Zeit der Könige. Julia Fromme

Zeit der Könige - Julia Fromme


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des Markgrafen“ sagte Konrad schlicht.

      „Dachte ich mir`s doch. Noch Fragen?“ Die anderen Jungen schüttelten die Köpfe.

      Dann wandten sie sich ihren Kleidern zu, um hineinzuschlüpfen. Ohne sich lange bei der Morgentoilette aufzuhalten, nur etwas kaltes Wasser ins Gesicht spritzend, eilten sie bald darauf in den Speisesaal der Burg, wo sie ihren Lehrmeister anzutreffen hofften. Im Vorübereilen sahen sie, wie Albrecht auf sein Pferd stieg und die Hand zum Aufbruch hob. Noch bevor sie die Tür des Saales erreicht hatten, begann sich der Tross in Bewegung zu setzen und bald darauf zeugte nur noch das sich entfernende Rumpeln des schwer beladenen Karrens von der überstürzten Abreise des Markgrafen. Keiner der Jungen sollte Albrecht wiedersehen.

      Kapitel 8

       Kloster Altzella

       Juli 1195

      Ein heftiger Gewitterregen erschwerte das Vorankommen des markgräflichen Trosses. Der schwere Wagen blieb immer wieder im Schlamm des ausgefahrenen Weges stecken. Auf ihm stand eine große Kiste, prall gefüllt mit Silber. Der Markgraf war getrieben von seinem schlechten Gewissen. Er musste unbedingt diesen Schatz nach Altzella zurückbringen, die Mönche um Vergebung bitten und selbst dort Unterschlupf finden, bis er wieder neue Kräfte gesammelt hatte.

      Was war so schrecklich falsch gelaufen in seinem Leben? Warum liebte seine Mutter seinen Bruder Dietrich mehr als ihn? Er hatte sie fragen wollen, Trost und Schutz gesucht bei seiner Mutter. Er, der Markgraf, ein Mann, lange dem Jugendalter entwachsen. Doch sie weigerte sich, ihn zu empfangen. Zu tief saß ihr Gram über den dauernden Streit der Brüder um die Herrschaft in der Mark. Sie hielt immer noch zu Dietrich, wollte lieber ihn als Albrecht auf dem Markgrafenstuhl sehen. Sie hatte Intrigen gesponnen, seinen Vater überredet, sich von seinem ältesten Sohn abzuwenden. Nur mit Waffengewalt war es Albrecht gelungen, den Vater zur Abkehr von dem Entschluss, Dietrich als seinen Nachfolger zu bestimmen, zu bewegen. Stattdessen erhielt dieser die Grafschaft Weißenfels. Doch diese genügte ihm nicht, und immer wieder versuchte er die anderen Fürsten gegen den Älteren aufzuhetzen. Was blieb ihm, Albrecht, denn anderes übrig, als seinerseits gegen Dietrich zu ziehen?

      Doch die schwere Niederlage vor Weißenfels vor noch nicht einmal einem Jahr hatte eigentlich sein Schicksal schon besiegelt. Die Fürsten stellten sich gegen ihn, seine Verbündeten fielen reihenweise von ihm ab und der Kaiser wollte ihn nicht empfangen und ihm nicht verzeihen. Heinrich hatte sogar mit dem Einzug des Lehens und der Entmachtung Albrechts gedroht. Und als wäre das noch nicht des Leides genug, war auch noch seine Frau Sophie gestorben, bevor er aus Italien zurückgekehrte. Er hatte keine Chance gehabt, sich mit ihr auszusöhnen. Und das war das Schlimmste, bescherte ihm jede Nacht aufs Neue Albträume, in denen seine Frau blutüberströmt mit einem Dolch in der Brust an seinem Bett erschien, ihr Kind in den Armen haltend.

      Christina. Seine Tochter, sein einziges Kind. Ihre Zukunft hatte er geregelt. Die arrangierte Ehe mit Hartmann von Lobdeburg war eigentlich keine standesgemäße Verbindung. Christina hätte die Frau eines Fürsten werden können. Aber Albrecht wollte sich eines Getreuen in der Nähe seines Erzfeindes, dem Landgrafen von Thüringen, versichern. Die Lobdeburger waren eine weitverzweigte Sippe, die auch familiäre Beziehungen in den welfischen Landen hatte. Landgraf Hermann betrachtete sie mit Argwohn, da sie zunehmend an Land und Einfluss gewannen. Doch Christina war noch sehr jung, gerade einmal fünf Jahre alt. Und wer weiß, was die Zeit so alles bringen würde.

      Der Tross näherte sich Altzella. Der Schrei eines Raben ließ Albrecht aus seinen Gedanken auffahren. Ihn durchfuhr ein Schauer und kurz erfasste ihn das Gefühl einer düsteren Vorahnung. Albrecht riss sich zusammen und richtete sich in den Steigbügeln auf, um bessere Sicht zum Kloster zu haben. Obwohl ihn die Mönche schon von weitem hätten sehen müssen, gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass man das Tor öffnen wollte.

