ACRIM. Roland Braxmaier

ACRIM - Roland Braxmaier


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wo war sie dann?

      „LICHT!“ Sie schrie aus Leibeskräften.

      Nichts.

      „bitte“ schickte sie ganz leise nach.

      Nichts.

      In derselben Sekunde fühlte sie sich auf dem Fußboden unwohl.

      Was-Wenn-Panik.

      ‚Jetzt reiß’ dich zusammen!’ Verzweifelt versuchte sie Ruhe in sich zu bringen.

      Aber ihr Herz hörte nicht auf sie. Es schlug wie es wollte und es schlug heftig.

      Eine extreme Beklemmung bemächtigte sich ihres ganzen Oberkörpers.

      Mit einer unendlichen Kraftanstrengung hob sie ihre einzige Orientierung an der Wand auf, streckte die Hand voller Angst ins Leere und tippelte hoffentlich zurück zur Pritsche.

      Der mittlere Zeh des linken Fußes meldete die Ankunft zuerst. Ihn hatte sie an ein Bein der Pritsche gestoßen.

      Sie fluchte laut, quälte sich auf die Liege und heulte.

      Sie konnte nichts mehr selbst bestimmen.

      Und nun kam eine weitere Erkenntnis dazu.

      Sie spürte scheinbar einen Luftzug am Kopf.

      Ein weiterer Schrei erfüllte den Würfel als sie sich an ihren kahlen Schädel fasste.

      Wo waren ihre lockigen langen Haare?

      Sie brach zusammen.

      Heulend und schluchzend kauerte sie sich selbst umklammernd auf der Pritsche.

      War sie verrückt geworden? NEIN!

      Ein Knall riss sie aus ihren Gedanken und Schwarz wechselte zu Weiß.

      Als ihre Augen wieder sehen konnten bemerkte sie in einer Ecke eine Dusche und eine Toilettenschüssel.

      Ohne Abtrennung.

      Das hatte sie bislang noch gar nicht wahrgenommen.

      Und es gefiel ihr auch nicht. Das sah nach der Möglichkeit eines längeren Aufenthaltes aus. Und keine Chance, den Würfel für eine Pinkelpause zu verlassen.

      Trotz der Blendung tat das Licht gut.

      Sie dachte nach. Suchte. Spulte zurück. Brauchte einen Anker.

      Was war ihre letzte Erinnerung? Das musste doch möglich sein.

      Wie wenn jemand verhindern wollte, dass sie nachdachte gab es ein leichtes Surren und in der makellosen Wand entstand eine kleine Öffnung.

      Aus dem dahinterliegenden Schwarz fuhr ein Tablett mit Essen heraus. Und Trinken.

      Bevor sie die Chance überhaupt erkannt hatte, nach jemandem zu rufen war die Öffnung wieder verschwunden.

      Ihren Hunger und Durst hatte sie bislang noch gar nicht realisiert. Wütend rannte sie zu dem Tablett, warf das Essen in den Raum und die Trinkflasche hinterher.

      „Ende! Schluss! Ich will hier raus!“

      Sie schrie was die Stimmbänder hergaben, weil sie langsam das Gefühl bekam, hier nicht mehr wegzukommen.

      Sie fühlte sich behandelt wie eine Irre.

      Nachthemd – kahlgeschoren – Gummizelle.

      Alles sprach dafür.

      Vielleicht war es aber genau der Plan? Mach’ sie irre!

      War sie irre? War sie krank?

      Die einzige Möglichkeit, das herauszufinden war Nachdenken.

      Wie kam sie hierher?

      Nein.

      Sie musste versuchen, viel weiter zurückzudenken.

      Allein der mit einem ständigen Knall begleitete Lichtwechsel machte sie verrückt. An Schlaf war gar nicht zu denken.

      Sollte sie gar nicht nachdenken?

      Sie musste es versuchen. Ope zwang sich nachzudenken, fand aber nichts.

      War sie lebenslos?

      Hatte sie kein anderes Leben gehabt als das hier im Würfel?

      War sie eben erst aus einem Jahre andauernden Koma erwacht?

      Schwachsinn.

      Sie wurde müde, zwang sich aber unentwegt zum Nachdenken.

      Ebenso hätte sie in einem leeren Bassin nach Wasser suchen können.

      Sie war so müde.

      Ope wollte und sollte schlafen, aber sie hatte kein Vertrauen.

      Und ohne Vertrauen gab es keinen Schlaf.

      Sie misstraute nicht nur dem Licht, sie misstraute inzwischen auch sich selbst.

      Und sie misstraute auch dem Schlaf.

      Was, wenn es mit dem nächsten Aufwachen noch schlimmer wurde?

      Wenn sie dann tatsächlich in einer Schlangengrube saß. Oder in luftiger Höhe?

      Da war dieser dämliche Würfel noch gut.

      Also durfte sie nicht schlafen.

      Aber vielleicht bedeutete der Schlaf auch ihre Entlassung?

      Was, wenn sie richtig aufwacht?

      Da wo sie hingehört.

      Ope, wohin gehörst du denn?

      Über diesen zweifelnden Gedanken schlief sie ein.

      Keine Ahnung, ob sie zwei Minuten oder zwei Tage geschlafen hatte, der laute Knall und das Verschwinden des Lichtes weckte sie.

      Jetzt saß sie im Dunkeln, wach.

      Aber sie registrierte eine kleine Veränderung. Das gab ihr trotz aller Schwärze Mut.

      Sie erinnerte sich. An ihre Mutter. Warum ausgerechnet an sie wusste sie nicht, aber das spielte auch keine Rolle. Es tat gut.

      Und sie baute dieses Bild im Dunkeln aus.

      Mit einem Knall saß sie im Weiß und das Bild war weg.

      Man hatte ihr das Bild weggeblendet.

      Wütend und schreiend rannte sie durch den Würfel, trommelte gegen die Wände, trat gegen die Pritsche, aber es schien einfach niemanden zu interessieren.

      Als Beruhigung eintrat stellte sie fest, dass sie dringend auf die Toilette musste.

      Aber sie traute sich nicht.

      Ope fühlte sich beobachtet.

      Jetzt wäre dunkel nicht schlecht.

      Es war wirklich zum verrückt werden.

      Die Blase und der Darm drückten, aber das Licht blieb.

      Immer schneller lief sie auf und ab. Ope wusste nicht wie lange, sie spürte nur den permanent steigenden Druck. Mit der Zeit hatte sie das Gefühl, ihr würde der Bauch nach vorn und der Po nach hinten sichtbar hinausgedrückt, so extrem war der verspürte Druck.

      Als ihr Leiden groß genug war zog sie das Nachthemd hoch und setzte sich verschämt auf die Schüssel. Sie versuchte leise zu sein, aber erstens war jedes fallende Staubkorn hier zu hören und zweitens verlor sie die Kontrolle.

      Mit peinlichen Geräuschen begleitet leerten sich ihr Darm und ihre Blase.

      Sie wusste gar nicht vor wem sie sich schämte, aber sie tat es.

      Gerade als sie sich abwischen wollte kam der Knall und sie stand in der Schwärze.

      Erneut quittierte sie den Lichtwechsel mit einem urtiefen Schrei.

      Mit dem nächsten Lichtwechsel wurde sie auch wieder mit Essen versorgt.

      Namenlos.

      Aber es gab eine


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