Beutezug. Sarah L. R. Schneiter

Beutezug - Sarah L. R. Schneiter


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werfend. „Stimmt, dann bin ich noch ohne Empfang unterwegs. Das wünsche ich euch auch.“

      „Danke, ich hoffe, du kannst trotzdem feiern mit deinen zwielichtigen, schrägen Mitreisenden oder Freunden“, entgegnete ihre Mutter. Nach einer kurzen Pause, in der Nani leichte Wehmut aus der Körpersprache ihres Gegenübers zu lesen glaubte, fügte sie hinzu: „Und pass auf dich auf, Kind.“ Ohne, dass die Tochter hätte antworten können, unterbrach sie die Verbindung.

      Nani erhob und streckte sich trocken murmelnd: „Ich weiß nicht, was sie hat, ich wurde bisher erst sechs Mal angeschossen.“ Nach einem amüsierten Schnauben verzog sie plötzlich angewidert das Gesicht, roch vorsichtig an ihrer Achselhöhle. „Scheiße, ich muss echt duschen!“

      Der Boden begann zu zittern, als die gewaltigen Triebwerke des alten Monoliths urplötzlich beschleunigten, das Licht wurde flackernd dunkler. Die Glücksritterin stütze sich auf den hölzernen, abgegriffenen Tisch um zuzusehen, wie die Planeten des Initira-Systems an ihr vorbeiflitzten, einer nach dem anderen, immer schneller, ein letzter Wimpernschlag, dann sprangen sie in den Hyperraum. Die Vibrationen ließen nach, die Sicht vor dem Bullauge war verschwunden, einer unbeschreiblichen Dunkelheit gewichen, die nur von geisterhaften Blitzen auf dem Schiffsrumpf unterbrochen wurde, die Raumfahrer umgangssprachlich als Elmsfeuer bezeichneten. Nani hatte sich längst an die Isolation der Reisen über der Lichtgeschwindigkeit gewöhnt, eine Woche ohne ComNet, HoloNet und Kontakt zur Außenwelt lag vor ihr. Sie wandte sich ab, jetzt blieb ihr nicht mehr viel zu tun, außer sich von ihrem Lauf zu erholen. Während sie sich daran machte, ihren Rucksack auszupacken, konnte Nani eine Erinnerung nicht abschütteln, die sie stets einholte, wenn sie die leichten Schuldgefühle unterdrückte, die sie mit dem Kontakt zu ihrer Familie verband.

      „Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun willst?“, fragte Mom und Nani hätte am liebsten nein gesagt, einen Rückzieher gemacht. Nur, sie wusste, was sie wollte, wo sie hingehörte; oder glaubte es zu wissen. Die Zwanzigjährige stand unwohl da, ihren großen Rucksack geschultert. Sie sah neben ihren Eltern so aus wie eine Rebellin: Ausgewaschene Hosen in Kombination mit einer Jeansjacke bildeten den Kontrast zu den schlichten, doch eleganten Klamotten, die in ihrer Familie Tradition hatten. Nani nickte, sah von den dunkelgrauen Bodenfliesen des Raumhafenterminals auf und rang sich zu einer Antwort durch. „Ja, ich will das. Außerdem ist es ja nicht so, als würde ich mein Leben wegwerfen, ich will nur ein, zwei Jahre auf Reisen gehen.“ Wie sehr die Art ihrer Reisen sich von jener der meisten anderen jungen Leute aus ihren Kreisen unterschied, verschwieg sie geflissentlich. Ihre Eltern mussten es vermuten, immerhin hatte sie die letzten Monate ihre Ferientage stets genutzt, um zu verschwinden, ein doppeltes Leben zu führen. Sie war jedes Mal heimgekehrt, meist schmuddelig aber zufriedener, mehr sich selbst als zuvor. Nein, sie konnte nicht bleiben, dieses bürgerliche Leben war ein Gefängnis für sie. Genauso gut hätte sie am Morgen (oder Mittag) das Bett nicht mehr verlassen, einfach aufgeben können.

      Mom umarmte sie. „Pass gut auf dich auf, Kleines.“ Nani konnte in der Antwort hören, wie nahe ihre Mutter den Tränen war und blinzelte selbst etwas Feuchtes aus einem ihrer Augenwinkel.

      „Mom, ich werde nicht verschwinden, ich komme alle paar Monate vorbei, versprochen.“

      Sie gab einen zustimmenden Laut von sich, bevor Nani sich an ihren Vater wandte. „Dad …“

      Entschlossen schüttelte Nani die nostalgischen Gedanken ab, widmete stattdessen alle Aufmerksamkeit ihrem Gepäck. Es gab nur wenig auszupacken, ein Satz an Ersatzkleidung sowie ihr Databook waren alles, was sie momentan brauchte. Erst stellte sie das an eine schwarze, notizbuchgroße Glasplatte erinnernde Gerät auf den Schreibtisch und hielt kurz den Finger auf die Oberfläche. Der Bioscanner erkannte ihren Fingerabdruck und Puls, sogleich manifestierte sich ein Hologramm mit dem Menü in der Luft. Routiniert befahl Nani: „Musik abspielen, Playlist Sechs.“

      Leichter Jazz erfüllte den spartanisch eingerichteten Raum und Nani begann damit, ihre frische Kleidung säuberlich auf dem Laken auszubreiten. Ein Lächeln wanderte über ihre Lippen, als ihr diese für jemanden ihres Lebenswandels ungewohnte Routine auffiel.

