Promise. Sarah L. R. Schneiter
dem Schiff verteilt auf dem Boden, ähnlich wie überdimensionierte liegengelassene Bauklötzchen eines Kindes, das sich vor dem Aufräumen drückte. Die Geräusche von der mit der nachlassenden Hitze wieder belebter werdenden Straße drangen nur gedämpft über die Mauer, ab und an war ein lauter Ruf zu vernehmen. Eine einzelne Eidechse huschte über das Landefeld, wahrscheinlich hatten die Schritte der Schmugglerin sie aufgescheucht. Natala blieb ungefähr zwanzig Meter vor der Promise stehen, warf die Tasche vor sich auf den Boden und rief: „Ich habe dein Geld, Nate.“
Einige Sekunden tat sich nichts, bis ein hydraulisches Zischen und Summen erklang, als die Rampe sich öffnete. Nate stand mit einem seiner Leute oben im Frachtraum und sah auf Natala hinunter. „Bring das Geld hoch“, befahl er in die Stille.
Natala lachte heiser. Sie kannte solche Spiele zur Genüge und wusste, sie musste Härte zeigen. „Erst will ich meine Leute sehen, bring sie runter.“
Nate flüsterte seinem Handlanger etwas zu, der daraufhin im Innern der Promise verschwand, Nach nahezu einer Minute kehrte er mit Sven zurück, dessen Hände auf den Rücken gefesselt waren. Der Mechaniker wirkte weniger versehrt als Dan, offensichtlich hatte man ihn weniger verprügelt, doch auch er trug einige blaue Flecken im Gesicht. Aus Erfahrung wusste Natala, wie heikel solche Deals mit jemandem, dem man nicht trauen konnte, waren. Man musste die Oberhand behalten und wenn einem dies misslang, sich zumindest einen nützlichen Vorteil sichern. Dabei durfte man unter keinen Umständen zu weit gehen, denn der kleinste Fehler entschied über Leben oder Tod, es kam ihr vor wie ein Tanz auf heißen Kohlen. Trotz ihrer Anspannung versuchte sie ruhig zu wirken, denn nun käme es darauf an, ob sie die Lage kontrollieren konnte.
Nate trat einen Schritt nach vorn, wobei er Sven am Arm hielt, um ihn mitzuziehen. „Okay, ich bringe ihn, du das Geld, wir treffen uns in der Mitte. Stimmt die Bezahlung, kommen meine Leute mit dem anderen Typen raus. Dann könnt ihr von hier verschwinden und wir auch, alle sind zufrieden.“
Natala tat kurz so, als dachte sie darüber nach. Insgeheim freute sie sich über das Angebot, da Nate so von der Promise wegtreten musste, was ihrer Crew einen Vorteil verschaffte, aber das durfte sie ihm nicht zeigen, um keinen Verdacht zu erregen. Schließlich rief sie zurück: „Okay, los geht’s.“
Sie tat bedächtig Schritt für Schritt auf die Promise zu, während Nate genauso schleichend die Rampe hinunterging. Sie wollte möglichst langsam sein, um ihren Leuten die Zeit zu verschaffen, die sie brauchten. Nach etwa einer halben Minute waren sie bloß noch einen Meter voneinander entfernt und blieben stehen.
„Erst wenn du Sven losmachst und er zu mir tritt, kriegst du die Tasche“, erklärte Natala entschieden. Die Spannung war so stark, dass Natala das Gefühl hatte, sie wäre etwas Substantielles, das zwischen ihnen in der Luft lag.
„Egal, wo du deine Leute versteckt hast, ihr seid in der Unterzahl“, spottete der Gangster. Nach einem kurzen Schweigen, bei dem seine Mundwinkel kaum merklich zuckten, fügte er hinzu: „Probiert keine krummen Touren.“
„Würde mir niemals einfallen.“ Natala verzog keine Miene. „Los, bringen wir’s hinter uns.“
Mittlerweile war sie ganz sicher; Nate plante, sie alle umzubringen. Sie hatte schon mit ihm Geschäfte gemacht und kannte das Zucken in seinem Gesicht, das nichts Gutes zu bedeuten hatte. Er zog seinen Blaster, ehe er mit der anderen Hand Sven losmachte. Dieser wirkte ziemlich gefasst; Natala wusste, der Mechaniker hatte bereits vor seiner Zeit auf der Promise das eine oder andere Abenteuer erlebt und konnte auf sich aufpassen. Sie machte sich eher Sorgen um Dan, der zwar ein ausgezeichneter Pilot, in einem Kampf dagegen eindeutig unterlegen war. Er stammte nicht aus ihrer Welt der Gauner und Halunken, war eher durch Zufall auf der Promise gelandet. Nun war es nicht an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ermahnte sie sich, denn eben blaffte Nate: „Okay, er kann gehen, her mit dem Geld.“
Als Sven die paar Schritte auf Natala zuging, hob sie die schwere Tasche auf und warf sie dem Gauner zu. Nate fing sie auf und sah hinein, als Sven Natala zuraunte: „Was ist der Plan?“
