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oder was?

      »Aaah, Sie können mich schon jetzt nicht leiden. Das gefällt mir.« Lächelnd dreht sich die Doktorin um. Ava weitet die Augen.

       Woher … ?

      »Ich habe es an Ihren Augen ablesen können. Mich kann keiner leiden und das ist auch gut so. Ich will auch nicht gemocht werden.«

      »Wie machen Sie das?«

      »Was? Wissen was Sie denken?« Ava nickt, obwohl ihr bewusst ist, dass Miss Jercy das nicht sehen kann, weil diese ihr den Rücken zukehrt.

      Die Doktorin dreht sich erneut zu ihr um und schiebt die Lesebrille ihre Nase etwas herunter.

       Herrje, das sieht jetzt irgendwie süß aus.

      »Sie wollen doch diese beschissene Biografie über mich schreiben, nicht wahr? Dann werden Sie in naher Zukunft sehr viel von mir kennenlernen. Von mir als Person und als Doktorin. Glauben Sie mir, Sie werden mich danach verabscheuen und verachten. Sie werden mich hassen und ich werde mich an diesem hasserfüllten Gefühl laben. Bis dahin werden Sie aber lernen, wie ich an wenigen Gesichtszügen und Reaktionen die Gedanken der Menschen erahnen kann. Und jetzt …«, die Doktorin wendet sich wieder von Ava ab »verschwenden Sie nicht weiter meine kostbare Zeit. Ich wünsche später eine angenehme Nacht.«

       Kostbare Zeit? Du sitzt auf der Couch, hast ein kuscheliges Feuer an und machst keine Ahnung was. Kostbare Zeit, schon klar.

      »Wo ist denn die Toilette, wenn ich Sie noch einmal belästigen dürfte?« Die Doktorin streckt einen Arm aus und zeigt gegen eine Wand.

      »Draußen.« Mit rollenden Augen geht Ava auf nackten und wunden Füßen zu ihrem Zimmer.

      Während sie beginnt einige ihrer Sachen aus den Koffern zu holen, spürt sie ein gähnende Leere in ihrem Magen.

       Heute wirst du nirgendwo mehr hingehen. Erniedrige dich also und bitte deine nette Gastgeberin um Wasser und Brot.

      ***

      Mit Duschgel und einem Handtuch ausgestattet, trottet Ava um die Hütte herum. Erstens muss sie ihre Blase entleeren und zweitens muss sie ihre Füße waschen. Sie wird mit diesen dreckigen Stelzen unter keinen Umständen schlafen gehen. Und wenn sie in Naturwissenschaften richtig aufgepasst hat, deutet die untergehende Sonne das Ende eines Tages an. Also eben schnell die Toilette aufsuchen, dem durchaus naturbelassenen Badezimmer einen Besuch abstatten und dann zusehen um aus der ganzen Situation das Beste zu machen.

      Suchend blickt sich Ava um.

       Toilette, Toilette, wo zum Teufel versteckst du dich?

      Unsicher schleicht sie zu einer großen Hütte, wo sie das Pferd der Doktorin vermutet. Das Wiehern und der Geruch verraten dies eindeutig.

      Langsam betritt Ava den Stall. Er wirkt innen größer, als er von außen aussieht. Als sie an der Box der Stute vorbeistolpert, steckt die Gute ihren großen Kopf heraus und schnaubt.

      »Ja ja, bin gleich wieder weg. Ich suche nur die Toilette«, erklärt Ava ihren unangekündigten Besuch und trottet weiter durch den Stall. Nichts. Super.

      Genervt verlässt sie den Stall und marschiert zu einer weiteren Hütte. Diese ist aber um einiges kleiner als das Haus und der Stall. Vielleicht hat sie da ja mehr Glück.

      Mit vollgepackten Armen rüttelt sie an der Tür. Verschlossen.

      »Man oh man. Ist das hier Alcatraz, oder was? Wieso ist das verschlossen? Was ist denn dort kostbares drinnen, dass es vor der Außenwelt versteckt wird?« Ava blinzelt zwischen zwei Holzstreben. Nur mit Mühe kann sie eine große Plane erahnen, die über ein Fahrzeug geschlagen wurde.

      »Ah, die tolle Doktorin hat also einen Führerschein? Schön und wie fährst du über Stock und Stein ohne stecken zu bleiben?« Diese Frage beantwortet sich von ganz alleine, kaum das Ava um die Scheune herumgeht. Von dort führt eine plattgefahrene Schotterstraße zu einer weiteren Straße, die in einiger Entfernung etwas abgelegen angelegt wurde.

