Oliver Hell - Feuervogel. Michael Wagner J.

Oliver Hell - Feuervogel - Michael Wagner J.


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ersten Tage empfand Hell als Zumutung. Ohne etwas zu tun, fühlte er sich unwohl. Bald schlichen sich aber ein paar Gedanken in seinen Kopf, die es ihm ermöglichten, die Dinge auf sich zukommen zu lassen.

      Der Hauptgrund dafür war der bevorstehende Urlaub mit Franziska Leck. Am heutigen Abend würde sie aus Frankfurt anreisen und am Samstag würden sie losfahren.

      Das Wohnmobil, das Hell für den Urlaub gemietet hatte, stand bereits seit Donnerstagabend vor Hells Haus. Ein vollintegriertes Wohnmobil der Marke LMC. Groß genug, mit vier Schlafplätzen, wenn man das im Alkoven befindliche Bett herunterklappte, ansonsten massenhaft Platz für zwei Personen. Auf einer Länge von knapp sieben Metern bot das Gefährt viel Komfort. Eine Dusche, ein großer Tisch, an dem man auch zu mehreren bequem sitzen konnte, sowie eine gut ausgestattete Küche. Unter dem Doppelbett bot das Fahrzeug sogar eine große Doppelgarage, in der man, gut festgezurrt, Fahrräder und Gartenmöbel mitnehmen konnte.

      Hell hatte sich erst geweigert, die immense Leihgebühr für das Wohnmobil zu zahlen, doch Franziska hatte beschwörend auf ihn eingeredet. Auch Dr. Stephanie Beisiegel, die Bonner Gerichtsmedizinerin, die zusammen mit einer Freundin ebenfalls in Dänemark ein Ferienhaus gemietet hatte, redete ihm ins Gewissen.

      Schließlich ließ er sich überzeugen. Sie mieteten das Wohnmobil für zwei Wochen, mit der Option, eine Woche zu verlängern, sollte es ihnen in Dänemark gut gefallen. Sie planten, einen Abstecher an die Ostseeküste zu machen. Als grobe Richtung hatten sie jedoch vor, die dänische Nordseeküste von Deutschland aus hinaufzufahren.

      Die Sonne schien, es war halb zehn Uhr morgens. Gestartet war er neben dem Post-Tower, um von dort aus in Richtung Bad Godesberg zu laufen. Als Hell auf Höhe der ‚International School‘ an dem Platz vorbeilief, fasste er sich an seine Narbe auf der Stirn, die ihn immer an Mashad Agayer erinnern würde. Der Mann war mit seinem Boot in die Luft geflogen und man hielt ihn für tot.

      Zur großen Überraschung aller hatte Agayer den Unfall überlebt. Monate später tauchte er auf und mit seiner Aussage gegen seine Hintermänner in Baku war es der Frankfurter Polizei gelungen, den international tätigen Verbrecherring zu zerschlagen. Der Kopf der Bande, Shukarov, befand sich seit ein paar Monaten auf der Flucht.

      Auf dem Rhein stampften einige Schiffe flussaufwärts. Um die Mundwinkel des Kommissars zog ein Schmunzeln. Denen geht es auch nicht anders als mir.

      Auf dem Gelände der Vereinten Nationen wurde das Wochenende eingeläutet. Hell sah, wie mehrere Fahrzeuge hintereinander in Richtung des Portals fuhren.

      Hell schaute wieder zu der Läuferin vor ihm, wie ein Pendel taktete der Pferdeschwanz. Vielleicht wirst du ja sogar zusammen mit Franziska am Strand joggen können. Das kann sie dir nicht abschlagen, schließlich sollst du gesund werden. Es dauerte sicher noch bis zur Abfahrt, bis er sich an die neugewonnene Freiheit gewöhnt hatte.

      Hell hatte schon am Donnerstag mit dem Wohnmobil geübt, wollte er sich doch vor Franziska nicht blamieren. Das letzte Mal, dass er einen LKW gesteuert hatte, lag schon Jahre zurück. Jetzt hatte er sich zuerst recht ungeschickt angestellt und war danach froh über seinen Plan, vorab eine Fahrt zu machen und einparken zu üben. Ein Sieben-Meter-Fahrzeug, welches nur über die Außenspiegel rangiert werden konnte, war schon etwas anderes als sein Dienst-Mercedes, der lenkte sich fast von alleine.

      Als der piepende Warnton an seinem Handgelenk losging, rief ihn die Wirklichkeit wieder zurück. Er war nun eine halbe Stunde gelaufen und es war Zeit, den Rückweg anzutreten. Er stellte den Signalton an seiner Sport-Uhr aus, trat an das Geländer, das den Weg vom Fluss trennte. Für ein paar Momente ließ er sich auf den Zauber des fließenden Wassers ein, bevor er wieder zurücklief.

