Muslimin sein. Carla Amina Baghajati
Wenn es aber um ein soziales Miteinander und das Erleben von Gemeinschaft geht, ist überliefert, dass auch menstruierende Frauen ausdrücklich aufgefordert wurden, anlässlich des Festgebets nach dem Ramadan und zum Opferfest an der Zusammenkunft teilzuhaben, auch wenn sie dem eigentlichen Gebet fernblieben.
Daraus lässt sich eine Schlussfolgerung ziehen, die vor allem dann von großem Interesse ist, wenn es darum geht, kulturelle Tabus um die Regelblutung der Frau aufzubrechen. Denn jene Frauen, die nicht am Gebet teilnahmen und trotzdem beim Fest erschienen, konnten unschwer als Menstruierende ausgemacht werden – ohne dass es ihnen „peinlich“ gewesen wäre. In muslimischen Kulturen trifft man heute immer noch auf diesen Geist, bei gebotener Wahrung von Respekt und Intimsphäre gleichzeitig ohne geziertes Versteckspielen mit diesen Dingen umzugehen. In einer Großfamilie, wie sie vielerorts noch üblich ist, wäre es auch schwer die Menstruation zu verbergen. Allerdings gibt es auch andere Gepflogenheiten, wo es zum guten Ton gehört, die Menstruation möglichst geschickt vor allen zu verbergen. Ein menstruierendes Mädchen muss sich dann vor den Brüdern verstecken, wenn sie im Ramadan nicht fastet und tagsüber etwas essen möchte. Männliche Verwandte dürften auch nie etwas wie Vorkehrungen der Monatshygiene zu Gesicht bekommen. Ein solcher verkrampfter Umgang verhindert dann leider auch, dass junge Burschen wie beiläufig etwas von der spezifisch „weiblichen“ Lebenswelt junger Frauen mitbekommen, selbst wenn diese ihre Schwestern sind. Dabei würde ihnen das sehr helfen, mehr Verständnis für Frauen zu entwikkeln.
Das Thema der Menstruation ist so von Ambiguität gekennzeichnet. Einerseits beweist der Umgang des Propheten selbst eine fast demonstrative Unverkrampftheit damit. Andererseits haben sich doch Einstellungen gehalten, die von einer „Unreinheit“ der Frau in dieser Zeit ausgehen und die Menstruation geradezu tabuisieren. Einerseits füllen die Gelehrten Seite um Seite, um die Aspekte der tahara in aller Ausführlichkeit darzulegen – andererseits bleiben sie dann doch irgendwie in technischen Beschreibungen stecken, so dass die Spiritualität der Frau eine Leerstelle bildet. Heute würden sich viele Frauen gar nicht trauen, die Einschränkungen in der religiösen Praxis in Frage zu stellen. Dahinter kann die Scheu stehen, ein Reinheitsgebot zu verletzen – die Gebote der tahara verinnerlichen alle Muslime von klein auf. Viele Musliminnen fühlen sich auch sehr wohl damit, weil sie die Besonderheiten während der Menstruation nicht als Einschränkung, sondern wirklich als Erleichterung sehen.
Umso wichtiger ist es, endlich persönliche Schilderungen von Frauen einzubeziehen, vor allem, wie sie ihre Religion in dieser Zeit leben und sich – das bildete ja die Eingangsfrage – dabei Gott nahe fühlen. So seien abschließend einige Statements wiedergegeben, wie sie Musliminnen untereinander austauschen: „Während der Zeit, in der ich nicht bete, nehme ich mir immer ein Lektüreprogramm vor. Dann studiere ich parallel zur Länge des Gebets einen Text, der Ruhe zum Nachdenken braucht.“ – „Nach der Gebetspause freue ich mich umso mehr auf das rituelle Gebet und finde immer wieder einen frischen Zugang dazu – es ist dann viel intensiver.“ – „Ich habe lange darüber nachgedacht, worin die göttliche Weisheit steckt, dass wir Frauen während der Menstruation nicht beten und fasten. Dann habe ich mir überlegt, wie es wäre, wenn Frauen sich aussuchen könnten, ob sie sich fit genug für diese Gottesdienste fühlen. Würde dann nicht eine Konkurrenz untereinander einsetzen? So nimmt die Weisung auf jene Rücksicht, die wirklich dieser Erleichterung bedürfen – und lässt alle anderen daran teilhaben. So braucht sich keine in ihrer Frömmigkeit herausgefordert fühlen, ‚Fleißaufgaben‘ zu erfüllen – die Befreiung gilt für alle Menstruierenden und Wöchnerinnen.“
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