Das Blut des Sichellands. Christine Boy

Das Blut des Sichellands - Christine Boy


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wohl kaum eine Rolle. Auch meine Anwesenheit beeindruckt sie nicht und sie...“

      „Sollte sie nicht um diese Zeit beim Abendessen sein?“

      Die Wangen der jungen Frau färbten sich dunkelrot.

      „Ja, Herr, das sollte sie, aber....“

      „Und sollte sie nicht davor eine Reitstunde erhalten?“

      „Ja, Herr, aber...“

      „Also sage mir, Alasna, wie kommt es, dass du dich mit meiner Tochter in diesem Teil der Burg aufhältst, der sowohl vom Speisezimmer als auch von den Ställen recht weit entfernt ist und noch nicht einmal in der Nähe des Weges liegt, den ihr dazwischen überbrücken müsstet?“

      Der Shaj sprach freundlich, aber mit Nachdruck und er konnte der Dienerin ansehen, dass sie sich eine patzige Antwort nur mit Mühe verbiss. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm in dieser Hinsicht Widerworte gab, doch bislang hatte er sie immer in ihre Schranken weisen können.

      „Also? Ich höre...“

      „Es ist.... also... eure Tochter... Lenyca...“

      „Lennys.“ berichtigte Wandan wie von selbst und Alasna sah ihn erstaunt an.

      „Nun ja... also... Lennys... sie... sie hört nicht auf mich!“ Und dann sprudelten die Worte wie ein Sturzbach aus ihr hervor. „Sie will auf einem Mondpferd reiten und auf nichts anderem! Und wenn ich ihr sage, dass das nicht geht, dann tobt sie und weigert sich, auf ein anderes Tier zu steigen! Ich wollte sie zum Speiseraum bringen, aber sie läuft einfach weg und sieht den Cas beim Kämpfen zu! Ich weise sie zurecht, aber sie beachtet mich gar nicht! Und wenn ich sie an die Hand nehme, um sie mit mir mit zu ziehen, fängt sie an, um sich zu schlagen und...“

      Wandan konnte sich nicht mehr beherrschen und verfiel in brüllendes Gelächter. Auch Saton glitt ein Schmunzeln über die Lippen, aber dann besann er sich und warf seinem Freund einen warnenden Blick zu.

      „Ich verstehe.“ sagte er schlicht. „Du wirst mit ihr nicht fertig.“

      „Hoher Shaj... es ist nicht so, dass ich mich nicht bemühe. Ich versuche, Geduld zu haben, ich versuche, sie zum Spielen zu überreden, ich...“

      „Es ist gut, Alasna. Wie gesagt, ich habe dich verstanden. Du kannst jetzt gehen. Wir reden morgen darüber.“

      Entgeistert starrte sie den Herrscher an.

      „Aber...“

      „Nichts aber. Morgen. Du musst dich heute nicht weiter um meine Tochter kümmern. Bleibe in der Burg, ich werde dich zu mir rufen lassen, sobald es meine Zeit erlaubt. Das wäre alles. Und wenn du hinunter gehst, schicke mir Lenyca nach oben.“

      Nun wagte Alasna kein „Aber...“ mehr, zwang sich zu einer tiefen Verbeugung und verschwand wieder in den Turm.

      „Sie hat es wirklich nicht leicht.“ versuchte Wandan, die Dienerin in Schutz zu nehmen.

      Saton antwortete nicht darauf. Nur wenige Augenblicke später öffnete sich die Pforte erneut und ein schwarzhaariges Mädchen erschien auf der Terrasse. Ihre Augen funkelten und sie wirkte nicht im Mindesten eingeschüchtert. Schnurstracks marschierte sie auf ihren Vater zu, stemmte die Arme in die Hüften und sah den Shaj der Nacht verärgert an.

      „Sie hat mich 'ungezogen' genannt!“ beschwerte sie sich.

      Saton setzte sich wieder und betrachtete sie nachdenklich.

      „Bist du denn ungezogen gewesen?“

      „Sie darf mich nicht so nennen!“

      „Warum hat sie es getan?“

      „Ich habe nicht getan, was sie wollte!“ erwiderte Lenyca, ohne zu zögern.

      „Und was wollte sie?“

      „Sie wollte, dass ich auf diesem alten braunen Pferd sitze!“

      „Ich dachte, du reitest gerne?“

      „Ich will ein Mondpferd!“

      „Nicht jeder darf ein Mondpferd reiten, Lenyca. Sie sind den höchsten Kriegern vorbehalten.“ erklärte Saton geduldig.

