Zeit der Könige. Julia Fromme

Zeit der Könige - Julia Fromme


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kommen und mich dort treffen. Er hat mir eine Nachricht gesandt, dass ich ihn unterstützen soll beim Aufbau eines Ritterordens. Die Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens werden zu einer ritterlichen Kampftruppe ausgebildet. Als Gegenstück zu den Templern gewissermaßen.“ Dietrich lächelte etwas mitleidig. „Dem Kaiser ist es ein Dorn im Auge, dass die erfolgreichen Templer dem französischen König untertan sind. Und er, der Herrscher des größten Reiches der Christenheit, hat keine eigene Elitetruppe.“

      Nicolas Augen wurden groß.

      „Waren es nicht Bremer Palästinafahrer, die den Orden gegründet haben, weil die medizinischen Zustände im Kreuzfahrerlager so katastrophal waren?“, fragte er verwundert. „Und jetzt wollen sie selbst kämpfen. Wer kümmert sich dann um die armen Opfer?“

      „Die meisten der Ordensbrüder sind aus adligem Hause. Die Pflege der Verwundeten wollen sie lieber Weibern und Mönchen überlassen. Sie begründen ihren Schritt damit, dass sie ja ohnehin mitten im Kampfgeschehen stünden. Da wäre es wohl logisch, wenn sie sich auch selbst verteidigen könnten. Beim Kaiser haben sie damit offene Türen eingerannt. Wie auch immer“, fuhr er fort und sah Nicolas dabei eindringlich an, dass diesem ganz flau im Magen wurde. „Ich brauche dich hier, damit du an der Tafel Heinrichs bedienst und gleichzeitig die Ohren offenhältst, um wichtige Entscheidungen und Befehle des Kaisers sofort an mich weiterzuleiten.“

      Nicolas stöhnte.

      „Also habt Ihr mir die Rolle des Maulwurfs zugedacht. Und was ist, wenn der Kaiser oder einer seiner Leute mir auf die Schliche kommen?“

      „Dann darfst du dich halt nicht erwischen lassen“, meinte Dietrich lapidar. „Du wirst als Page Dienst tun, damit du dich unbeobachtet in der Halle des Kaisers aufhalten kannst.“

      Nicolas war am Boden zerstört. All seine Träume von Ruhm und Ehre, die er auf den Schlachtfeldern Palästinas zu erringen gedachte, lösten sich mit einem Wort Dietrichs in Nichts auf.

      „Was ist mit Modorok? Bleibt er auch hier?“ Ein kleiner Trost wäre es, nicht ganz allein den Launen des Kaisers ausgesetzt zu sein. Doch Dietrich schüttelte nur den Kopf und sein Blick machte ihm wenig Hoffnung. „Und was sagt der Auensteiner dazu, wenn ich ihm nicht mehr als Knappe zur Seite stehe?“, wagte er einen letzten Versuch, den Grafen umzustimmen.

      Aber Dietrich war mit seinem Vetter, Wolfram von Auenstein bereits übereingekommen, dass der Jüngling an der Tafel des Kaisers nützlicher wäre, als im Zelt Wolframs. Seine Antwort zerstörte auch das letzte Fünkchen Hoffnung, dass Nicolas noch gehabt hatte. Er war jetzt fast siebzehn Jahre alt und wollte sich endlich die Rittersporen verdienen, doch das konnte er nun wohl vergessen.

      Es wurde bereits Abend, als er in Richtung des großen Saales, in dem der Kaiser zu speisen pflegte, schlenderte. Er hatte es nicht besonders eilig. Die anderen Pagen maßen ihn mit mitleidigen Blicken, war er doch der Älteste unter ihnen. Heute sollte er dem Kaiser selbst als Mundschenk dienen. Wenigstens das hatte Wolfram für ihn arrangiert.

      Es war der Vorabend des Ostersonntags. Viele Fürsten hielten sich in Bari auf. Heinrich hatte einen Reichstag einberufen. Bereits im Dezember 1194 hatte der Staufer sich zum König von Sizilien krönen lassen. Einen Tag später, am 26. Dezember wurde sein Sohn Friedrich geboren. Nun wollte er seine Rechte im Süden Italiens festigen und seine Macht ausbauen. Die Kaiserin war dazu persönlich in Bari erschienen. In Anwesenheit der Fürsten sollte auch sie zur Königin von Sizilien erhoben werden.

      Der Kaiser richtete sich mit seinem Tross im Castello Svevo ein. Noch deutlich waren die Spuren der Zerstörung aus der Zeit zu sehen, als die Bewohner des apulischen Bari gegen die normannische Herrschaft aufbegehrten. Das Kastell ging durch die Ehe Heinrichs mit Konstanze von Sizilien, der Tochter des letzten normannischen Herrschers, in dessen Besitz über.

      Überall hörte Nicolas Getreue des Kaisers abfällig darüber reden, dass Albrecht von Meißen zu Beginn des Jahres in Bari gewesen sei. Doch das wussten er und Dietrich bereits. Denn sie waren ja erst kurz nach seiner Rückkehr aus Italien heimlich aus der Mark verschwunden. Mit Genugtuung kam ihnen allerdings zu Ohren, dass dieser im letzten Winter vergeblich auf eine Audienz beim Kaiser gewartet hatte und unverrichteter Dinge nach Meißen zurückkehren musste. Denn auch Dietrich gelang es nicht, Heinrich in Hinsicht auf sein Erbe umzustimmen.

