Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов

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(z.B. Klinghardt 1888) über einen längeren Zeitraum hinweg ihren Unterricht systematisch aufzeichneten, ihre Beobachtungen notierten und diese dann mit Bezug auf die gängigen Theorien zum Sprachenlernen interpretierten (Klippel 2013). Andere Lehrer untersuchten die Geschichte des Französisch- oder Englischunterrichts (s. Kapitel 3.1 zu einschlägigen Beispielen), wiederum andere befassten sich mit theoretischen Konzepten zu einer Sprachenfolge in den höheren Schulen – etwa Julius Ostendorf (dazu Ostermeier 2012).

      Der Beginn der Forschungstradition im Bereich der Fremdsprachendidaktik ist also eng verknüpft mit der Lehrerschaft. Die zunehmende Professionalisierung dieser Lehrer und ihr starkes Engagement für die aufstrebenden modernen Sprachen sowie ihr Bemühen, den Unterricht wissenschaftlich zu fundieren und zu optimieren, führten zu einem regen fachlichen DiskursDiskurs. Und es ist festzuhalten, dass bereits damals historisch, theoretisch und empirisch geforscht wurde – wenn auch letzteres nicht in breitem Umfang.

      Bis in die 1960er Jahre ändert sich diese Situation nicht wesentlich. Zwar gibt es vereinzelt Dissertationen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen (s. Überblick in Sauer 2006), doch findet der wissenschaftliche Diskurs primär nicht auf akademischer Ebene statt, sondern vielmehr bei Fachtagungen und in fachdidaktischen Fachzeitschriften, wie z.B. Die Neueren Sprachen, Neusprachliche Mitteilungen, Praxis des neusprachlichen Unterrichts, die weiterhin für den Unterricht in den beiden Sprachen Englisch und Französisch publizieren1 und zumeist, so scheint es, von Sprachlehrern selbst herausgegeben, verfasst und gelesen werden. Der Französisch- und Englischunterricht ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Gymnasien und Mittelschulen etabliert; an den Universitäten sind fast überall Professuren für die neuphilologischen Fächer eingerichtet, deren Schwerpunkt jedoch weiterhin in der Literaturwissenschaft und der Historischen Sprachwissenschaft liegt. Erst mit dem Ausbau des Unterrichts in einer modernen Fremdsprache, meist Englisch, für Schülerinnen und Schüler aller Schulformen in Folge des Hamburger Abkommens von 1964 und der dadurch erforderlichen Einrichtung von fremdsprachendidaktischen Professuren an den Pädagogischen Hochschulen, an denen damals die Lehrkräfte für die nicht-gymnasialen Schulformen ausgebildet wurden, gewinnt die Fachdidaktik Englisch (vgl. dazu Doff 2008) und in Folge dessen auch die Fachdidaktik der romanischen Sprachen an wissenschaftlicher Statur und Forschungskapazität. Gleichzeitig erhöht sich die Zahl der Lehrkräfte erheblich, die für den Sprachunterricht ausgebildet werden müssen und die als potentielle Rezipienten von Forschungsergebnissen – während der Ausbildung oder im Beruf – zu sehen sind.

      Im Bereich Deutsch als Fremdsprache erfolgt die Entwicklung mit einiger Verzögerung und mit anderen Vorzeichen, denn ein wissenschaftliches Fach etabliert sich in der alten Bundesrepublik erst Ende der 1970er Jahre in unterschiedlich enger Verzahnung mit der Germanistik und mit unterschiedlichen Denominationen (vgl. Götze et al. 2010: 19–20). Für Deutsch als Fremdsprache geht die Forschungstätigkeit weniger von den praktizierenden Lehrkräften aus als von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Als „Motor der Entwicklung im Wissenschaftsbereich“ identifizieren Götze et al. (2010: 20–21) ab 1971 den „Arbeitskreis Deutsch als Fremdsprache“ (AKDaF; heute „Fachverband Deutsch als Fremdsprache“ FaDaF). In den 1970er Jahren entstehen die einschlägigen DaF-Publikationsorgane wie etwa die Zeitschrift „Zielsprache Deutsch“ (ab 1970) und das „Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache“ (ab 1975) (vgl. Götze et al. 2010: 21).

      Die hier geschilderte Entwicklung verlief in der DDR etwas anders. So gab es am Leipziger Herder-Institut, an dem seit 1956 Deutschunterricht für ausländische Studierende erteilt wurde, bereits ab 1968 eine Professur im Fach Deutsch als Fremdsprache. Die fremdsprachendidaktische Forschung in der DDR orientierte sich weitgehend an der russischen (Psycho-) Linguistik und Pädagogik, während die westdeutsche eher in die USA blickte. Vor der Wiedervereinigung 1989 wollte oder konnte man sich in BRD und DDR gegenseitig kaum in den jeweiligen Forschungsbemühungen wahrnehmen (so Hüllen 1991), wenngleich es etwa im Bereich der fachhistorischen Forschung bereits in den 1980er Jahren auf der Basis der Initiative einzelner Forscher zu einem wissenschaftlichen Austausch kam (etwa Strauß 1985).

