Im Licht des Mondes. A. Cayden

Im Licht des Mondes - A. Cayden


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wie die Abgrenzung zu einem Sandkasten. Gerne hätte ich den Platz vor den vielen Kriegen gesehen. Voller Kinder mit ihren besorgten Eltern in farbenfrohen Kleidern unter strahlend blauem Himmel, die Luft erfüllt mit dem Lachen und Gesang fröhlicher Menschen. Ich drehe meinen Kopf nach links und sehe auf die Dächer und kahlen Wände der vielen Baracken. Hier und da sehe ich kleine Lichter brennen, das gesamte Dorf scheint noch nicht zu schlafen. Ich schließe meine Augen, doch ich traue mich nicht, mir etwas für mich zu wünschen. Das wäre egoistisch. Stattdessen wünsche ich mir, dass es meinen Eltern gut geht und blase die kleine Kerze aus. Die Sterne funkeln hell am Firmament und scheinen ihn zu umgarnen und zu umschmeicheln – den Mond, der thronend am Himmelszelt steht und majestätisch auf die Erde herabblickt. Keiner von ihnen ist allein. In Scharen leuchten sie miteinander um die Wette, doch kein einziger von ihnen, so besonders er auch ist, kann mit dem weiß schimmernden Mond mithalten, der schöner und heller erstrahlt als jeder andere von ihnen. Ich unterdrücke meine aufkeimende Sehnsucht und genieße meinen Geburtstagsmuffin, der vom silbernen Licht des Mondes beschienen wird.

      Kapitel 2

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      Auf vier schwarzen Samtpfoten bahne ich mir meinen Weg in das offene Schlafzimmer der muffigen und mit Dreck übersäten Wohnung. Meine gesamte Aufmerksamkeit richte ich auf mein Ziel: die schlafende Person auf dem knarzenden Bett. Ich brauche mich nicht umzusehen, um zu wissen, dass die Wände mit irgendwelchen laienhaften Schmierereien versaut und zudem mit Postern von nackten Frauen behangen sind. Eine typische Singlewohnung eines Mannes im mittleren Alter. Vor dem verdunkelten Schlafzimmer verharre ich einen Moment und lausche, doch der ahnungslose Tölpel schläft tief und fest. Geschwind husche ich in das Zimmer und springe ohne abzuwarten auf das Bett, denn so wie der schnarcht, wecken ihn keine zehn Pferde auf. Vorsicht kann ich mir somit sparen. Auch gut. Jedoch rümpfe ich angewidert meine Nase bei dem Anblick, der sich vor mir erstreckt. Mein Opfer liegt nackt und auf dem Rücken auf einem speckigen Lacken, seine rechte Hand auf seinem Schritt verweilend, während seine linke Hand ein zerfleddertes Pornomagazin umfasst. Würde ich meinen Rekord nicht um jeden Preis halten wollen und wäre ich nicht zu faul, um mir eine andere Beute zu suchen, würde ich auf der Stelle kehrtmachen und von diesem widerwärtigen Wesen ablassen, doch so bleibt mir keine andere Wahl. Abgesehen davon ist sein Lebensatem recht stark, da er weder krank, schwach oder alt zu sein scheint. Dies wird mir weitere Pluspunkte einbringen und ein erbärmlicher Mann weniger auf dieser verrotteten Erde ist auch keine schlechte Aussicht. Dennoch grenzt es an ein Wunder, dass die Menschen bis heute überleben konnten, getrieben von ihrer grenzenlosen Lust, Gier und ihrem selbstgerechten Egoismus. Angeekelt schleiche ich um die bunten, teils frischen und teils alten Flecken herum, so gut es mir nur möglich ist, bis ich auf der Höhe seines Kopfes angelangt bin. Vorsichtig steige ich auf seinen sich immer wieder hebenden und senkenden Oberkörper, der ab und zu, ununterbrochen von dem ratternden Gesang seines Schlafes, ruckelt. Wiederum warte ich einen kurzen Moment, nur um sicher zu gehen, dass er seinen ahnungslosen Schlummer fortsetzt. Mir jagt ein Schauer über den Rücken, doch da muss ich nun durch. Ungeachtet meiner Abneigung senke ich meinen Kopf zu seinem geöffneten Mund und versuche nicht durch die Nase einzuatmen, damit ich seinen Alkohol dunstigen Atem nicht riechen muss. Vorsichtig nähere ich mein Gesicht dem seinen, sodass sich unsere Lippen fast berühren. Jetzt ist es soweit. Nur nicht hetzen. Ich konzentriere mich, schließe die Augen und spüre seinen Herzschlag, sein Blut, das durch seine Adern fließt wie ein rauschender Fluss, und seine Lebensenergie, die ihn als Aura in einem klaren und kräftigen Rot umgibt. Fast wie ich es mir gedacht hatte. Solche Leben haben einen hohen Stellenwert bei meinem Herrn. Mit einem siegessicheren Grinsen beginne ich mein Werk und nehme mir Stück für Stück sein Leben. Sein Schnarchen verstummt mit einem Mal und sein Körper bäumt sich im stummen Protest vergebens auf. Es dauert nur ein paar Atemzüge in denen ich ihm ganz allmählich seine Lebensenergie aussauge. Ich spüre die warme fremde Hitze, die sich in meinem Innern ausbreitet, rasend schnell wie die Pest im Mittelalter. Er japst erfolglos nach Luft, sein Körper erzittert, dann sackt er in sein versifftes Lacken zusammen und liegt still.

