Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов

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verbreiteten pädagogischen Lexika und Handbüchern (z.B. Rein 1895) sowie der steigenden Zahl an pädagogischen und neuphilologischen Zeitschriften zahlreiche Möglichkeiten zur Publikation historischer Arbeiten.

      Das Interesse dieser frühen historischen Arbeiten richtete sich zum ersten auf die Darstellung der Entwicklung des Unterrichts in den modernen Fremdsprachen in früheren Jahrhunderten im Allgemeinen (Lehmann 1904, Boerner/Stiehler 1906), in bestimmten Regionen (z.B. Ehrhart 1890 zu Württemberg), an bestimmten Institutionen (z.B. zu Berliner Handelsschulen Gilow 1906, zur Universität Gießen Behrens 1907), im Hinblick auf bestimmte Lehr-/ Lernmaterialien (zu Comenius siehe Liese 1904, zu Johann König siehe Driedger 1907, zu Grammatiken siehe Horn 1911) oder auf die Vermittlung einzelner Sprachen, wie des Französischen (Dorfeld 1892, Streuber 1914, Huth 1905) oder Englischen (Pariselle 1895, Junker 1904).

      Für die gegenwärtige historische Forschung liefern diese frühen Schriften, denen aus heutiger Perspektive natürlich in gewisser Weise auch der Status historischer Quellenhistorische Quellen zukommt, aufschlussreiche Einblicke in die damalige Sicht auf die Vergangenheit, die von den Diskursen ihrer Entstehungszeit – etwa im Sinne der Positionierung im Hinblick auf die NeusprachenreformNeusprachenreform – geprägt ist. Wichtiger für die heutige Forschung sind diese Veröffentlichungen jedoch als Belege zu den Quellen früherer Jahrhunderte, von denen viele die Weltkriege und deren Zerstörungen nicht überdauert haben.

      Es ist für die heutige Forschung zudem ein großer Vorteil, dass die Fremdsprachendidaktiker der Wende vom 19. zum 20. Jh nicht nur eigene historische Untersuchungen durchgeführt haben, sondern auch die Publikationen ihrer Zeit akribisch recherchiert und als bibliographische Hilfsmittel zusammengestellt haben. Eine besondere Position nimmt dabei die von Hermann Breymann über einen längeren Zeitraum publizierte BibliographieBibliographie zur neusprachlichen Reformliteratur (Breymann 1895, 1900; Breymann/Steinmüller 1905, 1909) ein, die die Beiträge der Neusprachenreformer und ihrer Gegner nicht nur bibliographisch aufführt, sondern auch kommentiert, so dass der Diskurs im Kontext seiner Zeit aus der Sicht des Bibliographen abgebildet wird, der weder ein radikaler Reformer noch ein Reformgegner war. Eine bedeutsame Rolle spielen auch die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts erscheinenden Enzyklopädien zum Studium der neueren Sprachen, in denen zahlreiche Hinweise auf Lehrwerke, Literatur, Zeitschriften, einschlägige zeitgenössische Veröffentlichungen und den jeweiligen Kenntnisstand zu einzelnen Bereichen der Sprachen und ihrer Vermittlung zu finden sind (siehe etwa Schmitz 1859, Wendt 1893).

      3.1.2 Fremdsprachendidaktische historische Forschung nach 1945

      Nach der ersten Blüte der historischen ForschungForschunghistorische zum Fremdsprachenunterricht um 1900 gibt es für die Zeit bis zum Ende des zweiten Weltkriegs nur ein größeres Werk, das auch heute noch nicht überholt ist, nämlich Wilhelm Aehles Untersuchung zum frühen Englischunterricht insbesondere an den Ritterakademien (Aehle 1938). Man kann eventuell davon ausgehen, dass die durch die nationalsozialistische Schulpolitik vorgenommene Aufwertung des Englischen gegenüber dem bis dahin klar dominierenden Französisch die Erforschung der Anfänge des Englischunterrichts in Deutschland motiviert hat. Wie schwierig sich damals die historische Forschung aufgrund der Rahmenbedingungen gestaltete, erkennt man an Aehles Vermutung, dass sich wohl kein Englischbuch aus dem 18. Jahrhundert mehr auffinden lasse, wenn selbst die Bibliothek des traditionsreichen Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin kein Exemplar des Ende des 18. Jahrhunderts an der Schule verwendeten Buches von Gedike mehr besitze (siehe Aehle 1938: 222–223). Heute bestehen aufgrund des hervorragend vernetzten und leicht digital zugänglichen Bibliotheks- und Archivwesens wesentlich bessere Voraussetzungen für die historische Forschung und auch zahlreiche Lehrwerke des 18. Jahrhunderts sind noch vorhanden (siehe Klippel 1994, Turner 1978).

      In den 1960er Jahren setzte die historische Forschung zum Lehren und Lernen von Sprachen wieder ein und stellt bis heute einen stetigen, wenngleich geringen Anteil aller Forschungsarbeiten im Feld der Fremdsprachendidaktiken, wie man aus der Chronologie bei Sauer (2006) ersehen kann. Vier Dissertationen aus den 1960er Jahren zeigen zum einen die nun gefestigte Vorrangstellung des Englischen, denn sowohl Sauer (1968, zum Englischunterricht in der Volksschule) als auch Schröder (1969, zum Englischunterricht an den Universitäten bis 1850) befassen sich ausschließlich mit der Vermittlung des Englischen, während Flechsig (1962) und Rülcker (1969) Entwicklungen der neusprachlichen Bildung und des neusprachlichen Unterrichts über längere Zeiträume untersuchen.

