Im Licht des Mondes. A. Cayden
gewesen! Nur noch ein Stück und – verdammt! Ich bremse hart ab, als ich die geschlossene, mitgenommene Tür vor mir sehe. Das kann doch jetzt nicht wahr sein! Geht denn heute alles schief? Wieso hat dieser Kerl nur so ein Glück? Diese mickrige, elende …
Wutentbrannt springe ich gegen das Holz und stürze in die kleine, vermüllte Wohnung. Irritiert schaue ich auf und kann mein Glück kaum fassen. Die Tür war nur angelehnt gewesen. Hatte dieser Trunkenbold doch wirklich vergessen, abzuschließen, geschweige denn diese richtig zu schließen. Heute ist wohl doch kein so übler Tag!
Mit einem Schmunzeln im Gesicht stehe ich auf. Das Spiel kann beginnen. Vorsichtig stemme ich mich gegen die Tür, sodass sie wieder angelehnt ist, dann lasse ich meine Blicke durch das unbeleuchtete Heim schweifen. Meine Augen brauchen nicht lange, bis sie sich an das Licht gewöhnen. Ich befinde mich inmitten eines Wohn- und Essbereichs mit einer kleinen Kochnische. Die Möbel sind allesamt beschädigt und fast unbrauchbar. Abgesehen davon scheint er sehr unordentlich zu sein, denn überall liegt schmutzige Wäsche auf dem Boden, sodass ein Teppich völlig unnötig erscheint. Es kostet mich einiges an Mühe, um seinen Dreck herum zu balancieren, um nicht auf seine ungewaschenen Unterhosen zu treten. Angewidert rümpfe ich meine Nase. Ich möchte nicht wissen, wie lange die Kleidung nicht mehr gewaschen wurde, denn der Gestank ist widerlich.
Mein Weg führt mich direkt in sein Schlafzimmer, welches hinten rechts liegt. Ich weiß, dass er darin ist, denn das ohrenbetäubende Schnarchen ist nicht zu überhören. Ohne weitere Vorsicht spaziere ich in den Raum, der sich von der Ordnung nicht von diesem unterscheidet. Es scheint sogar den verehrenden Zustand noch zu toppen. Der Gestank schmuddeliger Wäsche vermischt sich mit abgestandenen Bier- und Kaffeemief. Ein Hauch von Übelkeit überkommt mich und ich halte reflexartig die Luft an. Ich bin mal gespannt, was für eine Aura dieser Schwachkopf hat. Geschickt schlängle ich mich an dem Dreck vorbei und springe auf die verschmierte, durchgelegene und feuchte Matratze. Er liegt bäuchlings darauf und hat es nicht einmal geschafft, sich die Schuhe auszuziehen. Ich schleiche zu seinem Gesicht vor, ohne dabei seinen abgemagerten Körper zu berühren. Dunkle Augenringe sind auf der blassen Haut zu erkennen und ergänzen die scharfen Wangenknochen. Ich beuge mich runter, vor zu seinen geöffneten Lippen und weiche erst einmal zurück. Dieser faulige Mundgeruch, der mir entgegenschlägt, ist einfach scheußlich. Angeekelt drehe ich meinen Kopf von ihm weg und versuche, frische Luft zu schnappen, jedoch ist die Luft in dem Raum so abgestanden, dass mir nur noch übler wird. Genervt verdrehe ich die Augen. Mir bleibt heute aber auch wirklich nichts erspart. Frustriert schnaufe ich aus. Am besten bringe ich es so schnell wie möglich hinter mich, damit ich von hier verschwinden kann. Entschlossen wende ich mich dem weit aufgerissenem Mund meines schlafenden Opfers zu. Es fällt mir schwer und ich brauche ein paar Minuten, bis ich mich konzentrieren kann.
Ein schwaches Blau umhüllt ihn. Seine Aura ist nicht von starker Leuchtkraft, was mich allerdings nicht sonderlich wundert, wenn man seinen Alkoholkonsum und seine Lebensweise betrachtet. Dennoch ist es für heute ausreichend, denn das erste gesammelte Leben dieser Nacht war ein kräftig leuchtendes Violett. Außerdem muss er so oder so daran glauben, denn er hat sein jämmerliches Leben verspielt, seit er mich getreten hat.
