Der Zirkel. Nellie Schatz

Der Zirkel - Nellie Schatz


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er zieht sich nicht nur sein Jackett aus, sondern auch noch sein Hemd. Frau Römer fallen fast die Augen heraus. Ich erlebe gerade etwas sehr wichtiges. Mein Mann ist für mich da. Er hat verstanden, dass mir das hier viel bedeutet. Er hat es verstanden. Robert reicht ihm ungläubig den Spaten und Gregor fängt an zu graben. Ich stehe dabei und sehe, wie er vor Schmerz das Gesicht verzieht. Hätte er sich am Montag nicht schlagen lassen, wäre das jetzt nicht so, denke ich schadenfroh. Frau Römer geht zögernd zurück ins Haus. Als sie wieder heraus kommt, hat sie mit der Vorarbeiterin den Hund samt Kissen auf die Transportkarre gewuchtet, mit der sie sonst die Getränkekisten transportiert. Sie hat ihn mit einer alten Decke zugedeckt. Jetzt weint sie sogar, die falsche Kuh. Die Hälfte hat Gregor schon geschafft. Aber es ist noch nicht tief genug. Ihm tropft der Schweiß auf die Schuhe. Also übernimmt Robert wieder und buddelt den Rest. Dann legen sie beide, Gregor und Robert, den Hund vorsichtig hinein. Der Gärtner, der ungläubig dabei gestanden hat, schaufelt das Loch wieder zu. Es hat bestimmt 2 Stunden gedauert, bis der Rasen darüber wieder festgetreten ist. Ich gehe langsam hinein. Ich stelle mich oben unter die Dusche, um meine dreckigen Füße von der Gartenerde zu befreien. Ich sehe aus wie ein Ferkel. Ich habe sogar Erde im Gesicht, stelle ich auf dem Weg ins Bad fest, als ich an dem großen Spiegel im Schlafzimmer vorbei komme.

      „Es tut mir leid, das mit dem Hund.“ sagt Gregor, als ich wieder hinaus komme. Ich habe mich in ein großes Handtuch gewickelt. Er sieht mich bittend an.

      „Schon gut, Gregor.“

      „Ich wusste nicht, dass er dir soviel bedeutet. Ich weiß überhaupt nicht viel von dir.“

      „Nein. Du dachtest, wir haben einen Deal. Ich spiele deine Frau für eine Firmenbeteiligung. Dass du dich nicht schämst.“

      „Aber so läuft es, Nathalie.“ sagt er hilflos.

      „So läuft es, ja? Wo? In deiner Welt, in meiner nicht. In meiner kleinen Welt heiratet man, weil man sich liebt. Du hast bestimmt schon davon gehört. In Filmen sieht man das manchmal.“ sage ich müde. Er hat es doch nicht verstanden. Er steht noch so da, wie er im Garten gegraben hat. Seine Hose ist mit Erde bedeckt und seine Schuhe hat er unten ausgezogen.

      „Du liebst mich also?“

      „Ich hätte den Spaten mitnehmen sollen. Ich hätte wirklich Lust, ihn dir über den Schädel zu ziehen.“ murmele ich und ziehe mir frische Unterwäsche an. „Ich dachte, du liebtest mich. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.“

      „Aber das tue ich, Nathalie.“

      „Ja. Genau. Und deswegen gehst du zu Nutten.“

      „Wie hätte ich dir das sagen können?“

      „Indem du den Mund aufmachst, Gregor.“

      „Und du hättest das für mich getan?“

      „Vielleicht. Jetzt nicht mehr. Geh, fahr wieder in deine Wohnung. Ich bin ja hier nur schmückendes Beiwerk. So wie Robert. Inventar.“

      Ich ziehe mir ein neues Kleid über dem Kopf. „Warum hast du mich gewählt? Wegen meiner Haarfarbe?“

      „Auch. Und wegen deines Blickes. Und deiner Stimme und deiner Art, wie du mich zum Lachen bringst.“ sagt er unsicher.

      „ Das ist nicht besonders viel, Gregor.“

      „Was liebst du denn an mir?“

      „Im Moment äußerst wenig.“

      „Ich habe das Loch für deinen Hund geschaufelt.“

      „Toll. Wahrscheinlich hast du zum ersten Mal in deinem Leben etwas selbst getan.“

      „Du machst mir meinen Reichtum zum Vorwurf, ja?“

      „Nein. Deine Ignoranz. Du ignorierst mich. Du weißt überhaupt nicht, was in mir vorgeht. Interessiert es dich, wer das weiß? Robert und Charly. Alle anderen halten mich für eine Nutte. Woher das wohl kommt, Gregor?“

      „Ich habe dich völlig falsch eingeschätzt, Nathalie.“ sagt er niedergeschlagen.

