Der Zirkel. Nellie Schatz

Der Zirkel - Nellie Schatz


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von einem fremden Mann bedienen zu lassen. Aber dann habe ich gemerkt, dass Robert zuerst die Decke korrekt über mir ausbreitet, bevor er die Vorhänge aufzieht. Sein Benehmen mir gegenüber ist makellos. Sogar Frau Römer ist jetzt etwas freundlicher. Wahrscheinlich hat ihr Robert den Kopf gewaschen. In aller Diskretion natürlich. Robert würde so etwas nie vor mir tun. Oder gar vor dem vornehmen Gregor. Dessen Verliebtheit scheint so plötzlich verschwunden, wie sie angeflogen gekommen war. Ich bin enttäuscht und verletzt. Er hört auf, mich tagsüber anzurufen. Unsere zärtlichen Liebesnächte beschränken sich im Sommer auf eine zärtliche Samstagnacht pro Woche und so schön wie früher ist es auch nicht mehr. Ich habe das Gefühl, er betrachtet es als eine Pflicht und nicht als ein Vergnügen.

      Irgendetwas an ihm hat sich verändert. Und ich habe mich verändert. Ich empfinde mich als überflüssig, mein Leben als recht sinnlos. Ich vermisse eine Arbeit. Aber Gregor kann nicht zulassen, dass Frau Vandenberg arbeitet. Zum Glück und zu meinem großen Erstaunen finden sich keine Damen der Gesellschaft bei mir ein. Ich stehe nicht hoch in ihrer Achtung. Eine zehn Jahre jüngere Frau, rothaarig und vollbusig, da hat man sich schon etwas anderes für diesen begehrten Junggesellen vorgestellt. Zumindest eine Prominente und nicht ein Niemand wie ich. Noch nicht einmal Geld habe ich. Alles, was ich habe, ist von Gregor. Wenn sie wüssten, dass mir die Hälfte von Gregors Unternehmen gehört, würden sie vor Neid platzen. Dabei lege ich gar keinen Wert darauf. Und ich bin sicher, wenn ich mir etwas zu Schulden kommen lasse, kann er mir das auch leicht wieder wegnehmen. Ich frage mich, was ich hier verloren habe. Falls er Kinder haben will, sollte er sich etwas mehr um mich bemühen. Das kann es also nicht sein. Wir haben noch nicht einmal darüber geredet. Gesellschaft kann es auch nicht sein, er kommt nämlich immer so spät nach Hause, dass wir uns kaum unterhalten und er ist schon eingeschlafen.

      Robert versucht, mich etwas zu beschäftigen. Ich kümmere mich um die Post, manchmal fahre ich mit ihm in die Stadt. Während er seine Erledigungen macht, kaufe ich mir all die nutzlosen Dinge, die eine Frau in meiner Position so braucht. Ich hasse das. Ich habe einen riesigen Schrank voller Kleider, einen Haufen Schmuck, bekomme all das, was ich mir wünsche. Die neuesten Bücher, die mir Robert mitbringt. Aber ich habe keine einzige Freundin. Niemand aus Gregors Freundeskreis will etwas mit mir zu tun haben. Ich frage mich, woran das liegen mag. Vielleicht hat er auch keinen. Ich finde leicht neue Freunde. Aber in dieser Gesellschaft nicht. Bis ich eines Tages, im August, glaube ich, ein Gespräch zwischen Frau Römer und der Vorarbeiterin der Putzfrauen mitbekomme. Ich bin ganz gut darin geworden, zu lauschen.

      „Wenn die Schlampe wüsste, wen sie sich da geangelt hat.“ sagt Frau Römer abfällig und stellt der Vorarbeiterin eine Tasse Kaffee hin. „Er hat es aber mit ihr noch nicht gemacht, oder?“„Es sieht nicht so aus. Ich frage mich, warum jeder das weiß, aber sie nicht. Scheint ein bisschen naiv zu sein, die Gute.“

      „Die ist nicht naiv. Sie ist Anwältin.“

      „Ob sie ihn verklagt, wenn er das zum ersten Mal mit ihr macht?“ lacht Frau Römer.

      „Sie küsst den Boden, auf dem er geht. Wahrscheinlich nicht mehr lange. Dann kann sie den Boden aufwischen, auf den ihr Blut getropft ist.“ Die Vorarbeiterin kriegt sich vor Lachen nicht mehr ein. „Ich werde es jedenfalls nicht tun.“

      „Du bist ja auch nicht sein Typ.“ sagt Frau Römer.