      Die Glocken der nahen Basilika San Nicola läuteten zur Auferstehung des Herrn. Der gesamte Hof hatte sich zum Gottesdienst versammelt. Den Pagen und Knappen stand es frei, ob sie zusammen mit ihren jeweiligen Dienstherren oder allein den Gottesdienst besuchten.

      Nicolas kehrte am Abend in sein Quartier zu Wolfram von Auenstein zurück. Leider was es ihm nicht gelungen, nahe genug an den Kaiser heranzukommen, um die Gespräche mit den Gesandten und Fürsten belauschen zu können.

      Doch hatte es schnell die Runde gemacht, dass der Kreuzzugsgedanke nicht überall auf fruchtbaren Boden stieß.

      „Wie ich gehört habe, will der Kaiser bald zurück ins Reich reisen“, sagte Nicolas wichtigtuerisch zu Wolfram und versuchte, sein weniges Wissen über die Pläne des Kaisers etwas aufzubauschen.

      Sein Herr sah ihn augenzwinkernd an. „Da hast du wohl nicht allzu viel herausbekommen, was? Ich glaube, er wird erst noch versuchen, den Papst zu bestechen. Ich hörte, wie er der Kurie 1500 Ritter und noch einmal genau so viele Fußsoldaten versprochen hat.“ Nicolas schaute beschämt zu Boden. Das war wohl nicht ganz im Sinne von Dietrich gelaufen. Der hätte sich von ihm selbst bestimmt genauere Informationen über Heinrichs Pläne erhofft. „Wir reisen morgen nach Palästina weiter“, sagte Wolfram. „Ich habe durch einen Boten Nachricht von Dietrich erhalten. Er hält sich immer noch in Akkon auf und erwartet uns dort.“ Wolfram machte Anstalten, sich zu erheben. Doch Nicolas betroffene Miene ließ ihn innehalten. „Was ist, Bursche? Was hält dich hier in Bari. Doch nicht etwa ein Mädchen?“ Schmunzelnd erhob er sich von der Bank, mit einer Geste Nicolas zum Mitkommen auffordernd.

      „Nein, kein Mädchen“, antwortete Nicolas zögerlich. „Doch glaubte ich, wir kehren nach Meißen zurück. Ich hoffte, dass Dietrich wieder zu Hause ist, wo doch Albrecht alles daransetzen wird, ihn aus seinen Besitzungen zu vertreiben.“ Nicolas holte tief Luft. „Aber Akkon...“ Irgendwie wurde ihm etwas bange bei dem Gedanken daran, nun wirklich ins Heilige Land zu reisen. Noch immer haderte er mit Gott, der den schmachvollen Tod seines Vaters nicht verhindert hatte. War es nicht ein Gottesurteil gewesen, das ihm alles genommen hatte? Und nun sollte er ausgerechnet das Grab von Gottes Sohn zurückerobern?

      Ach, was soll`s, dachte Nicolas, vielleicht würde er ja da einige Antworten darauf erhalten, warum das Schicksal es so hart mit ihm gemeint hatte.

      „Und wie kommen wir dahin?“, fragte er.

      „Genauso, wie der Bote hierhergekommen ist, mit einer Handelsbarke. Dietrich sandte ihn von Ismir aus zurück. Zu gefährlich schien es ihm, dich hier allein zurückzulassen. Das Schiff bringt uns nach Tirana. Von dort aus segeln wir an der Küste entlang bis Aslan Limani . Was dann kommt, liegt in Gottes Hand.“ Wolframs Stimme wurde nachdenklicher. Er sah wohl auch einen langen mühsamen Weg vor sich und fragte sich im Stillen, was es ihm eigentlich bringen würde, die Strapazen einer Fahrt ins Heilige Land auf sich zu nehmen. Doch hatte er eine Wahl? Auch er war abhängig von Dietrich, dem er vor Jahren den Treueid geschworen hatte. Seine Mutter war eine jüngere Schwester Hedwigs gewesen. Sie wurde mit einem thüringischen Landadeligen verheiratet, der auf Grund seiner ausgedehnten Besitzungen als ein starker Verbündeter für seinen Großvater, Albrecht den Bären, in dessen Kampf gegen den sächsischen Herzog galt. Auch wollte Albrecht damit einen Vorposten gegen den Thüringer Landgrafen schaffen. Inzwischen allerdings war der Sohn des Thüringers der Schwiegervater seines Vetters Dietrich geworden und somit die Bedeutung der Auensteiner gesunken. Was sollte er also daheim, wo seine Ländereien auch ohne ihn bewirtschaftet wurden? Und wie überaus edel von Dietrich, sich um das Schicksal eines unbedeutenden Jungen zu sorgen!

      Wolfram straffte die Schultern. „Lass uns gehen, Nicolas. Wir müssen packen und dann möglichst unauffällig aus der Umgebung des Kaisers verschwinden.“

      Kapitel 10


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