewagen herunter, doch damit endete schon wieder sein Vertrauen. Mit zusammengekniffenem Schwanz blieb er stehen.

      Johansson griff in die Außentasche seiner kurzen Cargo-Jeans, dort hielt er immer ein paar Leckerchen bereit.

      »Komm, ich tu dir nichts«, sagte er und setzte sich neben den Hund auf den Sand. Kein Druck. Das Tier sollte keinen Druck verspüren. Als der Hund das Knistern der Plastiktüte hörte, spitzte er schon seine Ohren.

      Die Nacht war lau. Es wehte ein leichter Wind, der vom Meer kam. Leichte Kumulus-Wölkchen wurden von einem aufgehenden Mond beleuchtet. Der Erdbegleiter stand erst als Sichel über dem Horizont.

      Der Geländewagen parkte dicht neben einem alten Gebäude. Weit abseits der Wege, die von den Touristen genutzt wurden. Das Haus duckte sich zwischen zwei Dünen und war deshalb auch schlecht einzusehen. Früher hatten hier einige Fischer, die auf dem Ringkøbing Fjord, dem größten Binnensee Dänemarks, mit ihren Booten unterwegs waren, alte Netze und Reusen aufgehoben, doch seit Jahren stand das Gebäude leer.

      Heimlich hatten die Venner hier Boxen für die Hunde eingerichtet, die hier für kurze Zeit unterkommen sollten. Im Moment war der schwarze Retriever das einzige Tier, das hier auf seine Ausreise warten würde.

      Johansson hielt dem Hund ein kleines Stück Fleischwurst hin. Misstrauisch schnupperte er daran, nahm es dem Mann dann vorsichtig aus der Hand.

      Das laute Schmatzen des Hundes war gut zu hören. »Verrat uns nicht, wenn du so laut frisst!«, sagte der Mann und legte dem Hund ein weiteres Fleischwurststück vor die Füße. Gierig schnappte er danach.

      »So, magst du jetzt mitkommen?«, fragte der Mann den Hund.

      Der blickte ihn auffordernd an. Kommt da noch ein Stück Fleischwurst, schien der Blick des Hundes zu fragen.

      »Nix, drinnen gibt es noch was. Komm!«

      Der Retriever setzte sich in Bewegung und trottete dem Mann hinterher.

      Als Johansson in der Hütte verschwunden war, senkte ein Beobachter sein Fernglas und setzte sich in Richtung der alten Fischerkate in Bewegung.

      *

       Bonn

       Freitag, 9.8.2013

      Vor ihm lief eine Frau mit einem blonden Pferdeschwanz. Oliver Hell heftete seinen Blick auf den hin und her pendelnden Zopf und versuchte, sein Tempo dem der Frau anzupassen. Nach ein paar Metern hatte er seinen Schritt so weit verlangsamt, dass er wieder zu Atem kam. Die Frau zu erreichen, war sein Ziel gewesen. Seine Lunge pfiff und er verfluchte jede einzelne Zigarette, die er in seinem Leben jemals geraucht hatte. Obwohl es schon über ein Jahr her war, dass er mit dem Rauchen aufgehört hatte, Sport getrieben hatte er seitdem nicht.

      Jetzt riet ihm sein Arzt dringend an, sich besser in Form zu bringen. Er suchte seinen Hausarzt auf, bevor er den Termin bei seinem Seelenklempner wahrnahm. Der Mediziner, der ihn schon seit mehreren Jahren kannte, wunderte sich nicht darüber, als Hell ihm seine Symptome schilderte.

      »Tja, Herr Kommissar, was soll ich Ihnen sagen? Sie sind schon seit ein paar Jahren ein Kandidat für das Burn-out. Jetzt hat es sie definitiv erwischt.«

      Hell hatte nur milde gelächelt. Selbst als der Arzt ihm die möglichen Folgeerkrankungen aufzählte, konnte ihn das nicht schocken. Erst als er ihm ganz nebenbei erzählte, dass erst letztens einer seiner Patienten einen Herzinfarkt erlitten hatte, wich dem Kommissar das Lächeln aus dem Gesicht.

      Hell dachte an die Situation, in der Franziska ihm das erste Mal geraten hatte, sich einem Psychologen anzuvertrauen. Es war nicht lange her. Hell hatte seinen Zustand erkannt, aber sich selbst als Burn-out-Kandidaten zu bezeichnen, wäre ihm nicht über die Lippen gekommen. Burn-out hielt er lange Zeit für eine Krankheit, die nur Weicheier und Sesselpupser betraf. Nein, wie er nun gelernt hatte, befand sich diese Erkrankung auch unter Kollegen auf dem Vormarsch.

      Die Polizei in Bonn und auch das die ehemalige Bundeshauptstadt umgebende Rheinland stand unter einem enormen Druck. Es gab immer weniger Beamte, die dasselbe Arbeitsaufkommen zu erledigen hatten. Der Ausbildungsstand vieler Beamter war mangelhaft, viele Beamte standen zudem kurz vor ihrer Pension. So gut, wie es Hell mit seinem jungen Team hatte, so gut hatten es nicht viele seiner Kollegen.

      »Sehen Sie zu, dass Sie sich eine Weile aus dem Geschehen zurückziehen. Machen Sie etwas ganz anderes. Ruhen Sie sich aus, leben Sie. Das ist das Beste, was Sie tun können, um wieder ganz in die Reihe zu kommen.« Der Ausdruck auf dem Gesicht des Hausarztes untermalte seine Worte.

      Hell kam der Empfehlung des Arztes nach, sich einen Ausdauersport zu suchen. Anfangs hatte er sich in seinen neuen Joggingschuhen fürchterlich gequält und sich mehrere Blasen geholt, doch jetzt ging es schon wesentlich besser.

      Heute war Freitag, der 9. August 2013. Hell lief auf seiner Lieblingsstrecke am Rhein. Seit zwei Wochen war er nicht mehr im Dienst. Er hatte seine Kollegen gebeten, ihn zu kontaktieren, falls sie seine Unterstützung benötigten. Allerdings erteilte sein Stellvertreter Jan Philipp Wendt diesen Plänen eine herbe Abfuhr.

      »Chef, ich will Sie in den nächsten Wochen hier nicht sehen. Haben Sie das verstanden?«

      Was wie ein unhöflicher Befehl klang, war nur eine gut gemeinte Standpauke.

      Wendt kannte seinen Chef. Sobald er ihn anrief, würde er auch im Präsidium auftauchen; das sollte nicht passieren.

      »Wir


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