      „Ich bin deine Tochter! Ich will ein Mondpferd!“

      „Mondpferde sind stark und sehr schnell. Du musst mehr üben, wenn du ein so schwieriges Tier beherrschen willst.“

      „Ich will es aber! Ich kann das! Alle sagen es! Ich muss nicht mehr üben! Ich reite auf einem Mondpferd oder gar nicht mehr!“

      Fast erwartete Saton, das Mädchen würde wütend mit den Füßen aufstampfen, aber sie rührte sich nicht von der Stelle, und verlieh ihrer Forderung allein durch ihren zornigen Blick noch mehr Ausdruck.

      „So so. Und wenn ich dir sage, dass du dafür noch zu jung bist?“

      „Ich will es aber! Ich bin nicht zu jung!“

      „Du bist sechs Jahre alt. Der jüngste Reiter eines Mondpferdes ist fast dreimal so alt wie du.“

      „Dann ist er eben dreimal so schlecht!“

      „Er ist einer der besten Reiter in diesem Lande.“

      „Aber ich bin eine Ac-Sarr!“

      Wandan konnte nicht anders als Lennys mit offenem Mund anzustarren. Er kannte sie seit ihrer Geburt, aber seit einiger Zeit überraschte sie ihn immer wieder aufs Neue.

      „Ja, das bist du.“ sagte Saton ungerührt. Er sah kurz zu Wandan hinüber, als er erwarte er einen Rat, doch der Cas verfolgte die Szene weiterhin sprachlos.

      „Lenyca, ich kann dir kein eigenes Mondpferd geben. Aber wenn es dir so wichtig ist, dann werde ich dir erlauben, meine eigene Stute zu reiten. Allerdings nur, wenn ich dabei bin. Du wirst also warten müssen, bis ich genug Zeit habe.“

      Das Mädchen schnaubte abfällig.

      „Dann warte ich eben. Ich will kein anderes Pferd!“

      „Gut, dann wäre das also geklärt. Und jetzt wirst du mir verraten, warum du nicht mit Alasna zum Speisesaal gehen wolltest.“

      Die Antwort kam prompt.

      „Sie hat mir gar nichts zu sagen! Sie ist nur eine Dienerin!“

      „Das war keine Anweisung von ihr.“ berichtigte Saton ruhig. „Es ist keine drei Tage her, dass ich dir gesagt habe, dass ich wünsche, dass du pünktlich zu deinen Stunden und zu den Mahlzeiten erscheinst.“

      „Ich will aber nicht zu diesem blöden Abendessen! Ich hab keinen Hunger! Der Stallmeister hat mir etwas zu essen gegeben!“

      „Manchmal muss man sich an Regeln halten, auch wenn man das nicht so schön findet.“

      „Warum denn? Du hast doch selber gesagt, dass du diese Sachen nicht magst! Diese Regeln! Und dass mich keiner hier zu etwas zwingen kann! Und ich will nicht, dass Alasna mir sagt, was ich tun soll! Wenn ich nicht will, dann gehe ich auch nicht!“

      „Ich habe dir aber auch gesagt, dass du mich verärgerst, wenn du dich Alasna ständig widersetzt. Und auch, dass ich von dir erwarte, dass du dich an unsere Abmachungen hältst. Die Mahlzeiten und Unterrichtsstunden gehören zu diesen Abmachungen. Und Alasna hat von mir die Anweisung erhalten, dafür zu sorgen, dass du pünktlich bist.“

      „Sie ist eine blöde Ziege!“ entgegnete Lennys und fügte dann noch trotzig hinzu: „Sie hat mir nichts zu befehlen!“

      Der Drang, über den Auftritt seiner Tochter zu lachen, schwand allmählich aus Satons Gemüt. Er dachte kurz nach, doch bevor Lennys ihrem Unmut weiter Luft machen konnte, traf er eine Entscheidung.

      „Ich werde jetzt einen Diener rufen, der dich in dein Zimmer bringt. Und du wirst mit ihm gehen, ohne Widerrede. Du hast schon gegessen, also spricht nichts dagegen, dass du dich gleich schlafen legst. Ich erwarte dich morgen zum Frühstück. Pünktlich. Haben wir uns verstanden?“

      Lennys


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