Im Licht des Mondes. A. Cayden

Im Licht des Mondes - A. Cayden


Скачать книгу
von allen ist, die der da oben je erschaffen hat. Eins dieser ekelhaften Exemplare, das überdeutlich meine Meinung der menschlichen Rasse bestätigt, kommt gerade aus einer dunklen Ecke getaumelt. Es handelt sich um einen Mann Ende 40, dessen kantige Wangenknochen stark aus seinem langgezogenen stoppelbärtigen Gesicht hervorlugen. Seine Augen blicken unkonzentriert durch die Gegend und er schwankt gefährlich in meine Richtung, bemüht sein Gleichgewicht zu halten. Ich rümpfe verächtlich meine Nase, als seine Alkoholfahne mir entgegenschlägt. Ein weiteres verkümmertes Geschöpf, das sich lieber gleich zum Sterben in die Büsche fallenlassen sollte, um dort zu verenden.

      „Scheieieiß Leben! Diese blö…den Penner! Isch weiß genau, was isch tu! Olles Gesindel, olles!“, lallt er laut vor sich hin und tritt nach Mülltonnen, die allerdings gute zwei Meter weiter weg stehen. Es ist mir ein Rätsel, wie er es schafft, dass Gleichgewicht zu halten und nicht auf den harten Asphalt aufzuschlagen. Genervt tapse ich auf die Seite, um nicht zwischen seinen Füßen zu landen. Da in diesem Zustand absolut keine Gefahr von ihm ausgeht, muss ich mir nicht die Mühe machen, die demütigende Flucht zu ergreifen. Stattdessen widme ich meine Aufmerksamkeit wieder den aneinandergereihten Baracken zu. Irgendwo muss sich doch eine günstige Gelegenheit finden lassen.

      „Du besch... Flohsack!“

      Ein schmerzerfülltes und überraschtes Maunzen entweicht meiner Kehle, als mich sein dreckiger Schuh hart in die Seite trifft und ich fast einen Meter weit wegfliege. Sofort rapple ich mich auf und fauche ihn an. Was fällt diesem besoffenen, unwürdigen Scheusal ein?!

      „Du Unglücksträger, du … verrecke! Verrecken solld ihr allale!“

      Gerade noch rechtzeitig springe ich auf die Seite, als der besoffene Idiot eine leere Dose nach mir wirft. Verdammt! Wieso kann der denn noch so gut zielen in seinem Zustand? Er wankt bedrohlich näher und ich kann durch den Schleier der Trunkenheit vor seinen Augen ein mordlustiges Glitzern entdecken. Unsicher mache ich ein paar Schritte zurück. Könnte ich meinen menschlichen Körper benutzen, wäre ich ihm haushoch überlegen, aber so …

      Wütend über meinen Leichtsinn, und dass ich meinen Gegenüber falsch eingeschätzt habe, entfährt mir ein weiteres Fauchen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als vor diesem trunkenen Versager zu flüchten. Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, drehe ich mich nach rechts und renne zu einer Häuserfront, vor der sich der Müll stapelt und springe dazwischen. Ich suche mir einen Platz mit Guckloch und sehe, wie dieser stinkende Mensch auf die Müllberge zu schwankt. Suchend und verwirrt bleibt er davor stehen, unsicher, was er tun soll.

      „Wo bischte? Woho? Kittikatti?“

      Als ob ich ihm antworten würde! Wie ist dieser Trottel noch in der Lage, irgendetwas zu treffen? Am liebsten würde ich ihm sein Kittikatti in den Allerwertesten rammen!

      „Komm rausch, isch sag’s dir! Jetscht!“

      Ja klar, es wird ja immer besser! Wütend fahre ich meine Krallen raus und rein. Ich kann es nicht kontrollieren, mein jämmerlicher Tierkörper scheint von ganz allein zu reagieren. Verbittert beiße ich mir auf die Zunge. Das Ganze ist so demütigend, so erniedrigend! Das ich mich vor einem volltrunkenen Wesen verstecken muss, das locker mein Opfer sein könnte! Wie ein Tier muss ich mich hier verkriechen und hoffen, dass er endlich von dannen zieht. Ein unglaubliches Feuer der Wut beginnt in mir zu lodern. Ich hasse diese unwürdigen Kreaturen, die die Erde bevölkern, und meine Position, die ich habe! Und vor allen Dingen hasse ich es, Situationen nicht im Griff zu haben und das Gefühl der Hilflosigkeit, dem ich momentan ausgesetzt bin. Als ich wieder aufschaue sehe ich, wie er sich hicksend wieder entfernt, empörende Worte vor sich her murmelnd. Hat er also endlich von mir abgelassen, dieser stinkende Versager? Nun gut. Du hast mich herausgefordert und gedemütigt und dafür wirst du bezahlen!

      Verstohlen blicke ich mich um, doch außer uns ist niemand mehr auf der Straße zu sehen. Entschlossen springe ich aus meinem Versteck hervor und visiere mein Ziel.

      Dein nutzloses Leben gehört mir und du weißt es noch nicht einmal! Genieß es solange du noch kannst, du niederes Wesen! Mich hat niemand zu entwürdigen und schon gar nicht ein versoffenes Menschlein! Das wirst du mir büßen! Dein Lebensatem wird dich noch heute Nacht verlassen und zu meiner Sammlung übergehen!

