Der Zirkel. Nellie Schatz

Der Zirkel - Nellie Schatz


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Frau Vandenberg.“ sagt er und gibt auch mir seine kühle Hand.

      „Komm, Nathalie. Wenn ich dir alles gezeigt habe, ist es Zeit zum Abendessen.“

      „Wie immer um 19 Uhr.“ sagt Robert.

      „Vielen Dank. Ich zeige meiner Frau jetzt ihr Zuhause.“ Gregor ist ganz aufgeregt. Und ich auch. So, wie ich das sehe, werde ich einen Kompass brauchen, um wenigstens das Wohnzimmer wieder zu finden. Das fängt ja gut an.

      Von dem Foyer aus (Flur kann man es wirklich nicht nennen) gehen alle unteren Räume ab. Das Foyer wird dominiert von einem riesigen, modernen Leuchter, der den Blick auf sich zieht. Ein hellroter Steinboden, hochglänzend, vermittelt ein wenig Wärme in diesem modern eingerichteten Haus. Auf Familienerbstücke scheint man nicht viel Wert zu legen. Keine Antiquitäten, wie ich es eigentlich erwartet hatte.

      „Nein. Es gibt keine Antiquitäten.“ sagt Gregor, als ich ihn darauf anspreche. „Es ist einmal ausgebrannt. Da richtete es mein Vater mit Art-Deco Möbeln ein.“

      Geradlinig und elegant. Keine Schnörkel, schwarz und weiß die dominierenden Farben. Kühl. Nicht wohnlich, lautet mein vernichtendes Urteil, das ich natürlich nicht laut äußere. Wenn sein Vater das Haus neu eingerichtet hat und es immer wieder mit neuen Möbeln ergänzt wurde, war hier keine Frau am Werk. Nicht eine. Es gibt absolut nichts verspieltes, sogar die Gemälde an der Wand sind abstrakt. Ich stöhne innerlich. Hier kann ich mich nur wohl fühlen, wenn Gregor da ist, der mir Wärme gibt. Und hier werde ich meinen Tag verbringen. Du meine Güte! Ich werde mir ein Hobby suchen müssen, irgendetwas Kuscheliges vielleicht. Ein Pferd. Oder einen Hund. Er durchschreitet mit mir alle unteren Räume. Es gibt sogar eine Bibliothek. Da ist der Blick auf die Bücher auch durch nichts verstellt. Der Raum ist noch schlichter als der riesige Wohnraum. Aber es gibt hier einen schönen, antiken Teppich mit einem interessanten Muster. Hier gibt es auch ein Büro, und zwar das von Herrn Zorn. Glas und Chrom, ein Laptop. Ansonsten nur Schränke in schwarzem Klavierlack, die geschlossen sind. Eine einsame Topfpflanze zieht den Blick an. Dann zeigt er mir die Sicherheitszentrale, wo ständig 2 Personen die Monitore beobachten, die die Flure im Blick haben, die Außenanlagen. Er stellt mich vor und diese Männer sind genauso zurückhaltend wie Herr Zorn. Und sie sehen auch ähnlich aus. Dunkle Anzüge. Wie in einem Agentenfilm, denke ich.

      „In jedem Raum gibt es einen Alarmknopf. Du brauchst ihn im Notfall nur zu drücken und man kümmert sich um dich.“ sagt Gregor erklärend.

      „Wie soll ich denn sagen, wo ich überhaupt bin?“ frage ich verständnislos. Würde er jetzt gehen, fände ich wahrscheinlich nicht einmal mehr zurück in die Halle.

      „Sie sehen es. Keine Angst.“

      Was mir Angst macht, ist das Riesige an diesem Haus. ich werde hier alleine sein. Freunde habe ich nicht mehr. Ich durfte niemandem von Gregor erzählen und mein großer Freundeskreis lichtete sich zusehends, bis niemand mehr übrig war.

      Das wird ja reizend, denke ich. Ich werde mich wahrscheinlich mit den Damen der Gesellschaft treffen, auf einen Tee, den Robert serviert, nachdem sie ausgiebig über seine Rückseite diskutiert haben. Ich weiß, wie Frauen sind. Und das zieht sich durch alle Schichten, unabhängig davon, wie dick das Bankkonto ist.

      „Wir sollten eine Assistentin für dich einstellen. Dann bist du nicht so alleine.“ sagt Gregor verständnisvoll, als wir wieder durch den langen Flur gehen.

      „Eine Assistentin? Wofür?“

      „Du wirst gesellschaftliche Verpflichtungen haben. Such dir etwas wohltätiges, was du tun kannst. Ich habe dir in deinen Büro schon eine Liste hingelegt.“

      „Wo?“

      „In Deinen neuen Büro. Es liegt neben Roberts Büro. Ich dachte, dann käme eine Atmosphäre auf, die dir bekannt vorkommt. Ein kleiner Plausch auf dem Flur.“ grinst er. Ein Plausch mit Zorn. Genau. Er sieht auch so aus, als wäre er unglaublich mitteilsam!