      „Schickt jemanden an die Pforte“, befahl der Markgraf dem Anführer seiner Waffenknechte, Henzo von Malsdorf. Mit einem herrischen Kopfnicken wies jener einen der Ritter an, zum Tor zu gehen. Der Mann schlug mit dem Knauf seines Schwertes gegen die hölzerne Tür. Nach einer halben Ewigkeit öffnete sich schließlich eine kleine Luke im oberen Teil des Tores. Ein alter Mönch mit einer äußerst sauertöpfischen Miene schaute vorsichtig heraus, als wolle er sich vergewissern, ob vielleicht der Zorn des Markgrafen diesen zu unüberlegten Handlungen hinreißen ließ. Es wäre nicht das erste Mal, dass Albrecht sich mit Gewalt gegen das Kloster wandte. Als nichts dergleichen passierte, fragte er nach dem Begehr der Ankömmlinge. Bevor der Ritter antworten konnte, knurrte Albrecht in barschem Ton: „Öffnet endlich das Tor. Ihr wagt es doch nicht etwa, uns den Einlass zu verwehren? Habt ihr vergessen, dass ihr das Kloster nur der markgräflichen Gnade zu verdanken habt?“

      Der Bruder Schließer wurde etwas unsicher. Er musste das Kloster vor unliebsamen Eindringlingen schützen. Erst kürzlich hatte er den Abt zu einem Mitbruder in äußerst verwerflicher Rede über Albrecht sprechen hören. Dass dieser ein Dieb sei und nicht würdig, die Geschicke des Landes zu leiten. Doch beruhigte er sich damit, dass es nicht ihm oblag, darüber zu urteilen. Und so öffnete er das Tor und der Tross des Markgrafen ritt und rumpelte mit großem Getöse in den Wirtschaftshof des Klosters.

      Albrecht winkte Falk von Schellenberg zu sich. „Geh und finde jemanden, der mich dem Abt meldet“, wies er den Knappen mit barschem Ton an. „Der Feigling scheint sich hier irgendwo verkrochen zu haben. Vielleicht will er sein Geld ja auch gar nicht zurück?“, fügte er boshaft hinzu. Falk beeilte sich, dem Befehl seines Herrn nachzukommen. Für ihn war es ein Wink des Schicksals gewesen, als ihn Albrecht zusammen mit zwei weiteren Knappen auswählte, den Tross zu begleiten. Er hoffte, dass es bald zu einer Schlacht kommen würde zwischen dem Markgrafen und seinem Bruder. Und dann würde er sich seine Rittersporen verdienen. Vielleicht konnte es ihm gelingen, später einmal zu einem Vertrauten des Fürsten aufzusteigen. Immerhin war er der Spross einer bedeutenden Ministerialenfamilie, die weitreichende familiäre Beziehungen ins benachbarte Böhmen unterhielt.

      Abt Matthäus hatte die Ankunft der großen Truppe bereits vernommen und eilte nun selbst heraus, um zu sehen, was der Lärm bedeutete. Als er den Markgrafen sah, wurde er sichtlich bleich. Er holte tief Luft, um sich von seinem Schrecken zu erholen. Schon einmal war Albrecht mit Waffengewalt in das Kloster eingedrungen und hatte die Mönche beraubt. Was wollte er nun wieder, und wozu führte er die Wagen mit sich? Es gab nichts mehr zu holen in Altzella.

      Als Albrecht Matthäus erspähte, winkte er ihn wortlos zu sich heran. Der Abt näherte sich zögernd.

      „Wie Ihr seht, bin ich mit großem Gepäck unterwegs“ begann der Markgraf. „Sagt, dass Ihr mich empfangen werdet, mich, Euren Herrn und Markgrafen. Es soll zu Eurem Schaden nicht sein. Ich bin gekommen, um das Unrecht wieder gut zu machen, dass ich Eurem Kloster vor fünf Jahren zugefügt habe“, gab Albrecht zu. Mit einer ausschweifenden Geste wies er auf den schwer beladenen Wagen, der im Hof stand. „Ich bringe Euch den Schatz zurück, den ich mir als Pfand ausgeliehen habe, damit ich mich Eurer treuen Dienste versichern kann.“ Das war eine glatte Lüge, und dies wussten sowohl der Markgraf als auch der Abt. Doch wagte dieser nicht, Albrecht zu widersprechen. Auch war er viel zu verblüfft darüber, dass der Markgraf ihm das geraubte Geld zurückbringen wollte. Was mochte der Grund sein? Er hatte zwar gehört, dass Albrecht beim Kaiser in Ungnade gefallen war, doch kein Gerücht war an sein Ohr gedrungen, dass dieser Albrecht geächtet hätte. Er sah dem Markgrafen in die Augen. Trotz der Arroganz, mit der Albrecht seine Worte hervorstieß, bemerkte er auch eine gewisse Unsicherheit in dessen Blick, ein leichtes Flackern, dass ihm zeigte, dass Albrecht mit Gegenwehr rechnete.

      Matthäus deutete eine Verbeugung an. Es fiel ihm schwer, Albrecht seine Ehrerbietung nahezubringen, nachdem dieser das Kloster vor Jahren überfallen und das Silbergeld, das sein Vater Otto auf den Altar des Klosters gelegt hatte, damit die Mönche für sein Seelenheil beteten, wieder herausforderte. Sollte es wirklich Gottes Wille sein, dass genau dieser Schatz nun wieder ins Kloster zurückkehrte?

      „Ihr seid uns willkommen, Eurer Gnaden“, begrüßte er Albrecht. „Tretet ein, meine Mitbrüder werden sich um Eure Leute und das Gepäck kümmern.“ Er wies einen nahe bei ihm stehenden


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