      ***

      Die Nachtluft empfängt mich willkommen kühl und legt sich wie ein sanfter Mantel um meinen warmen Körper. Genüsslich strecke ich mich und sehe mich um. Wohin als Nächstes? Ich habe schon zwei frische Leben in dieser Nacht gesammelt und so viel Zeit übrig, denn die Nacht ist noch lange nicht vorüber. Um meine Spuren zu verwischen, sollte ich das Dorf wechseln. Ich bin zwar das erste Mal hier, aber zwei Todesfälle in einer Nacht von jungen Männern weckt nur unnötig Aufsehen und das kann ich so ganz und gar nicht gebrauchen. In den vergangenen Monaten sitzen mir zwei der sogenannten Anwärter des Lichts besonders im Nacken, sodass ich bei jedem Schritt auf der Hut sein muss … lästig. Einfach nur lästig. Gott muss wohl besonders viel Langeweile haben, um seine Möchtegernengel auf die Erde zu schicken, um uns zu jagen und zu beseitigen. Doch wofür? Für das Ungeziefer, was wir Menschen nennen? Was haben die Menschen aus seiner Erde gemacht, die er ihnen geschenkt hat? Mein Blick streift durch die leeren, holprigen Straßen. Was einst mal schön gewesen war, ist durch die vielen Kriege, Rebellionen und Straßenkämpfe völlig zerstört worden. Die Häuser, falls man diese noch so nennen kann, sind nichts weiter als aufgereihte Trümmerhaufen. Blumen, blühende Bäume und Sträucher – ausradiert. Und dann noch überall dieser grenzwertige Gestank nach Ausdünstungen, Schweiß, Moder und Verwesung … Mir fehlt dafür einfach das Verständnis. Wieso kann Gott der Menschheit nicht entsagen? Jedes verfluchte Mal gibt er ihnen eine neue Chance, nur damit sie diese immer wieder in den Sand setzen. Womit hat das Ungeziefer, das sich wie eine Plage über der Erde ausgebreitet hat, diese fortwährende Güte verdient? Oder ist er einfach nur dumm? Denn wer solche Wesen erschafft und diese krampfhaft versucht am Leben zu erhalten und zu beschützen, obwohl die den Glauben an ihn längst verloren haben und mit Füßen treten, muss einfach nur bescheuert sein! So gesehen geschieht es dem alten Tattergreis da oben ganz recht. Für ein paar Sekunden huscht ein gehässiges und selbstgefälliges Grinsen über mein Gesicht. Doch nur kurz, denn mein inneres Alarmsystem wird sofort aktiviert, als ich ein immer lauter werdendes Motorengeräusch vernehme. Bevor ich realisieren kann, von welcher Richtung das unheilverkündende Geräusch kommt, schlittert ein Motorrad samt Anhänger um die Ecke. Der Beifahrer hat einen Baseballschläger in der Hand, mit dem er wahllos nach Briefkästen und Mülleimern ausholt, als gäbe es dafür Punkte. Ohne zu zögern, beginne ich zu rennen, denn ich kann mir denken, was jetzt passiert. Meine Hoffnung, unentdeckt geblieben zu sein, ist nicht groß und ich soll leider recht behalten. Hinter mir ertönt grölendes Gelächter und ich weiß, dass sie ein neues, lebendiges Ziel haben: mich.

      So schnell mich meine vier Pfoten über den holprigen Lehmboden tragen, renne ich davon und versuche meine Verfolger abzuwimmeln, während diese sich bei ihrer Jagd köstlich amüsieren. Wenn ich doch nur meine menschliche Gestalt annehmen könnte, dann würde ich es diesem erbärmlichen Gesindel zeigen! Doch es ist mir nicht erlaubt, meine wahre Gestalt vor dem Pöbel anzunehmen und schon gar nicht, während ich den Dienst für meinen Herrn erledige. So bleibt mir nichts anderes übrig, als in meiner jetzigen Form als mickriger Kater das erniedrigende Spiel mitzuspielen und mich jagen zu lassen.

      ***

      Gefrustet und genervt sehe ich mich aus meinem Versteck um. Doch von den beiden Motorradrowdys fehlt jegliche Spur. Es war ein ziemlich langer Spurt gewesen. Ich habe es in das nächste Dorf geschafft und meine Verfolger zum Glück abgehängt. Dennoch kann ich mich darüber nicht freuen. Ich fühle mich gedemütigt, ausgelaugt und meine Kehle brennt von der Hetzjagd wie das Höllenfeuer selbst. Diese niederen und hässlichen Kreaturen!

      Müde springe ich zwischen dem Blechhaufen des ehemaligen Spielplatzes für Bälger hervor und bahne mir meinen Weg zu der abbruchreifen Häuserfront. Ein Haus sieht aus wie das andere. Monotone, halb zerfallene Betonklötze in vertrockneter und verdreckter Landschaft. Sorgfältig lasse ich meine Augen suchend die Reihen analysieren. Ich muss nicht lange suchen, bis ich fündig werde. Es ist die erste Wohnung, die mich einlädt durch das sperrangelweit geöffnete Fenster über den kleinen Balkon einzutreten. Es lebe der Sommer, der immer wieder einfältige Menschen dazu verleitet, achtlos die Fenster zur Lüftung offen stehenzulassen. Dies erleichtert mir die Arbeit und meine Suche ungemein. Sofort setze ich mich in Bewegung und unterdrücke den aufkeimenden Hustenreiz. Das kann ich jetzt gar nicht gebrauchen.


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