Ich beuge mich ganz nah zu ihm, sodass ich seine spröden Lippen fast berühre und beginne mein Werk. Mit jedem Zug, mit dem ich ihm rapide seinen Atem raube spüre ich leichte Hitzewellen in mich einströmen. Sein Körper beginnt im Takt der entweichenden Lebensenergie rhythmisch zu zucken und ohne einen Hauch von Gegenwehr übergibt er mir sein wertloses Sein. Ich stehe noch kurz da und schaue auf den soeben Verschiedenen, bis sich mein eigener Puls wieder beruhigt hat. Ich habe meine Rache bekommen, süß war diese allerdings nicht gerade. Ein bitterer Nachgeschmack des muffelnden Atems hängt hartnäckig in meiner Kehle und löst einen Brechreiz in mir aus. Schnell springe ich aus der versifften Wohnung durch das poröse Treppenhaus hinaus an die frische Luft. Gierig sauge ich die kühle Nachtluft ein, um das unnachgiebige Aroma zu vertreiben. Leider gelingt dies nicht ganz, aber zumindest wird es besser und meine Übelkeit verschwindet. Es ist schon ziemlich spät und ich mache mich auf den Rückweg. Erst jetzt bemerke ich wieder meine brennenden Füße, die bei jedem Schritt schwerer zu werden scheinen, sowie meine vor Müdigkeit juckenden Augen und meine trockene, kratzende Kehle. Ich blinzle kurz in den mit Sternen übersäten Nachthimmel und versuche all meine Gedanken aus meinen Kopf zu vertreiben. Einfach an nichts mehr denken, nur noch zurück und schlafen. Alle vier Glieder von sich strecken und zuvor was trinken. Was würde ich jetzt für eine Schale mit frischer Milch geben. Milch? Was war das denn? Natürlich, das war seine Schuld. Die Erinnerungen an letzte Woche drängen sich schlagartig und ungefragt in mein Gedächtnis. An mein tollpatschiges Verhalten, an die Begegnung mit ihm, wie er abgehetzt und in Alarmbereitschaft in weiter Pyjamahose aus seinem Schlafzimmer gewetzt kam, der überraschte Ausdruck in seinen hellgrünen und ehrlich schimmernden Augen und an seine warmen Hände, die sanft über mein schwarzes Fell gestreichelt haben. Immer wieder – so entspannend – bis ich tatsächlich eingeschlafen war.
Entsetzt bleibe ich stehen. Was ist das auf einmal? Wo kommt diese Gedankenwelle plötzlich her? Das darf nicht wahr sein! Verwirrt schüttle ich meinen Kopf. Solche Gedanken … irgendwas läuft hier schief. Das ist nicht meine Art. Erschöpft seufze ich auf. Natürlich! Es muss an meiner Müdigkeit liegen. Eine andere plausible Erklärung habe ich hierfür nicht. Abgesehen davon habe ich so viel Durst, dass ich jetzt alles trinken würde, nur um diesen zu stillen. Es kann also unmöglich an diesem leichtsinnigen Menschen liegen. Heute ist einfach nicht meine Nacht. Zeit zum Rückzug.
Ich reiße mich wieder zusammen und beeile mich mit schnellen Schritten den nächsten Teleporter zum Dämonenreich aufzusuchen, doch während des ganzen Rückweges kann ich seine hellgrünen und von Sanftmut durchzogenen Augen nicht vergessen und auch seine warmen Hände, die zärtlich über meinen verspannten Rücken streichen, wollen einfach nicht aus dem Kopf weichen …
Kapitel 6
Joy:
Der Duft von frisch angebratenem Gemüse und Kartoffeln hängt verführerisch in der Luft und verheißt ein schmackhaftes Abendessen. Ich atme den verlockenden Dampf tief ein und ein erfreutes Seufzen entweicht meiner Kehle. Herrlich! Es gibt doch fast nichts Besseres als den Geruch frisch zubereiteten Essens. Voller Vorfreude greife ich nach einer Gabel, um unser Nachtessen probieren.
„Mmhh … doch es fehlt etwas – was haben wir denn alles!“, murmele ich nachdenklich vor mich hin und hüpfe schwungvoll vor die Küchenzeile mit meiner geliebten Gewürzsammlung. Suchend lasse ich meine Finger über die unzähligen beschrifteten Gläser streifen. Bei Rosmarin bleibe ich hängen und meine Miene erhellt sich schlagartig.
„Das ist es! Genau das fehlt!“
Summend kehre ich zu der heißen Pfanne zurück und gebe eine Handvoll von dem Gewürz hinzu, ebenso eine Prise Salz und noch etwas von dem schwarzen Pfeffer. Noch einmal atme ich den verführerischen Duft tief ein und schließe die Augen. Oh mein Gott, riecht das gut! Schnell nehme ich die Gabel wieder zur Hand und nehme abermals einen Happen. Das ist es! Einfach köstlich. Ich werfe einen kleinen Blick von der offenen Küche zum Nebenzimmer, wo meine Schwester seit Stunden verbissen über dem Schreibtisch kauert und in ihren Unterlagen vertieft ist. Ich schalte den Herd aus, stelle die Pfanne beiseite und decke eilig den Tisch, wobei ich versuche, den appetitlichen Geruch zu meiner Schwester zu fächern. Erwartungsvoll schiele ich zu ihr rüber, jedoch erfolgt keine Reaktion auf meine Bemühungen. Enttäuscht atme ich aus und schlendere dann zu ihr rüber. Eine große Stadtkarte mit Umgebung ist über den gesamten Schreibtisch ausgelegt. Ich sehe verschiedenfarbige Markierungen an einigen Stellen und kann erahnen, um was es sich dabei handelt. Neugierig stelle ich mich hinter sie und schaue ihr über die Schulter. Sie ist so gedankenversunken, dass sie nicht einmal das bemerkt.
„Suchst du immer noch nach seiner Fährte?“, frage ich leise, um sie nicht zu erschrecken. Dennoch zuckt sie leicht zusammen, wendet ihren grüblerischen Blick allerdings nicht von der Karte ab und umklammert weiterhin ihren am Ende zerkauten Bleistift. Eine Angewohnheit, die sie seit ihrer Kindheit hat und die ich nie so ganz verstehen konnte und kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst mich nie in Dinge vollends verbohre, sondern immer eine Pause mache, wenn ich nicht weiterkomme. Meiner Meinung nach lösen sich manche