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von Ihnen erwarte. Wir werden das also wiederholen.« Ava schaut nach vorne. Sie sieht Menschen, die auf ihren Plätzen auf dem Weg zu ihrem Reiseziel sind und fragt sich, was die Doktorin darin sehen will. Es gibt nichts was es da zu sehen gibt. Weshalb also dieses Theater?

      »Kann ich Sie etwas fragen?«

       Oh Gott, das hast du jetzt nicht wirklich getan. Du fragst sie ernsthaft, ob du sie etwas fragen kannst?

      »Natürlich«, lächelt die Doktorin selbstsicher.

       Sie kann lächeln, wow, sie kann tatsächlich lächeln. Und dieses Lächeln scheint auch noch ehrlich gemeint zu sein.

      »Was soll das? Ich meine, warum soll ich durch den Bus laufen und um mich schauen? Und wenn wir schon einmal beim Thema Bus sind«, Ava wirft ihre Hände in die Luft »weshalb sitzen wir hier drinnen? Ich habe einen Wagen mit dem wir weiterfahren hätten können. Warum sitzen wir hier also?« Als wenn sie die Aussagen bestätigen würde, nickt Nora.

      »Ich habe Sie dazu aufgefordert durch den Bus zu laufen, weil ich möchte, dass Sie sehen. Und was die andere Frage angeht: Sie möchten doch das Buch über mich schreiben, richtig?« Etwas verunsichert nickt Ava. Ja, sonst wäre sie schließlich nicht hier. Sonst hätte sie nicht ihre schöne Wohnung zurückgelassen. Sonst hätte sie nicht ihre Freunde und Familie zurückgelassen.

      »Sicherlich wäre es von Vorteil, wenn Sie wissen und verstehen was Sie da schreiben. Und das können Sie nur, wenn Sie einige Dinge am eigenen Leib erfahren und miterleben. Quasi ein Learning-by-doing. Was anderes ist das nicht.«

       Aha. Ich verstehe die Frau nicht. Muss ich das denn?

      ***

      Während Ava über die Worte der Doktorin nachdenkt, hebt diese einen Arm und streicht ihr in einer fast beunruhigend sanften Geste mit einem Mal ein paar Haare hinter das Ohr. Schon fast liebevoll lächelt sie die junge Frau an.

      »Sie sind so blind und verwirrt, dass Sie mir schon fast leidtun«, haucht sie gefühlvoll.

      Als Avas Gehirn ihr bewusst macht, was hier im Augenblick passiert, schreiben tausend Nadeln Ava eine Gänsehaut auf den Körper.

      Dieses Miststück von Doktorin lächelt sanftmütig und berührt die Journalistin ebenso, so dass diese glatt vergessen könnte, was seit ihrer gestrigen Ankunft alles passiert ist. Sie sieht derzeit nur noch diese bernsteinfarbenen Augen der Doktorin, die sie charmant umschmeicheln. Auch die Form ihrer Lippen deuten ein Lächeln an.

       Was war in der Zigarette drin? Meint die das wirklich ernst? Kann die gute Frau tatsächlich freundlich sein?

      »Wir sind gleich da«, lenkt Nora Avas Aufmerksamkeit von sich ab und verlässt den Platz. Langsam wandert sie zur hinteren Bustür und drückt den Stop-Knopf. Sie schaut nicht zu Ava zurück und zitiert sie auch nicht zu sich. Stattdessen bewegt sie ihren Kopf in einer langsamen Geste, bis der Bus die Geschwindigkeit drosselt. Ein junger Mann steht von seinem Platz auf und stellt sich neben die Doktorin. Mehr als deutlich betrachtet Nora den guten Mann, blickt zu Ava zurück und ruft sie mit einer stummen Kopfbewegung zu sich.

      Gehorsam wie sie manchmal sein kann, trottet Ava zur hinteren Tür. Verwundert beobachtet sie die Doktorin dabei, wie sie ihren Platz an der Tür verlässt und direkt hinter sie tritt. Jetzt fühlt sich Ava in ihrer Privatsphäre recht gestört. Ihr steht Nora einfach zu nahe.

      »Wenn sich die Türen öffnen gehen Sie einfach. Egal was passiert, gehen Sie einfach geradeaus.« Flüsternd wirft Nora Ava diese Worte an den Kopf, die das in keinster Weise nachvollziehen kann.

      »Was? Warum?« Der Bus hält. Rauschend öffnen sich die Türen.