      ***

      Erleichtert seufze ich, als mein Zielobjekt wieder in eine ruhigere Straße einbiegt. Fast hätte ich ihn verloren, als er durch die vereinzelten Menschengruppen gestolpert ist. Doch ein Blick hat mir genügt, um festzustellen, dass diese mindestens genauso besoffen waren wie er. Ich konnte mich an den Häuserrändern voran schlängeln und gut mit ihm Schritt halten, ohne bemerkt zu werden. Vielleicht war es riskant gewesen und normalerweise hätte ich dies nicht getan, doch ich habe mir geschworen, sein Leben zu holen, und so wird es sein. Ich kann nur noch an meine Rache denken, alles andere ist mir vorerst egal. Ich brauche unbedingt meine Genugtuung. Dies ist auch der Grund, warum ich ihm schon seit über eine Stunde durch die Gassen folge. Wann ist dieser Idiot endlich daheim? Hat der überhaupt ein Zuhause? Hat er womöglich vergessen, wo er wohnt?

      Meine Pfoten beginnen langsam zu schmerzen und ich könnte eine kleine Pause gebrauchen. Ich muss ein paarmal blinzeln, da meine Sicht sich leicht zu benebeln scheint. Leise gähne ich auf. In diesem Moment torkelt meine Beute auf eine der vielen Haustüren zu. Ohne zu zögern, springe ich vor, um so nah wie möglich bei den Eingängen zu sein. Jede Sekunde zählt, obwohl … meine Sorge war wohl unbegründet, denn es vergehen gefühlt fünf weitere Minuten, bis er es schließlich schafft, aufzuschließen. Mit wackeligen Beinen taumelt er in das baufällige Gebäude und ich ungesehen hinterher. Das Innere sieht genauso porös aus wie das Häuserwerk von außen. Weiterhin haftet mein Blick fest an seinen zitternden Beinen, wie sie sich schleppend die Treppe hinauf quälen. Lautlos springe ich in sicherem, jedoch nicht allzu großem Abstand hinterher. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis er es in den zweiten Stock geschafft hat und den Flur betritt. Ich presse mich kurz gegen die Wand, als er anfängt sich summend im Kreis zu drehen. Verdammt! Macht dieser Scheißkerl das etwa mit Absicht? Der da oben hat bestimmt seine wahre Freude an der Vorstellung! Bin ich froh, dass das ganze Tohuwabohu keiner meiner Mitstreiter sieht. Ich kann mir die dämlich und hämisch grinsenden Gesichter der anderen nur allzu gut vorstellen. Wie viel muss ich denn noch auf mich nehmen, um an mein Ziel zu kommen? Wenn er nicht gleich mit dem Unfug aufhört stürze ich mich auf ihn und zerreiße ihm seine hässliche Visage!

      Als hätte er meine Gedanken gehört, bleibt er plötzlich benommen stehen und lauscht in den Flur hinein. Ein Gemisch aus wütenden Stimmen, Gesang und Stöhnen durchzieht den Gang des heruntergekommenen Wohnhauses. Suchend blickt sich mein Opfer um. Ich kann es nicht fassen! Jetzt hat doch dieser Versager tatsächlich vergessen, wo genau er wohnt! Zu allem Überfluss fängt jetzt mein Auge an zu zucken. Innerlich schreie ich auf und muss all meine Selbstbeherrschung zusammennehmen, um ihn nicht jede Sekunde anzuspringen und seine gaffenden Augen auszukratzen!

      Benommen stolpert er auf die erste Tür zu seiner linken und probiert den Schlüssel aus – nichts. Vor sich hin fluchend dreht er sich um und probiert es bei der gegenüberliegenden Tür. Wieder trifft er das Schlüsselloch nicht sofort und ich kann nur hoffen, dass in der Zwischenzeit nicht Leute den Flur betreten und mich entdecken. Denn dann habe ich ein Riesenproblem. Doch aufgeben kann und möchte ich jetzt nicht. Zu sehr sitzt mir die Demütigung noch in den Knochen. Er gibt ein wütendes Grunzen von sich und wackelt weiter zum nächsten Schlüsselloch. Wieder nichts. Ein amüsiertes Lachen entrinnt seiner Kehle. Na wenigstens einer von uns beiden, der sich über die derzeitige Situation freuen kann!

      Ich spüre die Hitze in mir aufsteigen, sowie den betörenden Drang mich endlich auf diesen Wurm zu stürzen und mir das zu nehmen, was mir zusteht. Doch ich tue es nicht. Stattdessen bleibe ich ungerührt an meinem Platz sitzen und sehe der schaurig dramatischen Situation zu, die sich zigmal wiederholt: Er taumelt von einer Tür zur anderen und bemerkt, nach unzähligen Versuchen das Schloss zu treffen, dass sein verfluchter Schlüssel nicht passt! Nun merke ich, dass meine Augenlider schwer werden und ich bin kurz davor, dem Bedürfnis nachzugeben und sie für eine Weile zu schließen. Da sehe ich, wie eine Tür aufgeht, mein Zielobjekt einen glucksenden Laut von sich gibt und in die Wohnung stolpert. Augenblicklich springe ich auf meine


Скачать книгу