Empörung, Revolte, Emotion. Группа авторов
Transparent mit den Worten „Diktatur im Deckmantel der Gesundheit – wacht auf“ in die Höhe) konfrontiert sie zugleich implizit mit dem Empörungsmotiv und einer emotionalen Aufforderung.
(2) Aufgabe zur Untersuchung von Aufforderungen und Emotionen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie
→ Fokus: Recherche + Schreiben (Zitate-Collage – Forderungen im Diskurs)
Die Lernenden recherchieren Quellen, die auf Sender-Seite (Auf-)Forderungen enthalten – und die auf Empfänger-Seite emotionale Reaktionen bewirken können.4 Sie beschreiben, was die Äußerungen bei ihnen hervorrufen und wie man darauf reagieren könnte. Gerade die Aufforderungen im Infinitiv und die verblose Variante, die auf Transparenten bei Demonstrationen äußerst beliebt sind, eignen sich sehr gut, um das emotionale Potenzial von Aufforderungen zu beleuchten (siehe hierzu auch die ausführliche Beschreibung dieser Varianten im theoretischen Teil 3 dieses Beitrags).
(3) Aufgabe zur Systematisierung von Grammatik und Wortschatz
→ Fokus: Förderung der Sprachbewusstheit + Einübung sprachlicher Mittel
Anhand der recherchierten Beispiele ist nun zu analysieren, wie Aufforderungen sprachlich realisiert werden und mit welchen Emotionen sie verbunden sind. Im Sinne des konstruktivistischen und kooperativen Lernens kann diese individuell vorbereitete Aktivität gut als Partner-/Gruppenarbeit fortgeführt werden. Um die Lernenden mit grundlegenden Überlegungen aus der Kommunikationstheorie vertraut zu machen, bietet es sich an, vorab das „Sender-Empfänger-Modell“ zu thematisieren;5 außerdem sollte die Analyse von Sprechakten im gemeinsamen Unterrichtsgespräch modellhaft eingeübt werden. Zusätzlich können unterstützende Lernangebote (Scaffolding) bereitgestellt werden, z.B. ein Arbeitsblatt zur Pragmatik der Aufforderung mit dem Analyseraster eines konkreten Beispiels, das die sprachliche Realisierung der Sprechhandlung und den paraverbalen Kontext einschließt oder eine tabellarische Übersicht über die Hauptvarianten von Aufforderungen (siehe hierzu auch die Tabelle in Teil 3 dieses Beitrags „Einblick in einige Aufforderungsvarianten“).
(4) Aufgabe zur Integration der einzeln bearbeiteten Kompetenzaspekte
→ Fokus: Sprechen + Schreiben (kreative Textarbeit)
Die Lernenden formulieren selbst (Auf-)Forderungen aus ihrer Sicht als junge Menschen bzw. Studierende, mit denen sie ihre Wünsche und Bedürfnisse in der Corona-Pandemie ausdrücken. Adressierung und sprachliche Realisierungsformen sind frei wählbar; wichtig ist aber, klare Forderungen zu stellen. Als Impuls (interkulturelles Lernmoment, Perspektivenwechsel) ist es interessant, die Situation von Studierenden im deutschsprachigen Raum vergleichend einzubeziehen.6 Ziel der Aufgabe ist es, in Gruppenarbeit einen studentischen Forderungskatalog (z.B. als Plakat)7 zu erarbeiten und zu präsentieren. Dazu diskutieren die Studierenden ihre Forderungen, versprachlichen diese mithilfe der kennengelernten grammatischen Strukturen und üben, diese überzeugend vorzutragen.8 In der Präsentationsphase können einzelne Forderungen hinterfragt bzw. zur Abstimmung gestellt werden. So forderte eine Arbeitsgruppe im konkreten Unterrichtsversuch, die sich selbst „Die empörten und überzeugenden Studenten“ nannte, nachdrücklich in Slogan-Form: „Die UB wieder aufmachen!“, „Präsenzunterricht zurück!“, „Finanzielle Hilfe!“, „Besseres Internet für alle!“ Weitere eifrig diskutierte Forderungen waren z.B.: „Jetzt werden kostenlose Mahlzeiten verteilt!“, „Mehr sozialen Kontakt mit anderen Studenten!“, „Haben Sie mehr Verständnis!“, „Etablieren Sie bitte psychologische Hilfe mit Hotlines und Sensibilisierung!“, „Kommunikation zwischen den Lehrern!“, „Rücksicht auf neue Studis: Erstsemester oder Erasmus-Studierende, die noch kein Netz haben“ etc.
