Im Licht des Mondes. A. Cayden

Im Licht des Mondes - A. Cayden


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stemmt ihre Hände in die dürren Hüften. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie ziemlich durchtrainierte Arme hat, als ihre Muskeln sich provozierend durch die neue Pose hervordrücken. Kleine blaue Äderchen schlängeln sich auf der weißen Haut hervor wie kleine verstreute Flüsse.

      „Soso, eine von der schnellen Sorte. Soll uns recht sein. Dann mal her mit eurer Kohle und eurem Schmuck!“

      Mit einem breiten Grinsen mustert sie uns beide auffordernd. Ich tausche mit Drew flüchtige Blicke aus. Es bedarf keiner Worte, denn seit unserer Kindheit sind wir ein eingespieltes Team. Ich spanne meinen Körper an und mache mich bereit, da sich die Situation gleich zuspitzen wird. Meine Schwester bewegt sich langsam näher auf mich zu.

      „Sehen wir aus, als würden wir groß Schmuck und Geld mit uns herumtragen? Da müssen wir euch schwer enttäuschen.“

      Um uns herum ertönt ein grelles, bedrohliches Lachen und hüllt uns beunruhigend schnell ein wie eine gewichtige Wolldecke.

      „Hey Mädels, wie’s aussieht sind uns ein paar ganz vorlaute Puten ins Netz gegangen. Wird Zeit, dass wir denen mal die arrogante Visage polieren! Auf geht’s!“, ruft die Anführerin der Frauengang ihren Mitgliederinnen zu und schwingt ihre Hand zum Zeichen des Starts. Sofort stürmen die drei anderen schreiend mit ihren Schlagstöcken uns entgegen. Dem ersten Schlag weiche ich aus und leite mit meinen Armen den wuchtigen Hieb auf die Seite ab. Bevor meine Angreiferin reagieren kann, versenke ich mein Knie mit voller Kraft in ihren Magen und meinen Ellenbogen unterhalb ihres Genicks. Die in Jeans gekleidete Frau gibt ein schmerzerfülltes Seufzen von sich, dann bricht sie ohnmächtig zusammen. Das Training hat sich wirklich gelohnt. Ich sehe hastig zu meiner Schwester, welche gerade ihre beiden bewusstlosen Angreiferinnen hart auf den Boden aufprallen lässt. Fast gleichzeitig drehen wir uns zu der Verbliebenen um, die plötzlich kreidebleich zu sein scheint. Mit zittrigen Schritten bewegt sie sich einen Meter zurück, den Blick nicht von uns abwendend, als wären wir wilde, unkontrollierbare und hungrige Bestien. In dem Augenblick sieht sie gar nicht mehr so stark und selbstsicher aus. Fast schon tut sie mir leid.

      „Was ist? Entweder nimmst du die Beine in die Hand und zwar zackig oder du legst dich zu deinen Kameradinnen dazu!“, wendet Drew sich mit gereiztem Ton an die Anführerin des niedergestreckten Haufens. Die braucht keine zweite Aufforderung. Als hätte meine Schwester bei ihr einen Schalter umgelegt, dreht sie sich um und rennt, schneller als ich es ihr zugetraut habe, von uns davon, ohne sich noch ein einziges Mal umzudrehen. Lange blicken wir ihr hinterher, bis sie schließlich um die nächste Straßenecke verschwunden ist.

      „Ist doch echt nicht zu fassen, wie viel Gesindel sich hier herumtreibt! Warum können die Menschen nicht einfach aus ihren Fehlern lernen! Wir sind doch keine Tiere, die nur von ihren Instinkten und Trieben beherrscht werden! Es kann doch nicht sein, dass nur noch das Gesetz des Stärkeren regiert!“, gibt meine Schwester entrüstet von sich und schnauft laut aus. Ich gehe auf sie zu und streiche ihr sanft eine Strähne aus ihrem erhitzten Gesicht.

      „Auch dies wird sich wieder ändern, Drew. Da bin ich mir ganz sicher. Du brauchst nur etwas Geduld!“

      Ich sehe, wie meine Schwester den Mund öffnet, um zu widersprechen, und lächle sie aufmunternd an. Tatsächlich bin ich von meinen Worten überzeugt. Drew mustert mich und ihre Gesichtszüge entspannen sich wieder. Sie schüttelt leicht den Kopf:

      „Wahrscheinlich hast du recht. Hoffentlich.“

      Fröhlich drücke ich ihr einen Kuss auf die Wange und ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass unsere Schicht für diese Nacht endgültig vorbei ist. Auch sie lässt ihre Augen auf ihre metallene Armbanduhr schweifen und nickt mir bestätigend zu.

      „Es ist Zeit. Lass uns die kleine Kirche aufsuchen und dann nichts wie nach Hause. Irgendwie bin ich gerade richtig müde.“

      „Ist ja auch kein Wunder, wenn du ständig am Arbeiten bist und sogar daheim auf Spurensuche gehst“, entgegne ich ihr und zwinkere ihr kurz zu.