      Aus Konrad Schröders Beschäftigung mit der Geschichte des Sprachenlernens an Universitäten im deutschsprachigen Raum erwuchs eine überaus fruchtbare und ertragreiche Tätigkeit als Bibliograph und Chronist, deren Ergebnis zahlreiche nützliche Nachschlagewerke zu Lehrbüchern, Lernorten und Sprachenlehrenden vergangener Jahrhunderte sind (etwa Schröder 1975, Schröder 1980–1985, Schröder 1987–1999, Glück/Schröder 2007). Es ist in der Tat ein Kennzeichen der historischen Forschung des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts, dass die Erschließung und Aufarbeitung der Vergangenheit in zahlreichen BibliographienBibliographie und QuellensammlungenQuellensammlungen ihren Niederschlag findet, die bestimmte Felder kartieren und in Folge anderen Forschern als Arbeitsmittel zur Verfügung stehen (z.B. Flechsig 1965 und Hüllen 1979 mit Primärquellen, von Walter 1977 zu Schulprogrammschriften, Christ/Rang 1985 zu Lehrplänen, Macht 1986–1990 zu Lehrbüchern; neuerdings die Arbeiten von Helmut Glück und anderen in der Reihe „Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart“). Somit sind die Voraussetzungen für historische Forschung am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts sehr viel besser als jemals zuvor.

      Der leichtere Zugriff auf die Quellen mag dazu beigetragen haben, dass ab den 1980er Jahren die Forschungsfragen spezifischer und/oder die untersuchten Zeiträume kürzer werden. Dabei geraten zunehmend auch zeitgeschichtliche Entwicklungen in den Blick, wie etwa die Zeit der Kulturkunde (Mihm 1972), die des Nationalsozialismus (Lehberger 1986 zum Englischunterricht, Hausmann 2000 zur Romanistik bzw. Hausmann 2003 zu Anglistik und Amerikanistik an den Universitäten), die Nachkriegszeit (Ruisz 2014), die Zeit zwischen 1945 und 1989 (Doff 2008) oder die Epoche des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts (Kolb 2013). Zugleich verengt sich der Fokus der einzelnen Arbeiten auf spezifische Fragestellungen: so analysiert Franz (2005) die speziell für deutsche Auswanderer nach Nordamerika veröffentlichten Sprachführer im 19. Jahrhundert; Ostermeier (2012) untersucht die Debatte um die Sprachenfolge an höheren Schulen im 19. Jahrhundert und Schleich (2015) stellt auf breiter Quellenbasis die Anfänge des internationalen Schülerbriefwechsels vor dem ersten Weltkrieg dar.

      Das 19. Jahrhundert spielt zu Recht eine wichtige Rolle in der fremdsprachendidaktischen historischen Forschung, denn in dieser Zeit wurden wesentliche Grundlagen für den modernen Sprachunterricht in institutioneller (Lehrpläne, Stundentafeln), materieller (Schulbücher, Materialien, Medien), personeller (Lehrer) und wissenschaftlicher (Lehrerbildung, Forschung) Hinsicht gelegt. Nicht alle dieser Aspekte wurden bisher gleichermaßen untersucht. So wissen wir Näheres nur über wenige wichtige Aktanden dieser Zeit – etwa über V.A. Huber und S. Imanuel (Haas 1990) oder Julius Ostendorf (Ostermeier 2012) –; viele wichtige Persönlichkeiten, wie etwa Ludwig Herrig oder Carl Mager, jedoch harren noch darauf, in ihrem Wirken und ihren Werken näher erforscht zu werden. Die Entstehung neuphilologischer Lehrstühle an den Universitäten ist gut dokumentiert und analysiert (z.B. Haenicke 1979, Finkenstaedt 1983, Christmann 1985), doch wurde bislang die Lehrerbildung nur punktuell einbezogen (Haenicke 1982). Die mit dem Fremdsprachenunterricht verknüpften Bildungsvorstellungen und außersprachlichen, kulturellen Inhalte untersuchen Flechsig (1962) und Raddatz (1977). Einzelne Forschungsarbeiten zu dieser Epoche widmen sich der Entwicklung von Medien (z.B. Schilder 1977, Reinfried 1992) sowie Lehr- und Lesebüchern (Diehl 1975, Bode 1980, Niederländer 1981, Klippel 1994); dabei wird die Methode der historischen LehrbuchanalysehistorischeLehrbuchanalysehistorische Lehrbuchanalyse zunehmend verfeinert.

      Schwierig ist es, aus historischer Sicht etwas zu den konkreten Lernbedingungen in den Schulen der Vergangenheit und den Lernenden selbst herauszufinden. Selbstverständlich gehen alle Untersuchungen vom „Normalfall“ aus; für das 19. Jahrhundert sind das die höheren Schulen, die Knaben vorbehalten waren. Die wegweisende Studie von Sabine Doff (2002) zum Fremdsprachenlernen von und Fremdsprachenunterricht für Mädchen im 19. Jahrhundert liefert Einsichten in ein anderes, aus heutiger Sicht moderneres Konzept von Sprachenlernen.


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