      Die große Steigerung der Forschungsaktivität ab den späten 1960er Jahren zeigt sich eindrücklich an der wachsenden Zahl von Dissertationen und Habilitationsschriften, die in der Fremdsprachendidaktik angefertigt werden. Während Sauer (2006) für den Zeitraum von 1900 bis 1962 lediglich 19 einschlägige Arbeiten aufführt, sind es von 1968 bis zum Jahr 2000 insgesamt 355. Ab dem Jahr 2000 erfolgen in Deutschland jährlich im Durchschnitt zwischen 15 und 25 Promotionen und Habilitationen in den fremdsprachendidaktischen Fächern.2 Selbstverständlich sind unter den Promovenden und Habilitanden auch Lehrkräfte der Sprachenfächer; genaue Zahlen dazu gibt es jedoch nicht. Dennoch hat sich somit in den letzten 50 Jahren die Forschungstätigkeit eindeutig aus den Schulen in die Universitäten und Hochschulen verlagert, zumal für Lehrkräfte im Schuldienst eine Promotion keine die Laufbahn direkt fördernde Qualifikation darstellt. Es ist heutzutage nicht in jedem Bundesland zwingend erforderlich, dass bei der Besetzung von fachdidaktischen Professuren in den Sprachenfächern Schul- oder Unterrichtspraxis nachgewiesen wird. Insofern hat sich auch in dieser Hinsicht die Forschung aus der Schule heraus verlagert.

      Was wird erforscht?

      Fremdsprachendidaktische Forschung dient dem Ziel, die Komponenten des Sprachunterrichts, dessen Ziele, Inhalte und Methoden, aber auch die Prozesse der Sprachaneignung und die Kontexte, in denen Lehren und Lernen realisiert wird, besser zu verstehen und in Folge effektiver zu gestalten. Wenn man also das Didaktische Dreieck zum Ausgangspunkt einer Analyse nimmt, dann bestehen für die fremdsprachendidaktische Forschung die vier Optionen, ihren Fokus stärker auf die Lern(er)perspektive, die Lehr(er)perspektive oder die Inhaltsperspektive zu legen; als weiterer Fokus kommt der Kontext hinzu, in dem Lehren bzw. Lernen verortet ist.

      Betrachtet man die jüngere deutsche Tradition der fremdsprachendidaktischen Forschung in den vergangenen gut einhundert Jahren, so kann man Phasen unterscheiden, in denen einzelne der genannten Schwerpunkte im Zentrum der Forschung standen, während andere kaum Beachtung fanden. Zu jeder Zeit gibt es Bereiche des Sprachenlernens, die als weitgehend geklärt oder unstrittig gelten, so dass sie als wenig ertragreich für die Forschung betrachtet werden. Gegenwärtig ist das etwa für die generelle Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts auf funktionale Sprachfertigkeiten der Fall. Dass dies ein wichtiges Ziel ist, wird theoretisch kaum hinterfragt; die Mehrzahl der Forschungsvorhaben konzentriert sich vielmehr auf Fragen nach dem optimalen Gestalten von Lernumgebungen, Aufgaben oder Leistungsmessung innerhalb des akzeptierten Konzepts.

      Solange fremdsprachendidaktische Forschung vor allem durch die Sprachlehrer selbst erfolgte, standen Fragen nach der methodischen Gestaltung des Unterrichts und nach der Eignung bestimmter Texte und Materialien im Vordergrund. Die Lern(er)perspektive findet sich in dieser Zeit nur sehr selten. So scheint zwar die kleine Monographie von Felix Franke (1884) aufgrund ihres Titels „Die praktische Spracherlernung auf Grund der Psychologie und der Physiologie der Sprache dargestellt“ einen Fokus auf das Lernen zu besitzen, doch geht es Franke vielmehr um die möglichst einsprachige, aus seiner Sicht natürliche Methode, um Sprachen zu vermitteln. Die nützliche und leider fast vergessene Bibliographie von Kohl/Schröder (1972), die Veröffentlichungen zur englischen Fachdidaktik und deren Bezugsfelder bis 1971 aufführt, liefert für die Zeit bis 1960 unter der Rubrik „Der Fremdsprachen-Lernprozess“ (Kohl/Schröder 1972: 62–65) wesentlich weniger Einträge als ab 1960. Insgesamt enthält die Bibliographie zu dem Themenbereich des Fremdsprachen Lernens nur einen geringen Bruchteil an Publikationen im Vergleich zu denen, die unter „Methodische Grundfragen“ zusammengestellt sind (Kohl/Schröder 1972: 191–286) und die sich also mit der Lehrperspektive befassen. Auch wenn viele der in dieser Bibliographie genannten Aufsätze und Monographien nicht zur Forschungsliteratur im engeren Sinne gezählt werden können, so werden doch zeitlich bedingte Schwerpunktsetzungen sehr deutlich.

      Die Lern(er)perspektive wird ab den 1970er Jahren im Zuge der Etablierung der Sprachlehrforschung sehr viel stärker berücksichtigt. Dieser Blickwechsel wird durch internationale Entwicklungen gestützt, die der Second Language Acquisition Research zur Blüte verhelfen (Königs 2003). Applied Linguistics emanzipiert sich von der Sprachwissenschaft und behauptet sich seitdem als eigener Forschungszweig. Zahlreiche Verbands- und Zeitschriftengründungen im englischsprachigen


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