      „Jaha … ich weiß“, erwidert sie mit einem gespielten Augenrollen, knufft mich scherzhaft und ermahnend zugleich in die Seite, und hängt sich bei mir ein. Gemeinsam schlendern wir Arm in Arm zu der überschaubaren Kapelle, die einzige in der großen Stadt. Einst muss sie in aller Pracht erstrahlt haben. Mit großen Türmen, hinauf ragend in den Himmel, mit bunten Fenstern und vielen edlen Steinfiguren. Heute sind nur noch Überbleibsel der zerstörten Türme übrig, ehemalige Statuen lassen sich nur erahnen und die farbenfrohen Fenster sind zum größten Teil eingeschlagen und zersplittert. Die steinernen Mauern des einstmals prunkvollen Gotteshauses sind mit schändlichen Schmierereien besudelt und von außen sieht es fast aus wie jedes andere gewöhnliche Gebäude. Immer wieder lässt mich der trostlose Anblick aufseufzen.

      Gedankenverloren greife ich nach der Türklinke, als mich meine Schwester gerade noch rechtzeitig zurückziehen kann, bevor ich die schwungvoll geöffnete Tür gegen das Gesicht bekomme. Überrascht blickt mir ein junger Mann aus großen, hellgrünen Augen entgegen.

      „Ich … es tut mir leid. Haben Sie sich wehgetan?“, fragt er besorgt nach und ich komme nicht umhin, seine sanften Gesichtszüge zu bewundern. Verlegen fährt er sich durch sein mokkabraunes Haar, doch ich schüttle verneinend meinen Kopf, unfähig einen Ton von mir zu geben. Mein Kopf scheint wie leergefegt.

      „Okay, tut mir wirklich leid. Schönen Abend noch!“

      Ohne eine Antwort abzuwarten, sprintet er los in Richtung Innenstadt. Schweigend starren Drew und ich dem jungen Mann hinterher.

      „Also ich bin jetzt ein bisschen baff“, unterbricht meine Schwester die Stille. „Das ist das erste Mal seit wir hier sind, wo ich jemanden aus der Kapelle herauskommen sehe und dann auch noch einen so jungen Kerl. Ich dachte immer, wir wären die Einzigen, die den Ort aufsuchen – du hast wohl doch recht: Es sind wohl nicht alle Menschen gleich.“

      Mein Herz macht bei ihrer Aussage einen Sprung, denn ich kann ihr ansehen, dass sie es ernst meint. Freudig ergreife ich ihre Hand und ziehe sie hinter mir in die kleine mit Kerzen gefüllte Kapelle, um unser Gebet zu sprechen.

      Kapitel 7

      Mick:

      Müde gehe ich die Gänge mit dem spärlichen Angebot des Supermarktes durch und erledige meinen längst überfälligen Wocheneinkauf. Länger kann ich ihn nicht mehr aufschieben, denn ich hatte wirklich nichts mehr Essbares im Haus. Es ist nicht meine Art, Dinge hinauszuzögern, doch jedes Mal, wenn ich von meiner Arbeit hatte pünktlich gehen wollen, war irgendetwas dazwischengekommen. Fast so, als hätte das Schicksal selbst etwas dagegen. Auch heute war das der Fall gewesen, denn wir hatten in den letzten Stunden einen ganz wichtigen Kundenauftrag reingekriegt. Unser Chef hatte darauf bestanden, dass wir diesen heute noch erledigen, um mehr Geld aus der Reparatur gewinnen zu können.

      Es ist unheimlich still im Laden, da so gut wie kein anderer Kunde hier ist. Leise seufze ich auf, als ich vor der leeren Kiste der Backwaren stehe. Hierfür bin ich wohl zu spät. Dies ist einer der Gründe, warum ich um diese Uhrzeit nicht gern meine Besorgungen erledige. Das, was man möchte, ist meist ausverkauft und ich bin müde und erschöpft vom langen Arbeitstag, sodass ich die Hälfte von dem, was ich brauche, ohnehin vergesse.

      Etwas neben der Spur suche ich eine Alternative für das nicht vorhandene Brot zum Frühstück und entscheide mich schließlich für Cornflakes. Zum Glück kann ich noch zwei Päckchen Milch ergattern und ein paar Dosen mit Fertigessen, das nur aufgewärmt werden muss. Das sollte die nächsten Tage reichen. Erleichtert, den lästigen Einkauf hinter mich gebracht zu haben, bewege ich mich schleppend Richtung Kasse. Die letzten Nächte konnte ich kaum schlafen und dieser eine Albtraum vor zwei Tagen und die derzeitigen Überstunden nagen heftig an mir. Ich bräuchte dringend ein bisschen Urlaub, doch bei der momentanen Auftragslage wird das schwierig werden.

      Ich kneife leicht die Augen zusammen, denn das defekte und ständig flackernde Licht bereitet mir Kopfschmerzen. Eilig schlurfe ich weiter zur Kasse. Aus den Augenwinkeln registriere ich einen kleinen Jungen im Alter von fünf Jahren. Er sieht abgemagert und blass aus wie ein Gespenst. Mit zittrigen


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