Das Blut des Sichellands. Christine Boy

Das Blut des Sichellands - Christine Boy


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ist da anspruchsvoller...“

      Verärgert verschränkte der Bauer die Arme. „Ach ja? Wer trifft denn deinen Geschmack?“

      Verschwörerisch senkte der Soldat die Stimme. „Ich sage euch, in unseren Kasernen laufen die rassigsten Frauen des ganzen Landes herum. Gerade die jungen. Und kämpfen können die, da bleibt euch die Spucke weg. Da kann unsereins schon schwach werden...“

      „Es wäre besser für dich, wenn du jetzt nicht weiter redest.“ Die junge Frau stand nun direkt hinter ihm und ihre klare Stimme ließ nicht nur ihn, sondern auch alle anderen Gäste verstummen.

      Die Wangen des Kriegers verfärbten sich scharlachrot.

      „Oh... Lennys... verzeih... ich wusste nicht, dass du....“

      „Ausgang bekommen hast.“ beendete der Jüngste der Runde, der den Mooshain kaufen wollte, den Satz trocken. Sofort erntete er Gelächter und die Männer im Lokal entspannten sich wieder und wandten sich ihren jeweiligen Gesprächen zu.

      Lennys kommentierte die Bemerkung mit einem Achselzucken.

      „Ich frage nicht, ob ich gehen darf. Wenn ich es will, dann tue ich es einfach. Merk dir das, Juta.“ Sie nahm einen freien Stuhl, schwang ein Bein darüber und ließ sich verkehrt herum darauf nieder, so dass sie die Arme auf der Rückenlehne verschränkte.

      „Recht hast du!“ bestärkte der Bauer sie. „Niemand würde der Tochter des großen Saton Vorschriften machen! Sijak?“

      Er reichte ihr seine Flasche. Ohne zu zögern griff sie danach und stürzte einen gewaltigen Schluck herunter. Der Bauer machte dem Wirt über mehrere Tische hinweg ein Zeichen, dass er Nachschub verlangte.

      „Es muss ja wirklich entsetzlich langweilig in eurer Kaserne sein, wenn du bei diesem Wetter durch die halbe Stadt hierher kommst.“ sagte Juta. „Wir haben heute nicht mit dir gerechnet.“

      „Das habe ich gemerkt.“ Sie musterte den dürren Soldaten. „Sonst wäre manch einer etwas vorsichtiger mit seinen Bemerkungen gewesen.“

      „Ich... ich habe nicht....“ fing der Zurechtgewiesene an zu stottern, doch Lennys winkte ab.

      „Vergiss es. Schließlich hattest du ja nicht ganz Unrecht.“

      Erneut grölten die Männer. Im Hintergrund öffnete sich die Eingangstür der Schenke, doch der große, kräftige Neuankömmling hatte die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht gezogen, so dass niemand ihn erkennen konnte und auch keine weitere Notiz von ihm nahm. Er setzte sich zu einem einzelnen Gast in die hinterste Ecke des Raumes, der den anderen Gesellschaften den Rücken zudrehte.

      „Sag mal, Lennys,...“ Der Viehhirt versuchte, sich Gehör zu verschaffen. „Stimmt es, dass du deinen Säbelmeister besiegt hast? Bei der Prüfung?“

      Lennys machte eine wegwerfende Geste. „Es war nicht besonders schwer.“

      Beeindruckt starrten die anderen sie an. Juta winkte aufgeregt. „Ich wette einen halben Wochenlohn, dass du in den nächsten zwei Jahren zur Cas ernannt wirst! Wer hält dagegen?“

      „Du bist ein Spinner!“ brummte der Bauer. „Du wirst niemanden finden, der vom Gegenteil überzeugt ist. Lennys hat das Kämpfen im Blut.“

      „Und den Sijak!“ Auch der dürre Soldat hatte die Sprache wiedergefunden. „Was ihre Trinkfestigkeit angeht, kann sie schon mit unserem ganzen Heer mithalten!“

      „Das ist keine große Kunst!“ spottete Lennys und nahm noch einen Schluck aus der Sijakflasche. „Ihr alten Männer vertragt doch nichts. Nach zwei Bechern Rum liegt ihr schon unter dem Tisch und wisst euren Namen nicht mehr. Und so etwas will sich an den Frauen vergreifen!“

      Mit gespielter Verzweiflung hob der Soldat die Hände zur Zimmerdecke. „Was bleibt uns noch? Sie kämpft besser als wir. Sie trinkt besser als wir. Und am Ende laufen die anderen Mädchen in der Kaserne ihr hinterher und nicht uns! Womit haben wir das verdient?“

      Alle Männer am Tisch verfielen noch einmal in lautes Gelächter und schlugen sich auf die Schenkel. Nur Lennys wirkte immer noch ein wenig gelangweilt.

