Oliver Hell - Feuervogel. Michael Wagner J.

Oliver Hell - Feuervogel - Michael Wagner J.


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sie zusammen die letzten Tüten mit Lebensmittel zum Wohnmobil getragen hatten, wobei Hell fand, dass sie mit ihrer Befürchtung, zu viel eingekauft zu haben, den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, und Franziska sich erneut über den Komfort des Bettes gefreut hatte, gingen sie ein letztes Mal zum Haus zurück. Hell legte noch zwei Geldscheine auf die Anrichte in der Küche unter einen Zettel für seinen Sohn Christoph, auf den er ‚Für Lebensmittel‘ gekritzelt hatte.

      Dann kontrollierte er noch einmal sämtliche Fenster und die Türen, die in den Garten führten.

      »Denkst du nicht, dass Christoph in den zwei Wochen mal auf die Terrasse gehen wird?«, fragte Franziska amüsiert.

      »Egal«, maulte Hell leicht pikiert.

      Dann war es soweit. Viele vollintegrierte Wohnmobile besaßen auf der Fahrerseite keine Tür, sondern nur einen Eingang wie bei einem Wohnwagen, doch der LMC verfügte über beides. So wie er es gewohnt war, stieg Hell auf der Fahrerseite ein, während Franziska den Einstieg auf der anderen Seite nutzte. Er drückte sich in den bequemen Fahrersitz, der auf beiden Seiten Lehnen hatte.

      Die Sitze dienten gleichzeitig auch als Sessel, man musste sie nur entriegeln und herumdrehen. Während der Fahrt allerdings sollte man nach vorne gewandt sitzen. Franziska ließ sich in ihren Sitz plumpsen und machte sich mit den Hebeln für die Einstellung vertraut.

      »Man muss das Teil doch weiter zurückstellen können«, sagte sie, hantierte an einem Hebel und sauste mit dem Sitz in die Tiefe.

      »Upps!«

      Hell konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Er war sehr froh darüber, dass die Bedienung der Kommando-Zentrale des Wohnmobils nicht so kompliziert ausfiel wie bei manchen modernen Autos, für deren Bedienung des Panels man eine zweistündige Einweisung benötigte. Alles war in Griffnähe, es gab praktische Ablagen und der CD-Player würde sie unterwegs unterhalten können.

      »Irgendwelche Vorlieben?«, fragte Hell und reichte Franziska, die immer noch mit der Einstellung ihres Sitzes beschäftigt war, einige CDs.

      »Hast du kein Hörbuch dabei?«, fragte sie und ruckelte die Sitzlehne ein wenig nach vorne.

      »Nein, wenn ich ehrlich sein soll, besitze ich gar kein Hörbuch«, gestand Hell, dem es bisher noch nicht in den Kopf gekommen war, sich ein Buch vorlesen zu lassen. Wozu hatte er Augen?

      »Na, das fängt ja gut an«, sagte Franziska und tippte auf eine CD von »Tom Petty an the Heartbreakers«.

      Hell machte ein zufriedenes Gesicht wegen dieser Wahl, schob die CD in den Player. Er startete den Diesel und zu den Klängen von ‚Learning to fly‘ setzte sich das Wohnmobil sanft in Bewegung.

      »Papa, ich habe Durst! Mama, ich muss Pipi!«, rief Franziska übermütig und strampelte mit ihren Füßen.

      »Gottseidank ist das für immer vorbei.«

      *

      Als sie das Bergische Land mit Wuppertal, Remscheid und Solingen hinter sich gelassen hatten, änderte sich das Wetter schlagartig und der Himmel erstrahlte in einem Sonntagsblau. Franziska kramte ihre Sonnenbrille aus ihrer Tasche und Hell bestätigte den ersten Gegenstand, den er zuhause vergessen hatte.

      Seine Sonnenbrille.

      »Irgendetwas vergisst man immer«, entschuldigte Franziska seine Schusseligkeit.

      »Wenn die Sonne da bereits geschienen hätte …«, sagte er und zuckte mit den Schultern.

      Der Verkehr wurde dichter. Dank des 130 PS-starken Diesels hielt sich das 2,8 Tonnen schwere Wohnmobil erstaunlich gut gegen die LKW. Doch am Horizont tat sich in Form eines Staus die nächste Katastrophe auf.

      »Wer fährt denn auch schon an einem Freitag in Urlaub?«, fragte Hell und suchte nach einem Schalter, um die Seitenscheibe herunterzufahren. Es gab keinen.