      „Carolin war auch sein Typ und mit ihr hat er es auch nicht gemacht.“

      „Die war ja auch zu blöd, sich alleine auszuziehen.“

      „Das kann die Rote aber ganz gut. Ich wette, Robert findet es sehr schön, ihr den Kaffee zu bringen, wenn sie im Pool ist. Robert steht auf Titten.“

      Ich höre ein Geräusch hinter mir. Als ich mich herumdrehe, steht da Robert, leichenblass. Er hat seinen Zeigefinger auf die Lippen gelegt. Ich soll nichts sagen.

      „Immer noch besser als auf blutende Striemen am Arsch.“ lacht Frau Römer.

      Robert verdreht die Augen und winkt mir, ihm zu folgen. Ich kann kaum gehen, so zittere ich. Er schiebt mich in sein Büro und schließt die Tür hinter uns. Otto öffnet ein verschlafenes Auge, um es sofort wieder zu schließen.

      „Was war das?“ frage ich scharf.

      „Für was halten Sie es denn?“ frage Robert zurück. Er ist immer noch blass. Und ärgerlich. Zum ersten Mal sehe ich eine solche Regung in seinem Gesicht.

      „Das war ein Exkurs über die sexuellen Vorlieben meines Mannes, nehme ich an.“

      Ich lasse mich auf den Besucherstuhl fallen, in dem ich in letzter Zeit oft gesessen habe und Briefe frankierte. Meine Hände sind eiskalt, obwohl es so furchtbar heiß draußen ist.

      „Was werden Sie nun tun?“

      „Wahrscheinlich werde ich nicht das Personal auswechseln, oder?“

      „Das wäre unklug.“ nickt er.

      „Mein Mann ist also dominant, ja? Ein Sadist, nehme ich an.“

      „Nein. Er ist nicht dominant.“ Robert wird rot. Er ist so diskret und jetzt muss er vorsichtig abwägen, was er mir sagen darf.

      „Sie sprachen über Blut.“ erinnere ich ihn.

      „Nicht über das Ihre, Frau Vandenberg.“

      „Über seins etwa?“

      „Frau Vandenberg. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Ich habe schon zuviel gesagt.“ er windet sich. In dem er mir sagte, mein Mann sei nicht dominant, ist er bereits aus der Rolle gefallen und hat nach seinem Verständnis sogar schon Geheimnisse ausgeplaudert.

      „Ich verstehe, Robert. Ich weiß es nicht von Ihnen. Wenn ich noch einmal lausche, erfahre ich vielleicht, worum es geht. Dabei wollte ich mir nur einen Kaffee holen.“

      „Warum überlassen Sie das nicht mir? Es gehört zu meinen Aufgaben.“

      „Ich habe selbst Füße.“

      „Leider haben Sie auch Ohren.“ grinst er.

      „Ja. Und Brüste. Die Ihnen ja scheinbar gut gefallen.“ sage ich unverschämt.

      „Ich verhalte mich Ihnen gegenüber absolut korrekt.“ sagt er und kling eingeschnappt. Robert klingt eingeschnappt. Dass ich das noch erleben darf.

      „Ich habe keinen Grund zur Klage. Ich wüsste auch gar nicht, wo ich mich beklagen sollte. Mein Mann ist ja nie da.“

      „Frau Vandenberg? Ihnen sind die Regeln dieser Gesellschaft nicht so besonders geläufig, oder? Die Damen akzeptieren es, wenn ihre Gatten ihre Bedürfnisse, sagen wir, woanders befriedigt bekommen. Verstehen Sie, was ich sagen will?“

      „Nutten sind in Ordnung. Darüber regt sich niemand auf. Sie sagen also, mein Mann geht zu Prostituierten? Wollen Sie das sagen?“ es rauscht in meinen Ohren.

      „Nein. Ich erklärte Ihnen nur die Regeln dieser Gesellschaft.“

      „Ich könnte dann meine Bedürfnisse auch anderweitig…?“

      „Er sollte gesellschaftlich schon unter Ihnen stehen. Und Sie sollten diskret sein.“

      „Dann haben Sie ja nichts zu befürchten, Robert. Ich betrachte Sie als gleichwertig.“

      Er lacht ein angenehmes Lachen. „Ich sprach nicht von mir. Das ist indiskutabel.“

      „Nein. Indiskutabel ist es, dass ich Prostituierte akzeptieren soll. Und als Ausgleich treibe ich es dann mit dem Gärtnergehilfen im Schuppen zwischen Rasenmäher und Gartenschlauch? Ist das wirklich Ihr Ernst?“

      „Ich habe die Regeln nicht gemacht.“ sagt er steif.

      „Was ist es denn, was sie ihm geben können? Warum kann ich das nicht?“

      „Es würde bestimmt nicht Ihren


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