Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck
Aufl. 2019, Einl. Rz. 40; Bähr, ebenda, § 294 Rz. 3–5; Eilert, VersR 2009, 709. 653 Siehe zum heutigen Recht Dreher in: Prölss/Dreher (Fn. 570), Einl. Rz. 12, 35 unter Verweis auf Erwägungsgrund 16 der RL 2009/138/EG. Zu beiden Ansätzen ausführlich R. Schmidt/Präve in der Vorauflage (2005), Vorbem. Rz. 57ff. m. Nachw. 654 Dreher in: Prölss/Dreher (Fn. 570), Einl. Rz. 10f., 13 unter Verweis auf Art. 28 RL 2009/138/EG; Bürkle in: Kaulbach/Bähr/Pohlmann (Fn. 652), Einl. Rz. 41 unter Verweis auf Deutsche Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen, BT-Drs. 18/2956, S. 289. 655 R. Schmidt/Präve in: Prölss/Dreher (Fn. 653), Vorbem. Rz. 64f.; zurückhaltend gegenüber diskutierten weitergehenden Aufsichtszielen Präve in: Prölss/Dreher (Fn. 653), § 1 Rz. 5. 656 Deutsche Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz – AIFM-UmsG, BT-Drs. 17/12294, S. 187ff. 657 Dazu siehe insb. §§ 34d-34i GewO und Will in: Pielow (Fn. 6), § 34d GewO vor Rz. 1 (Hintergrund) und die nachfolgenden Kommentierungen von §§ 34dff. GewO. 658 Zur Gesetzgebungsgeschichte siehe noch unten Kap. 5.A.III.1.b) (S. 261). 659 Bredt, WM 2013 1839f. 660 Beck in: Schwark/Zimmer (Fn. 570), § 1 BörsG Rz. 1. 661 Schwark in: Schwark/Zimmer (Fn. 570), Einl BörsG Rz. 18. 662 Zu den Ausprägungen der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts in diesem Zusammenhang eingehend Beck in: Schwark/Zimmer (Fn. 570), § 1 BörsG Rz. 1. 663 Dabei sind Wertpapiersammelbanken Banken, die als Verwahrer eine Sammelverwahrung anbieten; siehe § 1 Abs. 3, § 5 DepotG. 664 Scherer in: Scherer, DepotG, München 2012, Vor § 1 Rz. 2. 665 Siehe z.B. Canzler/Hammermaier, AG 2014, 57 (57); Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437 (440), jeweils zu Einzelaspekten. 666 Das gilt zumindest für die ursprüngliche Fassung; vgl. Assmann in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Einleitung, Rz. 11, 15. Die deutschen Regelungen werden mittlerweile sehr stark durch EU-Recht überlagert, allerdings ohne dass sich die Zielsetzung dadurch grundsätzlich verändert; dazu Assmann in: Assmann/Schneider/Mülbert (Fn. 107), Einleitung Rz. 1ff., 26ff. 667 Heidelbach in: Schwark/Zimmer (Fn. 570), Einl WpPG Rz. 1, 23. Die Auslegung dieses Schutzziels erfolgt dabei unter Rückgriff auf Prospektrichtlinie 2003/71 EG in der Fassung der RL 2008/11/EG. 668 Noack/Zetzsche in: Schwark/Zimmer (Fn. 570), Einl WpÜG, Rz. 9.
C. Wann ist eine Gefahr für die relevanten Schutzgüter zu bejahen?
Das deutsche Aufsichtsrecht dient der Bekämpfung von Gefahren für die relevanten Schutzgüter. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gefahrentatbestands sind sowohl dem Finanzaufsichtsrecht auf internationaler bzw. europäischer Ebene, als auch dem deutschen Finanzaufsichtsrecht keine näheren Vorgaben zu entnehmen (Abschn. I). In Ermangelung solcher Vorgaben ist auf den Gefahrbegriff des allgemeinen Ordnungsrechts zurückzugreifen (Abschn. II).
