Hans Fallada: Damals bei uns daheim – Band 187e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада

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bereits viele Male einen solchen Auftrag fehlerlos erledigt hatte, sah sie ihm nicht nach, wie es die menschenkundigen Schaffner auf der Elektrischen taten, sondern ließ sich, auf das Freiwerden eines Spiegels wartend, in ein Gespräch ein.

      Kammergerichtsrat Elbe seinerseits fand sich, ehe er zwei Schritte getan hatte, seinem Präsidenten gegenüber, der ihn ernst ermahnte, nach einem Aktenfaszikel, der unzweifelhaft in seinem Besitz sich befinden musste, genaue Ausschau zu halten. Wieder frei geworden, fand er sich auf dem Flur, einem Teller gegenüber, der mit Silber gefüllt war. Während seine Gedanken bei dem vermissten Akt weilten, den gelesen zu haben er sich wohl erinnerte, gelang ihm, was keinem noch so geschickten Dieb unter so vielen Augen gelungen wäre: er entleerte den Teller in seine Tasche, rasch und lautlos wie ein Traumwandler. Es war eine rein mechanische Handlung, ohne wesentlichen Anteil des Hirns – dieses Geld auf dem Flur hatte ihn dämmerhaft an anderes Geld auf einem anderen Flur erinnert, das er in seine Tasche zu tun hatte. So tat er's.

       Es war am Tage nach jenem Diner, dass Kammergerichtsrat Elbe verloren zu seiner Frau sagte: „Ich weiß nicht, meine Hosen sind so schwer ...“

      „Schwer?“ fragte sie. „Wie können sie schwer sein? Was wirst du wieder hineingesteckt haben? Neulich hattest du im Mantel deinen Briefbeschwerer!“

      „Den Briefbeschwerer –? Nein, der ist es nicht“, sagte er und steckte die Hand in die Tasche. Er brachte sie mit Münzen gefüllt hervor. „Es scheint Geld zu sein“, sagte er.

      „Geld? Wie kommst du zu Geld?! Bist du bei meinem Geld gewesen?“

      „Soviel ich weiß, nein. Das heißt, genau gesagt, ich erinnere mich dessen nicht, falls ich es gewesen sein sollte. Immerhin könnte es möglich sein ...“

      „Lass einmal sehen!“ Sie entleerte seine Taschen. „Es sind über hundert Mark. Nein, das kann nicht Geld von mir sein. Wie kommst du zu dem Geld, Franz, denke bitte nach.“

      Er rieb sich verlegen mit zwei Fingern das Kinn.

      „Ich fürchte, auch ein intensives Nachdenken von mir führt nicht zum Ziel. Im Gegenteil glaube ich mich zu entsinnen, schon seit einem längeren Zeitraum nicht mit Geld in Berührung gekommen zu sein.“ Er setzte nach einigem Nachdenken hinzu: „Um genau zu sein: außer mit meinem Fahrgeld.“

      „Mit welchem Fahrgeld?“

      „Mit dem Fahrgeld zum Gericht.“

      „Das Fahrgeld sind zwanzig Pfennig, und dies sind über hundert Mark. Das ist ein ungeheurer Unterschied!“

      „Ich sehe es ein, Liebe“, sagte er kummervoll. „Es war mir ja selbst aufgefallen, wie schwer meine Taschen waren. Beim Fahrgeld habe ich so etwas noch nie beobachtet.“

      „Hast du auf dem Gericht etwas ausbezahlt bekommen? Hast du der Juristischen Wochenschrift vielleicht einen Artikel geliefert? Bist du auf der Treppe dem Geldbriefträger begegnet? Hast du von einem Kollegen Geld bekommen?“

      Alle diese Fragen glaubte Herr Kammergerichtsrat Elbe, mit gewissen Einschränkungen, die sein juristisches Gewissen bedingte, verneinen zu können.

      „Nun, dann weiß ich auch nicht, woher das Geld kommt“, schloss Frau Elbe die Vernehmung. „Ich werde es vorläufig in Verwahrung nehmen. Gehört es jemandem anders, wird er sich ja melden.“

      Da aber Frau Elbe wenig Umgang mit Kollegenfrauen hatte, so erfuhr sie erst im Senatstee der nächsten Woche, was bei Siedelebens geschehen war. Sie wurde blass und rot bei dem Bericht, denn schon nach den ersten zwanzig Worten war ihr klar geworden, wer der Täter war, und sie begriff, dass die glücklicherweise nicht anwesende Frau Siedeleben gesonnen sein würde, ihrem Manne ernstliche Schwierigkeiten zu machen. Zuerst war sie entschlossen, niemandem, nicht einmal dem eigenen Mann etwas von der schlimmen Sache zu sagen, sondern das Geld unter einem fingierten Absender an Frau Siedeleben zu senden.

