Beutezug. Sarah L. R. Schneiter
den Platz für Fracht, die ganzen Räume dazwischen sind eigentlich unnötig. Weil sie den Kasten zusammenhalten, können wir da nichts ausweiden.“
„Das ist vielleicht sogar besser so“, meinte Nani. „Ich kann den Platz gut zum Joggen nutzen.“
„Auch ein Ansatz.“ Susan deutete mit dem Daumen über ihre Schulter. „Der Weg vom Maschinenraum zu den Gemeinschaftsräumen könnte schon ein bisschen kürzer sein. Tosh hat es da schon besser, die Brücke ist ja auch ganz vorn, dabei ist er der Jüngste.“
„Tosh?“ Sie bogen in einen anderen Steg ein, der in einen Gang mündete.
„Ja, der Pilot. Wirst ihn heut Abend treffen, wenn du noch nicht die Ehre hattest.“
„Na, ich bin mal gespannt auf den Rest eurer Crew“, meinte Nani. „Meine Kabine ist hier vorne, wenn ich meinem Orientierungssinn glauben kann.“
„Gut, dann sehen wir uns beim Abendessen um Acht in der Gemeinschaftsküche. Du wirst den Weg schon finden.“ Damit bog Susan nach rechts, in Richtung des Bugs, ab und marschierte von dannen. „Etwas nonchalant, was?“, murmelte Nani, den Zigarettenstummel ebenfalls in die Ladebucht hinunterwerfend. Offenbar war das der Brauch ihrer Gastgeber und wer war sie, sich dem zu widersetzen? Nachdem sie bereits den Captain sowie die Mechanikerin getroffen hatte, konnte sie sich einen ziemlich guten Eindruck von dem Umgangston an Bord der Vela machen. Ihr kam eine solche Crew gelegen, weder unfreundlich noch allzu neugierig, einfach nur auf ihre eigene Arbeit konzentriert, direkt, am Abend vermutlich angetrunken. Sie würden ihr keine Probleme machen, sie mit Fragen löchern oder alles über ihren Lebenswandel am Rande der Legalität zu erfahren versuchen. Ob sie wohl auch Halloween feierten? So oder so versprach diese Reise angenehm, wenn nicht gar entspannend zu werden.
Der lange, am Abend schwach beleuchtete Gang erinnerte Nani an ein billiges Horror-Holo, in dem in jedem Augenblick ein Monster um eine Ecke springen konnte. Nur einige gelbe, teils flackernde Notleuchten funktionierten noch, entweder waren diese Leute unglaublich schlampig, was die Wartung ihres alten Klunkers anbelangte oder sie waren gerade damit beschäftigt, etwas zu reparieren. Ein Schiff von diesen Dimensionen mit einer Crew von vier instandzuhalten musste eine wahre Herkulesaufgabe sein, höchstwahrscheinlich war die Vela für eine wesentlich größere Besatzung ausgelegt. Nur leisteten sich heutzutage bloß noch große Firmen auch große Besatzungen, unabhängige Frachtleute sahen die Sache meist bedeutend lockerer und taten, was man tun musste, damit man nicht vom Himmel fiel.
Nani fröstelte leicht in ihrem Top, als sie um eine weitere der unzähligen Ecken bog. Sie verfluchte sich dafür, ihre Jacke in der Kabine liegengelassen zu haben, aber immerhin war anzunehmen, in der Küche herrschten wesentlich wärmere Temperaturen. Prüfend sah sie kurz auf die in abblätternder, schwarzer Farbe aufgemalten Nummern an der Wand, anhand derer sie sich Bord orientieren konnte, bevor sie zufrieden weiterging. „Level #7, Block #2, Steuerbord“, hier müsste es sein, wenn Susan ihr keinen Unsinn verzapft hatte. Tatsächlich konnte sie nun am Ende des kurzen Ganges ein offenes Schott ausmachen, aus dem Licht drang. Stimmengewirr wurde vernehmbar, Nanis Appetit wurde von dem Geruch nach Curry und Basmatireis mit gebratener Banane geweckt, also beschleunigte sie ihr Tempo.
