Im Licht des Mondes. A. Cayden

Im Licht des Mondes - A. Cayden


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nachgeht. Unwissend, wie nah er dem Tode in diesem Augenblick ist. Armer, dummer Mensch – selbst schuld. Wenn er sein Fenster so einladend offenstehen lässt, fordert er den Tod heraus und hier bin ich. Jedoch … wieso zögere ich dann? Liegt es daran, dass ich eigentlich meine Chance vertan habe, indem ich tollpatschig den Besen umgeschmissen habe und er mich nicht davongejagt hat? Im Gegenteil, er war ungewöhnlich freundlich für einen Menschen und hat mir etwas zu Trinken gegeben. Allerdings hat er mich unwissend erniedrigt. Ach verdammt! Meine Augen blitzen wütend auf, als ich erkenne, dass ich dies hätte verhindern können und müssen. Ihn trifft somit keine Schuld. Ich beiße mir verbittert auf die Unterlippe, dann wende ich mich von ihm ab und verschwinde auf dem gleichen Weg wie ich gekommen bin. Wir sind quitt, Menschlein. Du hast mir geholfen und ich habe dein Leben verschont. Eilig renne ich über die holprigen Wege, um eine Schnittstelle zu meiner Dämonenwelt aufzusuchen. Wieder endet eine lausige Nacht meines Lebens.

      Kapitel 3

      Drew:

      Auf meinem Gesicht breitet sich ein triumphierendes Lächeln aus. Diesmal kriegen wir ihn! Es gibt keinen Ausweg. Wir verfolgen ihn über die holprigen Straßen seit über zehn Minuten.

      „Da vorne! Er biegt nach rechts ab!“, höre ich meine Zwillingsschwester dicht hinter mir rufen. Ich nicke. Lange kann er dieses Tempo nicht mehr durchhalten und dann haben wir ihn! Den pechschwarzen Dämon, einer der Topsammler von Menschenleben des Dämonenreichs. Lange haben wir darauf gewartet und nun soll es endlich soweit sein. Wie gemein und doch so typisch für diese Höllenbrut, sich als so sanfte Wesen zu tarnen! Rasant biegen wir nach rechts ab und ganz kurz verdrehe ich meine Augen, als ich den hindernisreichen Weg erblicke. Das hat es sich ja gut ausgesucht, dieses kleine Biest! Zahlreiche umgeworfene Mülltonnen und Müllsäcke säumen den ohnehin schon holprigen Weg der schmalen Seitenstraße. Doch meine Motivation wird wieder schlagartig angeheizt, als ich unser Zielobjekt geschickt über die Hürden sprinten sehe. Sofort verdopple ich meine Geschwindigkeit und spurte hinterher, dicht gefolgt von meiner Schwester. Es ist nicht leicht, sowohl den Kater in den Augen zu behalten, als auch den im Weg liegenden Gegenständen auszuweichen. Doch der Preis bei Gelingen ist hoch und den möchte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Meiner Zwillingsschwester geht es genauso, dazu muss ich mich nicht umdrehen und in ihr Gesicht blicken, um dies zu wissen. Es ist nicht so, dass wir völlig gleich sind, doch in dieser Sache sind wir uns mehr als nur einig.

      Schwungvoll meistern wir die Hürden, ohne nur ein einziges Mal zu taumeln. Abermals biegt er in eine weitere menschenleere Seitenstraße ein. Strategisch klug von ihm, muss ich zugeben. Denn im Menschengetümmel wäre er leicht auszumachen und er hätte noch mehr Verfolger. Meine Kehle brennt und Schweiß tropft mir aus allen Poren. Doch ich lasse ihn nicht aus den Augen, den kleinen Dämon mit dem glänzenden, schwarzen Fell. Ein schmerzlicher Stich fährt mir durchs Herz. Wie ich diese Kreaturen verabscheue. Nicht genug, dass die Menschen die letzten Jahre von Kriegen, Krankheiten, Hunger und Tod gepeinigt worden sind, jetzt haben sich auch noch die Dämonen auf der Erde breitgemacht. Dies war allerdings nur möglich, weil die Menschheit den Glauben in das Gute verloren hatte und der Nährboden der Städte nur noch aus Hass und Gewalt bestand. Doch die Hoffnung und die Zuversicht werden wiederkehren. Ich glaube fest daran. Und meine Schwester und ich werden ein Teil des Werkzeugkastens sein, um dies herbeizuführen.

      Mist! Er ist wirklich verdammt schnell und ausdauernd. Ich muss nicht zum ersten Mal gestehen, dass sich die harten und unerbittlichen Trainingsstunden in unserer Ausbildung mehr als gelohnt haben und auch jetzt noch ihren Dienst nicht versagen.

      Wiederrum biegt der wetzende Fellknäul um eine Ecke, doch diesmal hat er sich vertan!

      „Joy, jetzt haben wir ihn! Mach dich bereit!“, rufe ich meiner Schwester zu und zeige ohne anzuhalten auf das Straßenschild mit dem Symbol der Sackgasse. Meine andere Hand wandert im selben Moment in meine Jackentasche und umklammert das kleine Kreuz mit dem geweihten Blut. Gleich haben wir dich! Dann hat dein Morden ein Ende!