      »Hätte ich das gewusst, hätte ich mir die Blöße nicht geben müssen.« Grummelnd blickt Ava die Schotterstraße entlang. Diese führt tatsächlich von der anderen Straße direkt bis zur Hütte. Es gibt keine Abzweigung, nichts. Eine Strecke die exakt zum Ziel führt.

       Ok, ich suche aber noch immer nach der Toilette.

      Allmählich beginnt die Blase zu schmerzen als Avas Aufmerksamkeit erregt wird. Sie richtet ihren Blick auf einen Eimer, der an der Wand der Hütte steht. Auf dem schmalen Rand des Blecheimers, der sicherlich schon einige Kuheuter von unten gesehen hat, liegt eine Rolle Toilettenpapier gegen die Hütte gelehnt.

      »Was?« Quietschend starrt Ava auf den Eimer.

      »Das ist nicht dein Ernst!« Fast kreischend starrt sie zum Haus zurück.

       Das kann unmöglich dein Ernst sein! Ich kann doch nicht in so einen beschissenen Eimer …. Wo, zum Teufel, ist die Zivilisation geblieben?

      Kopfschüttelnd wendet sich Ava von dem Eimer ab. Unter keinen Umständen wird sie dort ihr Geschäft verrichten. Selbst dann nicht, wenn ihre Blase und ihr Darm fast dabei sind zu platzen. Wie sollte sie den Eimer auch entleeren? Und wo? Nein, so weit wird sich Ava nicht erniedrigen lassen. Etwas Stolz besitzt sie schon noch.

      Mit jedem Schritt, den sie Richtung Fluss macht, schmerzt ihre Blase. Ihr kommt diese wie ein stürmischer Seegang vor. Der Urin schwabt von einer Seite zur anderen und reizt die Blasenwände.

      Endlich beim Fluss angekommen, blickt Ava um sich. Sie sucht einen Busch der einigermaßen blickdicht ist. Wenn sie von ihrem Zimmerfenster aus diesen Fluss schon sehen konnte, wird die Doktorin sie sicherlich auch sehen können. Und das will Ava auf gar keinen Fall.

      Dribbelnd hechtet sie hinter einen Busch, öffnet die Hose und erfreut sich gedanklich daran endlich die Blase entleeren zu können. Sie zieht die Hose herunter, hockt sich hin und will gerade ihre Muskeln entspannen, als ihr etwas einfällt. Blitzschnell verkrampft sie ihre Muskeln.

      »Scheiße!« Fluchend blickt sie um sich.

      »Man, du hättest wenigstens das Toilettenpapier mitnehmen können. Herrgott nochmal.« Suchend tastet Ava die Gegend ab, um sich nach dem urinieren mit irgendetwas abwischen zu können. Nichts. Hier gibt es nichts außer Sand, Stein, Stöcker und Blätter. Und bevor sie sich eines davon zwischen die Beine schiebt, muss ihr Gehirn schon völlig zersetzt sein. Nein, unter keinen Umständen.

      Ava schaut zu dem Handtuch auf dem Boden.

       Nein, damit musst du dich gleich noch abtrocknen.

      Ihre Augen fliegen zum Fluss. Ruhig plätschernd fließt er in eine Richtung. Das plätschern hilft Ava keineswegs die Blase noch länger unter Kontrolle halten zu können.

      Wirr blinzelt sie über den Busch Richtung Haus. Dort regt sich nichts. Gut, also los.

      Hektisch und nervös steigt Ava ganz aus der Hose, rupft, zupft und zerrt an der Strumpfhose, bis sie mit blankem Arsch zum Fluss watschelt.

      Kaum berührt ein Fuß das Wasser, quiekt sie auf.

      »Scheiße ist das kalt.« Fluchend, wimmernd und nach Luft schnappend kämpft sich Ava langsam weiter in den Fluss hinein. Das Wasser umspült ihre Waden und kriecht langsam an den Knien hoch. Sie blickt noch einmal zum Haus zurück und ist sich sicher. Miss Jercy kann sie so nicht sehen.

      »Gott, was tut man doch nicht alles für seine Karriere.«

      Brummend blickt sich Ava noch einmal um, geht in die Hocke und kneift die Augen zusammen.

      »Es tut mir leid, Fischis.« Kaum entspannt sie ihre Blase und geht diesem langersehnten natürlichen Bedürfnis nach, wird sie etwas ruhiger. Die Blase entleert sich langsam, während in Ava Scham aufsteigt.

      »Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen. Ich kann nicht jeden Tag den Fluss als Toilette benutzen.


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