      »Dafür nutzt man hier sicher die Klimaanlage«, sagte Franziska.

      »Ja, ich weiß nicht, ob es hier so etwas wie eine Zwei-Zonen-Anlage gibt«, antwortete Hell, der darin eine versteckte Frage sah.

      »Du meinst, eine für hier vorne und eine für den Rest? Würde Sinn machen.«

      »Das Problem ist, ich weiß nicht, wie das funktioniert.«

      Vor ihnen rollte ein LKW, hinter ihnen rollte ein LKW. Neben ihnen stockte der PKW-Verkehr.

      »Auf dem nächsten Rastplatz können wir das Geheimnis erkunden«, schlug Franziska vor.

      »Wozu so lange warten? Wir stehen doch schon. Im Handschuhfach liegt die Betriebsanleitung. Magst du nachsehen?«

      Franziska öffnete das geräumige Fach und fand die Betriebsanleitung.

      »Ein Positives hat das Ganze ja: Wir haben wenigstens Sonne im Stau. Stell dir mal vor, wir hätten auch noch Regen.« Franziska blätterte in der Anleitung.

      »Hier ist es. Klimaanlage …«, sagte sie und begann zu lesen.

      »Ja«, sagte Hell ungeduldig und hatte mittlerweile selbst die Klimaanlage angeworfen. Sofort strömte ihnen kühle Luft entgegen.

      Sie lachte. »Ja, es gibt keine Klimaanlage für den Wohnteil, nur für hier vorne und für den Rest gibt es eine Umluftanlage, die über 12 Volt läuft.«

      »Okay, dann wissen wir schon mal, wie es uns bei heißem Wetter in Dänemark gehen wird.«

      »Wir sitzen mit einem kühlen Bier bei laufendem Motor im WoMo«, lachte Franziska.

      »Exakt«, sagte Hell und schielte nach oben in den riesigen Außenspiegel, der wie der Fühler einer Wespe am Dach angebracht war. Er wartete auf eine Lücke im PKW-Strom, der aber nicht enden wollte.

      Neben ihm fing Franziska an, den Proviantkorb zu plündern. »Hunger?«, fragte sie.

      »Du kannst mir einen Apfel geben, bitte.«

      »Oh, der Herr lebt gesund im Stau. Keines deiner Brote mit totem Tier drauf?«, fragte sie und löste den Sicherheitsgurt.

      »Nein, ich versuche, die Vitamine zu mir zu nehmen, von denen mein Hausarzt sprach.«

      Franziska drehte den Stuhl zur Mitte, um besser aufstehen zu können. »Auch etwas zu trinken?«

      »Ja, gerne.«

      Franziska hockte sich vor den Kühlschrank, der sich auf der Beifahrerseite unterhalb des Kochers und der Spüle befand. »Wasser oder Cola?«

      »Wasser, bitte. Wenn schon gesund, dann richtig«, witzelte Hell.

      »Oliver, ich hoffe, dein Gesundheitstrip wird uns jetzt nicht den ganzen Urlaub über verfolgen. Ich denke, Stephanie zählt auf dich beim Genever- und Aquavit-Trinken. Das wäre eine große Enttäuschung, wenn du schwächeln würdest«, sagte sie und ließ sich auf den Sessel fallen. Sie schraubte die Flasche auf und reichte sie Hell.

      »Danke, hoffentlich geht es hier bald weiter.« Er beobachtete weiter die nicht enden wollende Blechlawine, die sich links an ihnen vorbeischob.

      »Irgendwann ist doch diese Baustelle sicher zu Ende«, sagte sie und wischte sich den Mund mit dem Arm ab, »So eine gekühlte Cola während der Fahrt hat schon was.«

      »Hmh, stimmt. Du hast da was angesprochen. In Dänemark ist der Alkohol sündhaft teuer. Wir sollten vorher noch in einem Supermarkt ein paar Flaschen für die ersten Tage einkaufen.«

      Franziska nickte. »Machen wir.«

      Hell beobachtete weiter den Rückspiegel. Blitzschnell setzte er den Blinker, denn ein Mercedes-Fahrer hatte gepennt und es tat sich eine Lücke auf, in die Hell nun hineinstieß. Der Fahrer gab ihm eine Lichthupe.

      »Reg dich mal auf, Opa. A-Benz, typisch A-Benz. Da fehlt nur die Klo-Rolle auf der Hutablage.«

      »Wer regt sich denn auf?«, fragte Franziska, zog eine Augenbraue hoch und nahm einen


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