„Wirst du gleich sehen“, gab sie genauso leise zurück, bevor sie sich an Nate wandte und laut fragte: „Na, zufrieden?“
Er zählte eben die letzten Chips. „Ja, ist alles da. Woher habt ihr das so schnell herbekommen?“
„Das geht dich einen feuchten Scheiß an, du hast was du willst. Jetzt hol deine Speichellecker aus meinem Schiff.“
Nate hob lachend den Blaster. „Träum weiter, Mastow, dies ist das Ende deiner Reise.“
Nani und Anaata huschten geduckt über den Landeplatz um sich von hinten an die Promise anzuschleichen. So blieben sie außer Sichtweite der Fenster, man könnte sie höchstens auf den Bildern der Heckkameras erkennen. Sie hatten sich zwar zuvor mit dem Fernglas vergewissert, dass niemand auf der Brücke war, trotzdem versuchten sie so rasch als möglich unters Schiff zu gelangen, da es im unteren Geschoß kaum Fenster hatte und sie auf keinen Fall entdeckt werden durften, wenn ihr Plan aufgehen sollte. Zuerst hatten sie geplant, hinter Nate die Rampe hochzukriechen, doch nach einigem Überlegen war Nani auf eine bessere Idee gekommen: Es gab zwar keinen Eingang auf der Unterseite der Promise, dafür eine Abdeckplatte, die man leicht entfernen konnte, da sie einen Notausgang verdeckte. Die beiden krochen darunter, Nani zog einen handlichen Schrauber aus der Tasche und setzte ihn an der Platte an. Ohne ein Geräusch zu machen löste sie die Verriegelung des Notausganges, bis sich mit einem leisen Zischen der Zugang öffnete. Sie wandte sich Anaata zu: „Na, bist du nervös?“
„Nein, gelangweilt“, beschwerte sich die Diebin. „Wann gibt es endlich Action hier?“ Ohne weiter zu warten kletterte sie in den dunklen Schacht, der ins Innere des alten Frachters führte.
„Sowas wie eine Geduldsspanne existiert bei dir quasi nicht, oder?“ Nani verschloss mit einem resignierten Seufzen den Zugang von innen, falls sie schnell abheben müssten, wäre ein offener Notausgang ein gewaltiges Problem. Einzig das grünlichgelbe Glimmen einer fast ausgebrannten organischen Glühlampe erleuchtete den kurzen, engen Schacht, in dem es nach abgestandener Luft roch. Bald waren sie die Sprossen hochgeklettert und langte bei dem Zugang zum Flitzer-Hangar an. Nani war angespannt und glaubte für einige Sekunden, ihren eigenen Puls hören zu können, aber wie immer, wenn Gefahr herrschte, fühlte sie sich gleichzeitig lebendiger als sonst. Als Kind aus einer Bürokratenfamilie hatte sie, anders als Natala und Stanley, das Dasein als Abenteurerin aus freien Stücken gewählt und nicht, weil sie das Geld unbedingt brauchte. Sie lebte für den Kick, die Spannung, für den Augenblick, in dem sich alles entschied.
Gleich hinter dem Frachtraum und unter dem Aufenthaltsbereich lag ein kleiner Hangar, in dem ein alter, olivgrüner Flitzer abgestellt war, den sie manchmal benutzten, wenn sie auf einem Planeten unterwegs waren. Eben kletterten die beiden Kameradinnen aus dem Schacht, der in der vom Flitzer verdeckten Wand endete. Nani zog den Blaster und hielt ihn bereit, wenn auch niemand außer ihnen im Hangar war.
Anaata trat zu einem Interface, einer kleinen in der Wand eingelassenen Glasplatte, über welche sie Befehle an das Schiff eintippen konnte, während Nani weiterhin den Hangar sicherte. Die Diebin tippte kurz auf dem Terminal, über dem nun Hologramme angezeigt wurden, bis sie gefunden hatte, wonach sie suchte. „Laut dem Lebensformen-Scan sind außer uns vier Menschen an Bord, alle im Wohnbereich. Also müssen drei andere Dan da festhalten.“
„Okay, wir gehen durch den Maschinenraum hoch und schleichen uns von hinten an. So haben wir ein besseres Überraschungsmoment.“
Möglichst leise traten sie auf den Gang, der durchs untere Geschoß führte, ehe sie nach achtern zum Maschinenraum huschten. Dieser war so breit wie das ganze Schiff und über zwei Stockwerke verteilt. In der Mitte war eine schmale Treppe mit den üblichen rostigen Gitterstufen, über die man ins Obergeschoss gelangte. Die Hitze der Geräte machte Nani zu schaffen, die in der gedämpften Beleuchtung nicht allzu viel sehen konnte, der Fusionsgenerator summte unangenehm und es roch nach Öl. „Wie kann es Sven hier gefallen?“, wunderte sich Nani leise.
„Er mag halt das Schiff, all die Maschinen hier sind irgendwie seine Essenz“, sinnierte Anaata, als sie oben anlangten, nur um sogleich wieder sachlich zu werden. „Ist es okay, wenn