      „Eines Tages wird sie uns alle mit eisernen Hand regieren!“ verkündete Juta. „Ihr werdet schon sehen. Einen halben Monatslohn darauf, dass sie einmal die Shaj der Nacht wird!“

      „Ash-Zaharr bewahre mich davor!“ widersprach Lennys. „Das hätte mir gerade noch gefehlt. Eher werde ich Dienstmagd auf Onsols Schafhof!“

      Der Bauer Onsol wollte seinen zahnlosen Mund gerade zu einem Lachen verziehen, als eine dunkle Stimme ihn erstarren ließ.

      „Diese Wahl wird nicht von dir getroffen, Lenyca.“

      Wie schon kurz zuvor bei Lennys' Auftritt, erstarben auch jetzt alle Gespräche mit einem Schlag. Doch diesmal wagte keiner eine Antwort.

      Lennys drehte sich nicht um. Sie wusste, wer hinter ihr stand und nun wusste sie auch, wer kurz nach ihr das Wirtshaus betreten hatte, um von der dunklen Ecke aus jedes Wort mit anzuhören, dass seitdem gefallen war.

      „Ich wüsste gern, warum meine Tochter mitten in der Nacht in einer gewöhnlichen Schenke sitzt, sich betrinkt und inmitten des einfachen Volkes solche unbedachten Äußerungen von sich gibt.“

      Betont langsam erhob sich Lennys von ihrem Stuhl. Mit festem Blick starrte sie in die schwarzen Augen ihres Vaters. Einige Schritte hinter ihm stand Wandan. Er hatte also bereits in dem Gasthaus auf seinen Herrn gewartet.

      „Und ich wüsste gern, warum mein Vater mir hinterher spioniert.“

      Ringsum verwandelte sich die Überraschung in den Mienen der Gäste in Fassungslosigkeit. Dass die Tochter Satons hier weilte, war nicht ungewöhnlich. Dass nun aber der Shaj der Nacht höchstselbst unter ihnen war, hatte alle kalt erwischt. Zu hören, wie Lennys auf die Maßregelung reagierte, war jedoch gerade zu unglaublich.

      „Weil er Grund dazu hat.“ antwortete Saton schlicht. Er blickte in den Raum hinein, musterte jeden einzelnen und sah dann wieder Lennys an.

      „Um deine Sicherheit muss ich mir hier keine Sorgen machen. Du könntest mit all den Männern hier gleichzeitig fertig werden.“ Er deutete auf die Sijakflasche. „Das gefällt mir nicht. Nicht in deinem Alter. Du bist nicht einmal siebzehn. Aber Sorgen, ...nein, Sorgen mache ich mir auch deswegen nicht. Das sind Dinge, die du selbst entscheiden kannst und musst. Ganz gleich, ob sie gut oder schlecht sind. Aber nicht jede Entscheidung, die dich betrifft, steht dir auch zu. Und welche Zukunft dir bevorsteht, beschließt nur einer. Und das wirst nicht du selbst sein.“

      Lennys widerstand dem Impuls, eine trotzige Antwort hervorzustoßen. Eine Weile sah sie ihren Vater wortlos an, dann ging sie an ihm vorbei nach draußen ohne sich auch noch ein einziges Mal umzusehen.

      Die Blicke im Raum hafteten nun auf Saton.

      „Insgeheim weiß sie, dass du Recht hast.“ meinte Wandan.

      Saton nickte.

      „Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich wünschte, ich könnte ihr das ersparen, was auf sie zukommt."

      Saton verzichtete sowohl auf eine Strafe als auch auf eine weitere Unterredung und Lennys vergaß den Vorfall schnell wieder. Natürlich sprach sich - nicht zuletzt dank der Gäste der Schenke - schnell herum, dass der Shaj seine Tochter des Nachts dort aufgegriffen hatte, aber selbst nachdem die Geschichte die anderen Kasernenschüler erreicht hatte, machte niemand den Fehler, in Lennys' Gegenwart darüber zu sprechen.

      Nur wenige Tage nach dem unglückseligen Zusammentreffen in der Taverne nutzte sie die freien Abendstunden für ein Treffen mit Rahor, Racyl und Garuel.

      Sie hatten sich diesmal nicht an ihren Lieblingsplatz hinter der Mauer zurückgezogen, sondern sich ausnahmsweise an die Vorschriften gehalten und Lennys' eigenes Zimmer aufgesucht. Sie war die einzige Kasernenschülerin, die allein wohnte, was allerdings nicht bedeutete, dass sie auch die Nächte einsam verbrachte.

      "Bohain hat diesmal ziemlich viel einstecken


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