      „Das ist sehr nett von Dir, Gregor.“ sage ich artig. Das ist vielleicht keine schlechte Idee. Dann hätte ich eine Beschäftigung. Lieber würde ich etwas für ihn tun. In der Firma Vandenberg. Aber wenn er es so wünscht…

      „Dann zeige ich dir jetzt die oberen Räume. Da sind wir alleine.“

      „Das kann ich ja kaum glauben. Wo wohnt denn Herr Zorn?“

      „Im Gästehaus. Ich habe sowieso nie Übernachtungsgäste.“

      Eine riesige geschwungene Treppe führt nach oben. Vorbei die Zeiten, als ich aus dem Bett springen konnte, mit nichts am Leib als Gregors Hemd und mich an den liebevoll gedeckten Frühstückstisch setzen konnte. Vielleicht in meiner alten Wohnung. Die haben wir nämlich behalten als Erinnerung. Oder in Gregors Stadtwohnung.

      Gott sei Dank ist Gregors Schlafzimmer gemütlicher als der Rest des Hauses. Gedeckte Farben herrschen hier vor. Erdige Töne, braun und grün. Hier kann ich mich wohl fühlen.

      „Robert bringt mir morgens eine Tasse Tee ans Bett. Stört dich das?“ fragt er. „Ich liege dann hier und lese die Zeitung.“

      „Wozu brauchst du dann eine Frau?“

      „Es gibt Bedürfnisse, die kann er mir nicht erfüllen.“ grinst er anzüglich.

      „Aber ich kann das? Vielleicht hast du auch Bedürfnisse, von denen du nichts ahnst?“

      „Das sollten wir testen. Jetzt sofort.“

      Nach drei Monaten befinde ich mich nicht mehr im Wolkenkuckuckheim. Wenn mir das Personal nicht unverschämt begegnet, ignoriert es mich. Der einzige, der auf meiner Seite ist, ist Charly. Er ist Frau Römer über den Mund gefahren, als ich mitbekam, wie sie sich darüber beschwerte, dass jetzt hier eine rothaarige Schlampe eingezogen ist, die den ganzen Verkehr aufhält. Ja. Es war auch sehr bequem die letzten Monate, als Gregor nicht hier war. So eine Frechheit, denke ich. Robert hat es auch gehört, es war eigentlich nicht zu überhören, so wie sie in der Küche gekeift hat. Robert hat sich nichts anmerken lassen. Aber ein paar Tage später beschwert sich Frau Römer über die Abmahnung, die sie von Robert bekommen hat bei Gregor. Es war nämlich nicht das erste Mal.

      Gregor ist empört darüber, dass sie ihn mit so etwas belästigt. Er ist viel zu vornehm und zu beschäftigt, um sich mit solchen Dingen abzugeben. Ich gebe mich mit wohltätigen Dingen ab. Ich habe mir die Liste angesehen und arbeite für den örtlichen Tierschutzverein. Meine Ausbildung als Anwältin kommt mir dabei sehr zugute. Gregor hat mir ein Budget für solche Aufgaben zur Verfügung gestellt. Als erstes lasse ich das örtliche Tierheim renovieren und ein nach neuesten Erkenntnissen gebautes Katzenhaus anfügen. Und ich habe einen alten Hund adoptiert. Eine riesige Dogge, die eigentlich nur noch faul herumschleicht. Frau Römer ist fast in Ohnmacht gefallen, als sie realisierte, wie viel ein so großer Hund fressen kann. Und dann hat das Vieh auch noch sein Herz für Robert Zorn entdeckt und verbringt viel Zeit mit ihm in seinem Büro. Ich habe Zorn zum ersten Mal lächeln gesehen, als der Hund sich zu seinen Füßen niederließ. Sie sind sich sympathisch, Otto und Herr Zorn. Er nimmt ihn sogar abends mit in seine Wohnung, weil Otto keine Treppen steigen kann. Erst war ich erbost darüber, bis ich mitbekommen habe, wie sich Herr Zorn liebevoll mit dem Hund unterhielt. Ich glaube, ich habe beiden einen Gefallen getan. Otto wollte niemand haben, weil er schon so alt ist. Aber hier ist er wieder ein bisschen aufgeblüht und trägt stolz den Ball herum, den ihm Herr Zorn gekauft hat. Ich brauche auch nicht mit ihm Gassi zu gehen. Das dauert lange, weil er so langsam schleicht. Aber Herr Zorn scheint froh zu sein, abends eine Runde mit ihm zu drehen. Manchmal gehe ich mit. Hinter unserem Haus beginnt gleich der Wald. Otto braucht noch nicht einmal ein Halsband. Der kann nicht weglaufen und hält sich immer dicht an seinem neuen Beschützer. Wir schweigen auf diesen Spaziergängen alle drei.

      Gregor hat sich verändert. Er arbeitet jetzt wieder soviel, wie er es getan hat, als er mich noch nicht kannte. Zweimal pro Woche übernachtet er in dem Appartement. ich bin dann ganz alleine im Haus. Ich und die Sicherheitsleute. Ich darf die Schlafzimmertür abschließen,


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