      *

       Samstag, 10.8.2013

      Die letzten Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Franziska hatte beim Frühstück einen Blick auf die Wettervorhersage im Internet geworfen. »Nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich berauschend«, sagte sie und legte ihr Smartphone beiseite, um wieder einen Bissen von ihrem Brötchen zu nehmen.

      »Das ist gar nicht so schlecht, wenn wir nicht bei heißem Wetter starten. Es reicht, wenn es an der Küste schön ist, wenn wir anhalten können, wo wir wollen«, antwortete Hell und belegte eines der Brötchen, die sie für die Reise einpacken wollten.

      Es hingen ein paar dichte Wolken über der Kölner Bucht, die sich aber im Laufe des Morgens wieder in Luft auflösen sollten.

      »Hast du die Liste mit den WoMo-Parkplätzen?«, fragte Franziska Leck.

      »Ja, habe ich, man weiß ja nicht, ob man in Dänemark überall ein Netz findet.«

      »Willst du angeln?«

      »Handynetz«, sagte Hell und schaute hoch.

      Franziska grinste verschmitzt. Als er ihren Blick sah, wurde ihm klar, dass er ihr auf den Leim gegangen war.

      »Ja ja, verarsch mich nur.«

      Franziska sprühte an diesem Morgen nur so vor Tatendrang, Hell hingegen fehlte noch die Urlaubsstimmung. Begleitete ihn noch zu sehr der berufliche Alltag? Hatte er ein schlechtes Gewissen, seine Kollegen alleine zu lassen? Er wusste es nicht. Obwohl er dieses schöne Gefühl im Bauch sehr wohl kannte, das einem vor dem Antritt einer Reise befiel. Dieses Mal stellte es sich nicht ein. Noch nicht.

      »Wir müssen noch den Kühlschrank füllen. Ich fürchte, ich habe zu viel eingekauft, ich wusste nicht, dass der Kühlschrank so ein Mini-Teil ist«, sagte Franziska und stand auf.

      Hell antwortete kauend: »Du warst doch dabei, als wir das Modell ausgesucht haben.«

      »Ich habe mich eher für den Gasflammenherd interessiert. Ich liebe es, auf Gas zu kochen.«

      Hell schmunzelte. »Okay, damit haben wir ein Problem bereits geklärt.«

      »Was?« Sie schob die Augenbrauen zusammen.

      »Wer kocht und wer isst!«

      »Wieso?«

      »Du hast gesagt, du liebst es, auf Gas zu kochen. Also …«

      »Halt, mein lieber Oliver, das war keine verpflichtende Aussage«, protestierte sie.

      »Ich hätte es so zu Protokoll genommen«, sagte Hell und zog Franziska an sich.

      »Hier wird nix protokolliert. Wir teilen uns das Kochen, mal kochst du und ich esse, dann umgekehrt.«

      »Wer sagt das?« Hell kostete das Geplänkel aus.

      »Ich sage das!«

      »In Ordnung, du kochst und ich führe dich zum Essen aus.«

      »Nein, so haben wir nicht gewettet. Du wirst auch kochen«, sagte sie und wuschelte Hells Haare durch. Hell saß noch auf seinem Stuhl, Franziska schob sich näher an ihn heran. Er drückte sein Kinn an ihren Bauch und schaute sie von unten an, vorbei an ihren Brüsten.

      »Wenn Du mich dazu verführst …«

      »Pah, das wäre ja noch schöner«, sagte sie grinsend und schob ihn von sich, »Pack mal die Brötchen ein, sonst kommen wir heute überhaupt nicht mehr weg.«

      »Jetzt fängt schon der Stress an. Wir haben doch Urlaub, oder?«

      »Ich bin so gespannt auf das Fahren mit dem WoMo«, sagte Franziska und hielt Hell die Hand hin.

      »Ich auch«, antwortete Hell und schon schoss ihm der Gedanke an die gestrige Probefahrt in den Kopf, »Dann auf, wir können ja Stephanie und ihre Freundin Sarah nicht warten lassen.«

      Stephanie Beisiegel und ihre Freundin Sarah Smysiak hatten ein Ferienhaus am Ringkøbing Fjord gemietet. Dort lag das erste Ziel. Auf dem Weg dorthin galt es, die vielen Baustellen auf der A1 und den obligaten Stau vor dem Elbtunnel zu überwinden. Als erstes Tagesziel hatte Hell sich einen Wohnmobilstellplatz in Neumünster ausgesucht. Den fand er in einem Reiseführer, speziell für Wohnmobile, den er noch


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