      Viel zu lange erscheint mir der Augenblick bis ich endlich die Straßenecke erreiche, dabei kann es sich nur um ein paar Sekunden handeln. Dann ist es soweit. Gehetzt, jedoch vollen Mutes, rase ich um die Ecke und bleibe abrupt stehen, so jäh, dass meine Schwester hart in meinen Rücken prallt. Doch dies ist Nebensache. Enttäuschung und Wut fluten meinen Körper und lassen mich zittern.

      „Scheiße! Das darf doch nicht wahr sein!“

      Verzweifelt springe ich nach vorne, weiter in die Sackgasse herein, und sehe mich hektisch um. Hunderte von bernsteinfarbenen Augen blitzen mir entgegen. Ängstlich, wütend und hungrig drängen sie sich dicht aneinander und betrachten uns – die Eindringlinge, die ihr Versteck gefunden haben.

      „Verdammt!“

      So sehr ich mich auch konzentriere, ich nehme zwar seine dämonische Aura wahr, doch ich kann ihn unter den unzähligen Straßenkatzen nicht orten. So kann das doch nicht enden! Das ist einfach nicht fair! Er ist hier noch irgendwo, das spüre ich. Das Spiel ist nicht vorbei! Zumindest versuche ich mir dies einzureden, als ich wie besessen die Straße abrenne und versuche, ihn unter all den Vierbeinern auszumachen.

      Nichts! Wieso bekomme ich das nicht hin? Er sitzt bestimmt unter ihnen und grinst sich einen ab, dieser elende Mistkerl! Er darf nicht davonkommen! Ein zweites Mal laufe ich die Sackgasse ab, meinen Blick durch die bunte Meute der Straßenkatzen schweifend. Woher kennt er sich nur dermaßen gut hier aus? Diese Stadt kann noch nicht lange zu seinen Jagdrevieren gehören und dennoch … Ist das alles ein Wink des Zufalls, der uns damit auslachen möchte und sich über uns lustig macht? Wir sind so nah dran gewesen.

      „Drew … es ist vorbei!“, höre ich meine Schwester kleinlaut hinter mir, welche immer noch stark nach Luft schnappt. Im Inneren weiß ich, dass sie recht hat, doch eine große Seite in mir weigert sich, diese Tatsache zu akzeptieren. Abgespannt renne ich von einer Seite zur anderen, schaue hektisch von einer Ecke zur nächsten, doch das Resultat bleibt genauso ernüchternd wie zuvor. Er ist uns ein weiteres Mal entkommen.

      Verbittert bleibe ich stehen, beiße mir auf die Zunge und balle meine Hände zu Fäusten. Jetzt kann ich nicht einmal mehr seine Aura wahrnehmen. Ist er etwa durch einen Schlupfwinkel verschwunden? Wieso ist er uns immer einen Schritt voraus?! Fast würde ich denken, er hätte einen Schutzengel, doch der Gedanke ist zu paradox.

      Ich zucke kurz zusammen, als mir meine Schwester beruhigend eine Hand auf meinen Rücken legt und erst jetzt bemerke ich, dass ich vor Aufregung und Wut geradezu bebe.

      „Drew, bitte beruhige dich. Wir schnappen ihn uns ein andermal! Er kann uns nicht ewig entkommen. Wir brauchen nur etwas mehr Geduld. Bitte.“

      „Es ist nicht fair! Wie oft ist er uns nun schon entwischt? Wie lange sind wir jetzt hinter ihm her? Warum … warum können wir ihn nicht endlich stellen! Wieso kann er uns immer entkommen?“

      Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme dünn klingt und kurz vor dem Versagen ist. Und mit einem Mal spüre ich, wie der ganze Druck, die gesamte Anspannung, die ich bei unserer Verfolgungsjagd angesammelt hat, von mir abfällt. So sehr ich mich bemühe, nun kann ich es nicht mehr aufhalten. Ungehindert fließen Tränen aus meinen Augen wie Sturzbäche und ich sinke auf die Knie, lasse meinen Gefühlen freien Lauf. Joy geht nun ebenfalls in die Knie und nimmt mich tröstend in ihre Arme. Ich könnte mich in diesem Moment für meinen Gefühlsausbruch selbst ohrfeigen, wollte ich sie doch immer beschützen und keine Schwäche zeigen, damit sie sich keine Sorgen machen muss, jedoch kann ich einfach nicht aufhören zu weinen. Zu groß ist die Enttäuschung über die erneute Niederlage, zu groß der Frust über mein erneutes Versagen.

      „Schon gut, Schwesterherz. Unsere Bemühungen und unser Ehrgeiz werden sich am Ende auszahlen. Diesmal hat er wieder gewonnen, aber das nächste Mal sind wir an der Reihe!“

      Sie zieht mich fester zu sich und flüstert mir unentwegt besänftigende Worte ins Ohr. Schluchzend klammere ich mich an sie, umringt von unzähligen, gelb funkelnden Katzenaugen in der trostlosen Nacht.

      ***

      Mit einem herzlichen Lächeln im Gesicht tritt meine Schwester mit mir den


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