      „Ich dich auch, Gregor. Da haben wir doch einmal eine Gemeinsamkeit. Ich gehe jetzt essen.“

      Ich hole mir meinen Teller in der Küche und bekomme von Frau Römer zum ersten Mal etwas wie ein Lächeln. Dann setzte ich mich auf den Rasen, neben die Stelle, unter der jetzt Otto liegt. Er war der einzige, der hier glücklich war. Vielleicht sollte ich noch mehr Hunden diese Chance geben. Dann hätte mein Leben wenigstens ansatzweise einen Sinn.

      „Wollen wir mal ins Tierheim fahren?“ sagt Gregor und nimmt mir den leeren Teller vom Schoß.

      „Das ist noch zu früh. Man kann ihn nicht einfach ersetzen, Gregor. Es war Roberts und mein Hund.“

      „Roberts und dein Hund. So. Ich bin quasi gar nicht vorhanden.“

      „Doch, Schatz. Auf jeder Filmpremiere oder Preisverleihung. Du machst dich gut an meinem Arm.“

      „Ich kenne dich gar nicht, Nathalie.“

      „Das ist auch nicht nötig. Robert betrachtet mich als deine persönliche Angelegenheit und kümmert sich um meine Belange.“

      „Was erwartest du von mir, Nathalie?“

      „Dass du so bist, wie ich dich kenne. Du bist mir so fremd. Du bist so abweisend. Gleichgültig und kalt. Warum bist du so zu mir? Habe ich etwas falsch gemacht?“

      „Es liegt nicht an dir.“

      „Woran liegt es dann?“

      „An den Medikamenten gegen meine Depressionen, Nathalie. Es tut mir leid.“

      Er hat die Hände in den Hosentaschen vergraben und sieht mich an wie ein Dackel.

      Seine braunen Augen blicken traurig und ich bin versucht, ihn hinter den Ohren zu kraulen.

      Er hat Depressionen. Und er hielt es nicht für nötig, mir das mitzuteilen. Ein wundervoller Ehemann und Partner.

      „Leider kann ich dir bei Depressionen nicht helfen. Ich bin kein Arzt. Du hättest es mir sagen können. Lass mich jetzt alleine, Gregor. Ruf mal deinen Anwalt an, er soll die Beteiligung rückgängig machen. Und dann gebe eine Presseerklärung heraus. Die Goldgräberin verzichtet auf das Geld. Vielleicht begegnet man mir dann mit etwas Achtung. Vielleicht kannst du es dann auch.“

      „Ist das wirklich dein Wunsch, Nathalie? Weißt du, wie hoch die Erbschaftssteuer wird, wenn ich sterbe?“ Ich sehe ihn an. Er hat wirklich nicht alle Tassen im Schrank.

      „Weißt du, wie teuer das wird, wenn ich mich scheiden lasse? Wir haben keinen Ehevertrag. Wie kann man so dumm sein? Da war wohl ein Schlag mit dem Rohrstöckchen zuviel?“

      „Du verachtest mich dafür.“

      „Nein. Ich verachte mich dafür.“ ich stehe auf. „So dämlich bin ich noch nie im Leben gewesen. Ich bin auch noch freudestrahlend auf eigenen Füßen in den goldenen Käfig gehüpft. So dumm muss man erst einmal sein, Gregor. Aber ich bin ja lernfähig. So, wie es jetzt läuft, geht es nicht weiter. Ich verplempere nicht mein Leben in diesem beschissenen, kalten Palast, um auf ein Zeichen deiner Zuneigung zu warten. Jeden Samstagabend.“

      Ich habe vollkommen die Beherrschung verloren. Jeder hier muss es gehört haben, so laut kreische ich.

      „Was hast du vor?“

      „Ich ziehe in meine alte Wohnung. Und wage es nicht, dort aufzukreuzen, mein Freund.“

      „Du drohst mir? Nein. Bleib ruhig hier. Ich gehe. Das muss ich mir nicht anhören.“

      „Ja. Tu das, was du immer tust. Lauf weg.“

      „Ich hasse dich.“ brüllt er. Seine sanften Dackelaugen sind von einer Kälte, die


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