Als Nani in die geräumige, spartanisch eingerichtete Wohnküche trat, zählte sie zu ihrem Erstaunen ganze sieben Leute. „Hey, ich hatte ja gar keine Ahnung, wie viele Passagiere noch mit eurem Luxuskreuzer reisen!“, rief sie gutgelaunt aus. Mit fremden Leuten kam sie problemlos klar, wirkte stets locker, ja fügte sich in fast allen Kreisen ein. Ein kleiner Teil von ihr war, bis sie ihr Umfeld einschätzen konnte, stets bereit zum Kampf, jedoch hatte sie dies im Laufe der Jahre perfekt zu kaschieren gelernt; nicht, dass sie hier jemanden für eine Bedrohung hielt. Marcus winkte sie zu der Gruppe an den großen, runden Holztisch, er grinste übers ganze Gesicht, vermutlich hatte er schon einige Gläser von dem Rotwein intus, auf der Tafel standen bereits zwei leere Flaschen. „Komm her, setz dich zu uns, schöpf dir, was auch immer du willst.“
Dankend machte Nani es sich bequem und schnappte den Schöpflöffel, während Marcus sich bereits darum kümmerte, sie mit den Fremden bekanntzumachen. „Also Leute, die Rothaarige hier mit der hellen Haut ist Nani, wahrscheinlich eine Gaunerin, die es niemals zugeben würde.“ Auf einen großen, dunkelhäutigen Mann gestikulierend, den sie bereits in der Bar am Tisch gesehen hatte, fuhr er fort. „Der schlaksige Kerl ist Tosh, unser Pilot, der weniger Arbeit leistet als der Autopilot und sich trotzdem schamlos über seinen Sold beschwert. Der ganze Rest der Crew ist dieser irische Wandschrank von einem Kerl, der auf den Namen Ramon hört, Susan kennst du ja bereits.“ Ramon hob eine Pranke, um Nani zu grüßen. Sie erwiderte die Geste, ohne ihre Gabel aus der Hand zu legen. Vertraulich, wenn auch für alle vernehmbar, flüsterte Marcus: „Offiziell ist er der Erste Maat, in Wirklichkeit ist er eher sowas wie das Faktotum.“
Ramon boxte seinem Captain in den Oberarm, was dieser mit einigen deftigen Flüchen quittierte. „Verdammte Scheiße, Mann, kontrollier gefälligst deine Kraft, ja? Nicht jeder hier hat die Statur eines Bären!“
Zwischen zwei Bissen brachte Nani einige Floskeln hervor. Nachdem sie endlich den Reis hinuntergeschluckt hatte, wandte sie sich dem Rest der Runde zu: „Und ihr seid wohl auch Anhalter?“
Ein junger, koreanischstämmiger Mann in punkigem Outfit, den Nani trotz des Altersunterschieds attraktiv fand, nickte eifrig. „Ich bin Se-Jin, Computerspezialist. Die beiden hier, die wenn sie gerade kein Essen im Mund haben, fast nicht voneinander lassen können, sind Kate-Lynn und Jafari, offensichtlich frisch verheiratet.“
„Spar dir das verschmitzte Getue“, murrte Jafari, der neben seiner zierlichen Ehefrau wie eine Bohnenstange aussah. „Ich könnte dich aufheben und durchs halbe Schiff werfen, ich war früher professioneller Gravitationsball-Spieler!“
Nani verbot sich einen amüsierten Kommentar zu dem sportlichen Trikot, das der Lange zu seiner Jeans trug und das seine Vergangenheit nahelegte.
„Ach ja, nur damit du es weißt, Kate-Lynn schreibt sich mit Bindestrich“, ergänzte die kleine, offenbar angetrunkene Frau im Blumenkleid, als sie ihren von einer braunen Lockenpracht bedeckten Kopf an die Schulter ihres Gefährten lehnte. „Das schreiben ständig alle falsch.“
Nani verkniff sich ihre Reaktion, es gelang ihr tatsächlich, eine ernsthafte Miene bei der Sache zu behalten. Natürlich hätte sie sich gerne vorgemacht, dass sie ihr Gelächter nur aus Höflichkeit unterdrückte, doch die Wahrheit war bedeutend pragmatischer: Sie wollte sich nicht an der gebratenen Banane verschlucken.
„Also, jetzt da wir alle einander kennen, können wir uns die Euphemismen sparen“, kommentierte Se-Jin trocken, deutete erst auf Nani und spekulierte „Berufsverbrecherin“, dann auf sich, „Hacker“ und zuletzt auf die Verliebten, „offensichtlich alles andere als reich.“
„Hey“, protestierte Kate-Lynn, brach aber sogleich in unkontrolliertes Kichern aus. „Na ja, der Cyborg-Punk hat Recht.“
„Dafür sind deine Locken so wunderbar süß“, flötete Jafari, mit ihrem Haar spielend. Nani verlor endgültig die Zurückhaltung, verschluckte sich, hustete unkontrolliert und griff nach ihrem Wasserglas. Noch während Susan „Geht’s?“ fragte, beschwerte sich Se-Jin nur halb im Scherz: „Ich bin kein Cyborg, weißt du, was bioelektronische Implantate kosten? Außerdem sind die meisten Cyborgs richtig selbstabsorbierte Freaks ohne Bezug zur Realität, die sich eher mit einem Computer als einem Menschen anfreunden. Das wäre mir zu anstrengend.“
Nani, die sich eben erst beruhigt hatte, grölte gleich wieder los, brauchte diesmal mehrere Sekunden, bevor sie zu Atem kam. Auf die fragenden Blicke der Glücksritter der Tafelrunde erklärte sie schließlich mit puterrotem Kopf: „Ich treffe mich auf Deru mit einer Kollegin, die ein Cyborg ist und du hättest sie kaum besser beschreiben können!“
„Ich fasse es nicht“, murmelte Se-Jin auf Nani deutend. „Dieses Badass von einer Kampfgöre kann tatsächlich richtig Party machen.“
„Bevor wir jetzt hier über die Bots ablästern, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, einen Toast anzubringen“, unterbrach Marcus das Geplänkel und hob sein Weinglas. „Mögen wir jeden Tag