(5) Weiterführende kreative Anschlussaufgaben (Textproduktion)
→ Fokus: Schreiben + individuelle Reflexion, eventuell Leistungskontrolle
Als Abschluss der Unterrichtseinheit und Transfer bieten sich Aufgaben zur kreativen Textproduktion an, diese sind mit unterschiedlichen Akzentuierungen denkbar, z.B. Schreiben Sie einen Brief … an den Universitätspräsidenten, in dem Sie Ihre Studiensituation schildern und Ihre aktuellen Forderungen artikulieren / … an eine/n Freund/in, der/die an einer Hochschule in Deutschland studiert und vergleichen Sie die Studiensituation/studentischen Forderungen in beiden Ländern etc.
6 Fazit und Ausblick
Ein Anliegen dieses Artikels war es, die besondere und bislang kaum eingehend beleuchtete emotionale Komponente von Aufforderungen herauszuarbeiten. Der praktische unterrichtsbezogene Teil machte zudem deutlich, dass dieses Thema für Lernende besonders motivierend ist, wenn sie auf Basis ihrer Lebenserfahrungen eigene (emotionale) Forderungen selbst formulieren können.
Von Anfang an stand bei der Unterrichtseinheit das Bewusstsein, dass das Thema „(Auf-)Forderungen in der Corona-Krise“ besonders viel Sensibilität seitens der Lehrperson, aber auch der Lernenden untereinander verlangt: unterschiedliche Dispositionen, Emotionen, eventuell auch schwierige persönliche Situationen und psychische Probleme sind bei einem Unterricht zu diesem Thema mitzudenken. Der Unterrichtsgegenstand sollte daher mit besonderem Augenmaß in einem angemessenen zeitlichen Rahmen behandelt werden, je nach Voraussetzungen und Bedürfnissen der Lernenden.
In der Unterrichtseinheit wurde deutlich, dass der Ansatz der Aufgabenorientierung besonders für fortgeschrittene Fremdsprachennutzer weiterführendes inhaltliches und sprachliches Lernpotential bietet. Bei der Erschließung der grammatischen Inhalte in den skizzierten komplexen Lernaufgaben zeigte sich einmal mehr, wie wichtig der sinnvolle Wechsel von kooperativen Lernformen und individuellen Lernarrangements für eine abwechslungsreiche und motivierende Unterrichtsgestaltung ist. Gerade bei diesem emotionalen Thema, das die Lernenden auch in ihrem täglichen Leben beschäftigt, erwies sich eine angstfreie, produktive Arbeitsatmosphäre in der Lerngruppe als entscheidend für die Aufrechterhaltung der Lernermotivation.
Grammatische Übungen zu gestalten, ist für gut ausgebildete, erfahrene Lehrerinnen und Lehrer eine relativ leichte Angelegenheit – wenn irgendetwas bei der Unterrichtspraxis als „leicht“ angesehen werden darf. Ausgehend von einer kommunikativen Unterrichtssequenz, die aktuelle Themen (z.B. Corona-Pandemie1) behandelt, zu einer interaktiven Sprachreflexion überzugehen, ohne dabei den thematischen Faden – und die Motivation der Gruppe – zu verlieren, sodass am Ende die gesamte Sequenz eine in sich kohärente „runde Sache“ zur Zufriedenheit aller Beteiligten ergibt, ja, das ist eine ganz andere Angelegenheit.
Diese Herausforderung stellt sich umso mehr, wenn man bedenkt, dass unsere Studierenden es nicht gewohnt sind, auch wenn sie ein relativ gutes Sprachniveau erreicht haben und sich auf Deutsch schon gut verständigen (cf. Schnitzer 2020). Die Unterrichtssequenz hat gezeigt, dass die Sensibilisierung für verschiedene sprachliche Aufforderungsvarianten durchaus sinnvoll ist, solange sie nicht als „theoretische Trockenübung“ in Lehrbuchmanier vermittelt wird, sondern an echte, lebensnahe Diskurse der Lerner anknüpft. Dann kann das Thema gerade für fortgeschrittene Fremdsprachenlerner einen Beitrag dazu leisten, einen souveränen Umgang mit Sprache zu erlernen – und damit zugleich ihr Sprachbewusstsein zu schärfen.
7 Quellen
Albertsen, Leif Ludwig, „Nicht hinauslehnen! Sprachstilistische Bemerkungen zum sogenannten imperativischen Infinitiv“, in: Zeitschrift für deutsche Sprache, 26, 1970, 116–118.
Arndt, Petra A./Sambanis, Michaela, Didaktik und Neurowissenschaften. Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis, Tübingen, Narr, 2017.
Bertrand, Yves, „Une structure impérative méconnue“, in: Nouveaux Cahiers d’allemand, 2019, 1, 39–52.
Brinitzer, Michaela/Hantschel, Hans Jürgen/Kroemer, Sandra et al., DaF unterrichten. Basiswissen Didaktik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Stuttgart, Ernst Klett Sprachen, 22016.
Buscha, Joachim/Freudenberg-Findeisen, Renate/Forstreuter, Eike et al., Grammatik in Feldern: Ein Lehr- und Übungsbuch