       Doch sah sie bald ein, dass dies unmöglich war. Einmal widerstrebte es ihrem freimütigen Wesen, zum anderen würde es das Gerede um das Zehnfache verstärken. Wenn dann auf ihren Mann geraten wurde, war er wirklich verloren.

      In dieser Bedrängnis wandte sich Frau Elbe an meine Mutter, die ihr wegen ihres sanften Wesens lieb war, obwohl die Zivilrechtlerin nicht eigentlich zum Verkehrskreis der Strafrechtlerin gehörte. Meine Mutter aber mochte in einer so wichtigen Sache nichts ohne den Rat meines Vaters sagen oder tun. Mein Vater hörte den Bericht ernst an. Ihm war die Ehre des Richterstandes eine wahre Herzenssache: ohne diese Ehre hätte er weder richten noch leben mögen. Kein Geschwätz durfte auch nur den Saum der Robe des Richters beschmutzen. Er konnte in einer solchen Sache nicht nach eigenem Gutdünken handeln, er setzte sich also mit seinem Senatspräsidenten in Verbindung. Dieser war der Ansicht, dass unbedingt der Vorsitzende des Elbeschen Zivilsenates gehört werden müsse. Der Vorsitzende des Zivilsenates setzte sich mit Herrn Kammergerichtsrat Siedeleben in Verbindung, der verblüfft sagte: „So hängt das zusammen! Daran hat natürlich kein Mensch gedacht! Ich bin froh, dass es sich so aufklärt, meine Frau freilich ...“

      Er versank in Nachdenken. Die Herren, zwischen ihnen die Rätin Elbe, betrachteten ihn mit Wohlwollen.

      „Schließlich“, sagte er, „habe ich den Betroffenen den Schaden aus meiner Privatkasse ersetzt, nicht völlig im Einverständnis mit meiner Frau. Sie sind in alle Winde zerstoben, die Mädchen haben andere Stellungen angenommen – am besten ist es vielleicht, wir lassen die Sache auf sich beruhen. Kollege Elbe ist ein verdienstvoller Mann ...“

      „Sie meinen ...“

      „Wenn ich Sie recht verstehe, Kollege Siedeleben ...“

      „Sie denken, auch Ihre Frau ...“

      „Richtig. Ich denke, auch meine Frau braucht nichts von der Aufklärung dieses Falles zu erfahren. Es könnte zu – Unfreundlichkeiten unter Kollegen führen. Außerdem behauptet sie, der erzwungene Dienstbotenwechsel sei ein Glückstreffer ersten Ranges gewesen. Sie hat da irgendeine Perle aus Ostpreußen gefunden ...“

      Alle lächelten, denn es war bekannt, dass die Siedelebenschen Perlen nur in den ersten Tagen glänzten, dann aber rasch ihren Schimmer verloren.

      „Also die Sache bleibt unter uns ...“

      „Und Kollege Elbe –?“

      „Was hat es für einen Zweck, ihm etwas zu sagen“, sagte Frau Elbe. „Er grämt sich nur darüber, und über dem Grämen gibt es neue Konfusion.“

      So geschah es, dass die Sache verschwiegen blieb, das heißt, soweit sie bei so vielen Mitwissern verschwiegen bleiben konnte. Zwei aber erfuhren bestimmt nie etwas von ihr: Frau Kammergerichtsrat Siedeleben und Herr Kammergerichtsrat Elbe.

       Wenn aber meine Mutter in der folgenden Zeit wieder einmal recht von oben herab durch die Kollegenfrau Siedeleben behandelt wurde, so dachte sie: ‚Wenn du wüsstest, was ich weiß – du würdest nicht so reden! Aber du weißt nichts, nichts, nichts‘!

      * * *

      Prügel

       Prügel

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      Ich habe schon erzählt, dass mein Vater gar nicht dafür war, seine Kinder zu schlagen. In diesem Punkt hielt er es mit den Homöopathen, kurierte Gleiches mit Gleichem, similia similibus, und konnte im ganzen recht zufrieden sein mit den Ergebnissen seiner Erziehungsmethode, lag es nun an der Methode oder an den Kindern. Aber einmal habe ich doch herzhafte Prügel von meinem alten Herrn bezogen, und dieses einmalige Erlebnis hat einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht, dass ich mich seiner in allen Einzelheiten heute noch erinnere.

      Ich werde damals zehn oder elf Jahre alt gewesen sein, und mein Busenfreund war zu der Zeit Hans Fötsch, der Sohn unseres Hausarztes. Wir beiden Hansen steckten, obwohl wir nicht die gleiche Schule besuchten, den ganzen Nachmittag zusammen, sehr zum Schaden unserer Schularbeiten, klebten aus Pappe und Buntpapier die schönsten Ritterrüstungen, fertigten auf Anregung des streng verbotenen Karl May den Kriegsschmuck von Indianerhäuptlingen an


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