I. Kein finanzaufsichtsrechtlicher Gefahrbegriff
1. Internationale Ebene (Völkerrecht)
Die G 20 sprechen zwar in ihren Gipfelerklärungen allgemein von auf den Finanzmärkten bestehenden und von den Marktteilnehmern unterschätzten Risiken (risks).669 Dabei handelt es sich jedoch um eine Beschreibung des Sachverhalts, der für die Gipfelteilnehmer zur Begründung ihrer Regulierungsinitiativen herangezogen wird, z.B. wenn von einem „rücksichts- und verantwortungslosen Eingehen von Risiken“ gesprochen wird.670 Dasselbe gilt für die Empfehlungen der die G 20-Beschlüsse konkretisierenden übernationalen Institutionen und Gremien.671 Die Gefahrentatbestände, an denen rechtliche Regelungen zur Bekämpfung der angesprochenen Risiken anknüpfen sollen, werden in den Gipfelerklärungen nicht im Einzelnen definiert.
2. Europäische Union
Im europäischen Aufsichtsrecht wirken sich das Fehlen eines primärrechtlichen Schutzgutes und die aus Gründen der Kompetenzverteilung begrenzten Durchsetzungsbefugnisse europäischer Exekutivorgane auch in Bezug auf die Definition relevanter Gefahrentatbestände aus. Anstelle eines allgemeinen und nach Bedarf weiter ausdifferenzierten Gefahrentatbestands wird der Regelungsgegenstand der europäischen Vorschriften in Bezug auf einzelne Regelungsfelder und häufig ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die abzuwendenden aufsichtsrechtlichen Gefahren definiert.
So wird beispielsweise zwar in den Erwägungsgründen der aktuellen Eigenkapitalvorschriften für Banken (CRR/CRD IV) darauf hingewiesen, dass „Transparenz, Rechenschaftspflicht und Regulierung durch eine quantitative und qualitative Verbesserung der Kapitalbasis [gestärkt]“ werden, das „Anwachsen der Verschuldung im Bankensektor“ eingedämmt, „Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen“ beseitigt und „Makroaufsichts- und Systemrisiken“ abgewendet und eingedämmt werden sollten.672 Als Anwendungsbereich wird allerdings lediglich die Festlegung allgemeiner Aufsichtsanforderungen in Bezug auf Eigenmittel, die Begrenzung von Großkrediten, Liquiditätsanforderungen, Berichts- und Offenlegungspflichten bestimmt.673 Einzelne Gefahrentatbestände werden grundsätzlich nur für Situationen bestimmt, in denen die genannten Anforderungen unterschritten werden.674 Soweit eine Zuständigkeit von europäischen Institutionen besteht, die Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsvorgaben sicherzustellen, enthalten allerdings auch die Verordnungen 1024/2013 und 468/2014 gefahrbezogene Aufgaben- und Befugnistatbestände.675
Die Verordnung 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR) hat einheitliche Anforderungen in Bezug auf verschiedene Regelungsbereiche des Handels mit Finanzinstrumenten zum Gegenstand.676 Aus dem ersten Erwägungsgrund ergibt sich freilich, dass diese Anforderungen vor dem Hintergrund festgelegt wurden, dass Transparenzdefizite der Finanzmärkte „schädliche sozioökonomische Auswirkungen“ haben können. Diese schädlichen Auswirkungen werden in den weiteren Erwägungsgründen der Verordnung 600/2014 und der sie ergänzenden Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) näher spezifiziert.677 Hinzu treten Einzelvorschriften in der Verordnung 600/2014 und den Verordnungen über die europäischen Aufsichtsbehörden, in denen den jeweils zuständigen Behörden für bestimmte Gefahrentatbestände konkrete Eingriffsbefugnisse gegenüber den Marktteilnehmern zugewiesen werden.678 Darüber hinaus gehende behördliche Zulassungs- bzw. Überwachungspflichten für die europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden bestehen gegenüber Handelsplätzen.679
In der Verordnung 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR) sind als Gegenstand bestimmte Pflichten für die Marktteilnehmer festgelegt.680 Die Verordnung soll dadurch den Aufsichtsrahmen für den Finanzsektor stärken, um das „Risiko künftiger Finanzkrisen einzudämmen“.681 Die Verordnung enthält deshalb einzelne Befugnisregelungen, die mit dem „übergeordnete[n] Ziel, das Systemrisiko zu verringern“, begründet werden.682 Durch diese Befugnisse sollen die zuständigen Behörden in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Pflichten gegenüber den Marktteilnehmern durchzusetzen.683 Darüber hinaus gehende Zulassungs- und Überwachungspflichten bestehen gegenüber Zentralen Gegenparteien und Transaktionsregistern.684
Die so genannte Marktmissbrauchsverordnung