      »Gehen Sie! Gehen Sie! Gehen Sie!«, flüstert die Doktorin richtig gehetzt. Erschrocken zuckt Ava zusammen, kaum dass sie Noras Hände auf ihren Hüften spüren kann. Mit sanftem Druck schiebt sie Ava durch die Bustür. Der junge Mann neben ihnen macht es ihnen gleich und verlässt den Bus ebenfalls. Plötzlich geht alles so schnell, dass Ava nicht registriert was hier geschieht. Die Doktorin schiebt sie noch immer vor sich her, flüstert immer wieder »Gehen Sie!« und lässt sie nicht eigenständig handeln. Sie bekommt überhaupt gar nicht mit, wie der junge Mann links neben ihr immer näher an sie herantritt und sie plötzlich so stark zur Seite drängt um zur rechten Seite zu gelangen, dass Ava fast die Kontrolle über sich verliert.

      »Herrgott, was … ?« Verdattert bleibt Ava stehen. Mit großen Augen starrt sie dem jungen Mann hinterher, der sich energisch an ihr vorbeischiebt und sie tatsächlich etwas zur Seite drängt. Stur geht er seinen Weg.

      »Was war das denn?« Angesäuert blickt Ava nach hinten zu der Doktorin. Diese hat ein wissentliches Lächeln auf den Lippen. Sie nimmt die Hände von Avas Hüften und tritt vor sie.

      »Das, Miss Ramirez, war der Mensch.«

      »Bitte? Was genau meinen Sie damit?« Ohne darauf zu achten wo die Doktorin hinläuft, folgt Ava ihr und schaut sie von der Seite aus fragend an.

      »Das war das typische egoistische und rücksichtslose Verhalten eines Menschen. Wenn Sie nicht stehengeblieben wären, hätte er Sie noch weiter zur Seite gedrängt, bis er seinen Weg wieder aufgenommen hätte. Er verfolgte sein Ziel, egal welche Folgen das gehabt hätte.«

      »Ok, Ziele verfolgen ist ja gut und schön, aber doch nicht bei so etwas Kleinem wie das aussteigen aus einem Bus«, philosophiert Ava nachdenklich.

      »Sie haben es doch eben am eigenen Leib erlebt, oder etwa nicht?« Ein kurzes nicken bestätigt Noras Aussage.

      »Na also.« Sie zeigt nach vorne.

      »Was wollen Sie denn einkaufen? Brauchen Sie einen Wagen?« Ohne es bemerkt zu haben, stehen Ava und die Doktorin vor dem Albertsons Einkaufscenter.

      Vertieft über das was da eben geschehen ist, trottet Ava zu den Einkaufswagen, umgreift einen und will ihn gerade aus der Schlange ziehen, als sie Noras Blick im Nacken spürt. Die Psychiaterin beobachtet sie. Sie beobachtet jede einzelne Handlung von ihr. Nur warum? Etwas unheimlich wirkt das ja schon. Was soll das also?

      »Eine Frage habe ich noch, Miss Jercy.« Ava lässt den Einkaufswagen los und dreht sich zu der Doktorin um. Erwartungsvoll schaut diese sie an.

      »Ja?«

      »Ok, es können auch ein paar mehr Fragen werden. Darf ich Ihr Badezimmer inklusive Toilette nutzen?« Mit einem Schlag erobert ein minimales Lächeln Noras Gesicht. Sie senkt den Kopf ein kleines Stück.

      »Ja.«

      »Besitzen Sie einen Kühlschrank der mit Strom betrieben wird und den ich mitnutzen darf?« Das Lächeln wird unmerklich breiter. Der Kopf senkt sich ein winziges Stück tiefer.

      »Ja.«

      »Besitzen Sie so etwas wie eine Mikrowelle, in der man sich Essen aufwärmen kann? Natürlich auch Strombetrieben.« Nora verlagert ihr Gewicht auf ein Bein und verschränkt die Arme vor der Brust. Normalerweise hat diese Haltung eine abwehrende Bedeutung, aber in Noras Fall wirkt es eher amüsiert.

      »Nein. Wenn ich koche gibt es nur frische Sachen. Und damit wir uns gleich richtig verstehen: Ich esse kein Tier. Fleisch brauchen Sie also erst gar nicht einzukaufen. Vermeiden Sie so viele Nahrungsmittel wie möglich in denen Tier ist. Selbst ich schaffe es nicht immer es zu vermeiden, aber ich gebe mir Mühe und lese die Zutatenliste.«

       Kein Fleisch? Herrgott, kein Fleisch? Auweia.

      »Ok, ich werde darauf achten. Besitzen Sie denn Töpfe, Pfannen und ähnliches, welches man zum Kochen benötigt? Teller, Besteck?« Nora neigt den Kopf. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wird nun sichtbarer und deutlicher. Irgendwie wirkt es schelmisch. Oder? Nein. Ava kann das Lächeln nicht so recht einschätzen. Unheimlich.

      »Sie stellen die richtigen Fragen, Miss Ramirez. Das gefällt mir. Pluspunkt, sehr schön. Natürlich besitze ich das alles. Ich werde Ihnen später etwas zusammenstellen was sie nutzen dürfen. Von allem anderen lassen Sie die Finger. Und nun« eine Kinnbewegung zum Eingang des Einkaufscenters


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