Vor dem Imperium. Martin Cordemann
„Ich glaube nicht, dass wir das heute noch klären werden.“
„Das glaub ich auch nicht. Haben wir genügend Bilder gemacht?“
„Ich denke, das haben wir.“
Die beiden machten sich auf den Rückweg zur Fähre.
„Was meinen Sie, ist das eine Station? Oder eine Sonde?“
„Ich habe nicht die geringste Ahnung. Wenn wir Pech haben, ist es nur eine intergalaktische Mülltonne.“
„Wer würde sowas auf einem so kleinen Planeten absetzen?“
„Vielleicht wussten die nicht, dass Pluto gar kein Planet mehr ist?!“
„Ja. Nehmen wir noch ein paar Bodenproben und dann nichts wie weg hier.“
Bevor sie abflogen positionierten die beiden noch ein paar Kameras und Sensoren um den Zylinder herum. Auf die Weise konnten Sie das Ding ein wenig im Auge behalten.
Die Petronia verließen die Umlaufbahn mit Ziel Neptun.
„Captain“, Clausen deutete auf den Bildschirm, „Sie werden es nicht glauben aber...“
„Unser Radarecho ist wieder da?“
„Allerdings.“
„Und das Ding auf Pluto?“
„Liegt noch immer im Eis und rührt sich nicht.“
„Ich habe etwas viel interessanteres gefunden“, meinte DuValle in die Runde.
„Da müssen Sie sich aber wirklich anstrengen!“
Der Captain trat zu dem Wissenschaftler. Auf seinem Bildschirm sah man den Film, den Doyles automatische Kamera aufgenommen hatte. DuValle hatte den Film angehalten und einen bestimmten Ausschnitt vergrößert. Er deutete darauf und sagte fast atemlos: „Finden Sie nicht, dass dieses Symbol auf der Hülle des Zylinders wie die Freiheitsstatue aussieht...?“
Der Bringer der Ausgelassenheit
Auf dem Gesicht von Captain Frank MacAllister zeichnete sich eine Mischung aus Verwirrung, Ungläubigkeit und völligem Unverständnis ab.
„Ist das ein Scherz?“
„Nein.“
„Ein Fehler?“
„Nicht unbedingt.“
„Eine Spiegelung?“
„Möglich.“ Der Wissenschaftler hob die Hand. „Bevor Sie mich weiter fragen: Ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist auf dem Band. Es sieht so aus, als wäre es auf den Zylinder gemalt. Vielleicht ist es nur ein Spiel von Licht und Schatten, das diesen Eindruck erweckt. Vielleicht ist etwas völlig anderes auf die Oberfläche gemalt, das nur durch den Blickwinkel so wirkt wie die Freiheitsstatue. Vielleicht steht auch etwas zwischen Zylinder und Kamera, das in Verbindung mit dem richtig einfallenden Licht einen Schatten dieser Art erzeugt – ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir das eingehend untersuchen werden.“
„Wie eingehend schwebt Ihnen da so vor?“
DuValle stockte. „Ich... ich würde gerne...“
„...noch mal zum Pluto zurückkehren und die Sache vor Ort genauer unter die Lupe nehmen?“ vollendete der Captain den Satz.
„Ja“, sagte DuValle und schob dann nach: „Sir.“
Der Captain seufzte. „Mist, dass wir das nicht früher gefunden haben. Gut, vielleicht können wir das mit den Daten vergleichen, die wir von den Sensoren erhalten, die wir auf Pluto zurückgelassen haben.“
„Da gibt es ein Problem, Sir“, sagte der Funker.
„Und das wäre?“
„Wir bekommen diese Daten nicht.“
„Bitte?“ MacAllister sah ihn ungläubig an.
„Ich habe das nicht bedacht, als wir die Sonden aufgestellt haben. Alle Daten werden mit einem Verschlüsselungscode gesendet, den nur wir kennen, die Erde aber nicht.“
„Ja, soweit sehe ich da noch kein Problem.“
„Das Problem liegt darin, dass die Daten automatisch zur Station 31 gesendet werden.“
„Warum das?“
„So war es immer vorgesehen und ich habe nicht daran gedacht, die Protokolle zu ändern.“
„Das bedeutet, die Daten werden da hin gesendet und gespeichert...“
„...aber niemand kann darauf zugreifen. Die Erde nicht, weil sie unsere Verschlüsselung nicht kennt und wir nicht, weil wir keinen Zugriff auf die Speicher von Station 31 haben.“
„Captain, das Radarecho wird deutlicher“, sagte Clausen.
„Auf den Schirm.“
Der Bildschirm zeigte den Pluto, seinen Mond Charon und einen kleinen Punkt, der kurz auftauchte, wieder verschwand, einen längeren Moment sichtbar blieb, dann wieder verschwand.
„Was halten Sie davon, Clausen?“
„Ich bekomm nur unwesentlich klarere Daten rein als beim ersten Mal. Zwischen 30 und 200 Kubikmeter groß. Vielleicht wirklich nur unser Echo?“ Das Objekt verschwand und tauchte nicht wieder auf. „Wenn es jetzt landet, wäre es interessant, die Daten unserer Sensoren zu erfahren.“
„Dazu müssen wir uns in den Computer von Station 31 einhacken. Und die befindet sich im Orbit um Jupiter. Aktuelle Entfernung?“
„Etwa 1.455.000 km.“
„Nehmen Sie Kurs darauf. Mr. Harris“, der Captain wandte sich an den Funker, „wie gut sind Sie darin, sich in fremde Computer einzuhacken?“
„Ich, äh, es...“ stotterte Harris. „Das ist nicht mein Spezialgebiet.“
„Was ist mit Michaels?“ schlug Clausen vor, „der ist doch unser Computeroffizier.“
„Holen Sie ihn auf die Brücke. Wie lange brauchen wir zum Jupiter?“
„592 Stunden.“
„Und das bedeutet in einer verständlichen Zeit?“
„Fast 25 Tage.“
„Na, dann haben wir ja genug Zeit, uns vorzubereiten. Harris, Sie und Michaels werden eine extrem illegale und ziemlich gefährliche Aktion durchführen müssen. Sie werden sich Zutritt in den Zentralcomputer von Station 31 verschaffen und dann alles so einrichten, dass wir alle Daten unserer Sonden problemlos abrufen können.“
Harris schluckte.
„Keine Sorge, das wird schon klappen.“
„Ich nehme mal an, dass wir dafür nicht an Bord der Station gehen“, murmelte Michaels, der gerade die Brücke betreten hatte. „Und ich nehme auch nicht an, dass die auf der Station merken sollen, dass wir tun, was wir tun und auch nicht, dass wir getan haben, was wir tun werden.“
„Niemand soll wissen, dass wir die Daten abrufen können, ja“, fasste der Captain zusammen.
„Knifflig“, meinte Michaels. „Wieviel Zeit haben wir zur Verfügung?“
„Wenn wir dort sind, etwa eine Stunde.“
„Knifflig“, wiederholte der Computerexperte. „Aber nicht völlig unmöglich. Ich kenn den Typen, der für den Zentralcomputer verantwortlich ist.“
„Guter Mann?“
„Verdankt seinen Job guten Beziehungen.“
MacAllister nickte. Es war das erste Mal, dass ihnen dieser Umstand von Nutzen sein konnte.
Als sie sich dem Jupiter näherten, befahl