      „Ganz egal, wo wir sind, wir stammen immer von unserem Heimatplaneten“, rezitierte sie sich ausziehend ein altes Sprichwort. Gutgelaut knüllte sie die Schmutzwäsche zu seinem Ball zusammen und sah sich nach der Klappe des automatischen Wäschekorbs um. Als sie das Ding gefunden hatte, trat sie heran, um das Bündel hineinzuwerfen. Umständlich streifte sie ihren Slip ab, wobei sie zugleich die Klappe offenhielt. Die Aktion beendete sie mit einem bestenfalls vermeintlich eleganten Kick, der die Unterwäsche in denselben Schlund beförderte.

      Wesentlich eleganter wirbelte die sehnige Frau herum und tapste in Richtung der Nasszelle davon; nach ihrem Beinahe-Marathon hatte sie sich ihre Dusche wirklich verdient.

      2. Hyperraum

      Nanis Turnschuhe machten kaum Lärm auf dem Metallgitter des freihängenden Stegs, der die Ladebucht in Längsrichtung überspannte. Die grauen, teils rostigen Wände erinnerten sie daran, dass die Vela schon bessere Tage gesehen hatte; das Schiff musste mindestens siebzig Jahre auf dem Buckel haben. Die erfahrene Reisende, die im Laufe der Zeit ein Gespür für Sternenschiffe entwickelt hatte, gab ihm allerhöchstens noch fünfzehn weitere, ehe es endgültig auseinanderfiel. Die dunkelhaarige, weiße Frau, welche neben ihr her schritt, hatte schmutzige Hände und tätowierte Unterarme, zu denen sie von der Abenteurerin schon ausgefragt worden war. Sie hatte sich als Susan Marshall vorgestellt, war Mechanikerin des Schiffes und teilte Nanis Humor. Ihre Tattoos sammelte sie auf diversen Zwischenstationen an, wann immer sie Gelegenheit dazu hatte. Kurz: Sie schien ein typischer Randwelten-Haudegen zu sein. Nun kam sie eindeutig aus dem Maschinenraum, denn sie trug ein mit Ölflecken gesprenkeltes, olivfarbenes Tank-Top und nicht minder schmutzige Jeans. „… genau darum willst du nie, aber auch verdammte Scheiße wirklich nie, virtuelle Relais in die Luft sprengen“, beendete sie eben ihre Raumfahrer-Anekdote mit einer ausladenden Geste zu der länglichen Narbe neben ihrem linken Auge. „Kippe?“

      „Klar“, nahm Nani die dargebotene Zigarette dankend an. Wie viele Glücksritter, schäbige Raumfahrer sowie Herumtreiber rauchte und trank sie, meistens zu viel. Es kümmerte sie kaum je, nur beim Joggen verfluchte sie ihre Laster, da sie zu rasch außer Atem geriet. Susan schnippte ihr Laserfeuerzeug an, wartete, bis Nanis Kippe glühte, bevor sie ihre eigene anzündete. „Und was ist deine Story?“

      „Heute bin ich hier, morgen bin ich anderswo“, gab Nani schulterzuckend zurück, wobei sie amüsiert feststellte, dass sie beide sehr raue Stimmen hatten, ja nahezu identisch klangen. Vermutlich hätten sie die meisten Leute in dieselbe Menschenkategorie eingeordnet, überlegte Nani, nicht ohne Amüsement, als sie an ihren Hintergrund dachte.

      Susan lachte, schüttelte ihr schulterlanges Haar. „Alles klar, du bist eine Streunerin, vermutlich Gaunerin. So lange du nicht auf die Idee kommst, uns zu bestehlen, sollten wir gut miteinander klarkommen.“ Sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. „Lass mich raten: Dem Akzent nach eine Göre aus den Neurussischen Kolonien, Deru, Deron, irgend sowas?“

      „Meine Fresse, du bist gut!“ Zufrieden sog Nani den nach Menthol schmeckenden Rauch ein und blies ihn in die große Halle. „Dasselbe bei dir?“

      „Bingo.“ Susan gestikulierte mit der betonten, nahezu übertriebenen Lockerheit vieler Frachtleute auf Nanis verschwitzen, grauen Trainer – sie hatte die Abenteurerin auf dem Rückweg von ihrem Workout zufällig getroffen. „Du rennst, oder?“

      „Jogging, Schießen und waffenloser Kampf.“ Sie sah sich kurz um ehe sie hinzufügte: „Auf diesem Schiff kann man sich leicht verlaufen, wenn du mich fragst. Ihr habt euch da ein regelrechtes Labyrinth zugelegt.“

      „Da hast du Recht“, kommentierte Susan und schnippte ihren Stummel achtlos in den Laderaum unter ihnen. „Die acht Frachthallen sind noch einigermaßen übersichtlich, doch da hört die Symmetrie auch schon auf, die ganzen Blöcke dazwischen sind ein einziges Durcheinander aus Gängen, Treppenhäusern und Räumen. Ich hatte selbst Wochen, bis ich alle Nischen kannte. Vermutlich hat da ein Ingenieur nix von Symmetrie gehalten.“

      „Sag


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