Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck

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Zusammenhang beispielsweise, dass die zuständige Behörde eine Produktintervention nicht vornehmen darf, ohne zuvor gegenüber den Marktteilnehmern ihre Befugnisse zur Durchsetzung von Informations- und Offenlegungspflichten im konkret gebotenen Umfang auszuüben. Allerdings kann die Behörde die Marktteilnehmer als Verursacher oder sonst Verantwortliche (sog. Störer) im Rahmen der behördlichen Befugnisse auch zu so genannten Gefahrerforschungsmaßnahmen verpflichten, um so das Ausmaß vorhandener Gefahren zu ermitteln.

      Dessen ungeachtet dürfte den Aufsichtsbehörden grundsätzlich ein sehr weiter Spielraum für etwaige Eingriffe einzuräumen sein. Denn auch in diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die gesetzlichen Eingriffsbefugnisse angesichts der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der relevanten Schutzgüter der Entstehung einer konkreten Gefahr bewusst weit vorgelagert sind und dass sich Gefahren nur schwer begrenzen lassen, wenn sie sich realisieren.

      696 BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2002, 6 CN 4/01, Rz. 31f., 34; Urteil vom 18. Dezember 2002, 6 CN 3/01, Rz. 24, 27 (zit. nach Juris).

      E. Abgrenzung zu anderen Bereichen der öffentlich-rechtlichen Gefahrenvorsorge

       I. Einleitung

      Das Prinzip der Gefahrenvorsorge baut zwar im Finanzaufsichtsrecht wie in anderen Bereichen des Ordnungsrechts auf dem Phänomen des „Risikos“ auf. Dennoch erscheint das rechtliche Verständnis von Risiken aus anderen ordnungsrechtlichen Bereichen nicht übertragbar.

       • Zum einen können für das deutsche Aufsichtsrecht grundsätzlich die hergebrachten Prinzipien des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts weiter maßgebend bleiben.

       • Zum anderen verlagern die besonderen Regelungen des Aufsichtsrechts die Eingriffsschwelle, soweit sie an die bloße Möglichkeit von Rechtsgutsverletzungen anknüpfen, in den Bereich der Gefahrenvorsorge und gestalten diese sowohl tatbestandlich als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen weiter aus.699

      In anderen Bereichen des Ordnungsrechts wird dem Risikobegriff jedenfalls im Schrifttum eine weitergehende rechtliche Bedeutung zugeschrieben. Diese rechtliche Bedeutung weicht nicht nur von dem hier zugrunde gelegten wirtschaftlichen Risikoverständnis ab (Abschn. II). Sie wird auch aus Vorgaben des höherrangigen Rechts hergeleitet, bei denen zweifelhaft ist, ob sie in vergleichbarer Weise für den Umgang mit Risiken im Finanzaufsichtsrecht gelten können (wo es ja eigene Vorgaben gibt) (Abschn. III).

       II. Der Risikobegriff als Element eines „Risikosteuerungsrechts“?

       1. Einführung

      Ausgehend von der Beobachtung, dass die Eingriffsschwelle mittlerweile in vielen Bereichen des Ordnungsrechts vorverlagert ist, wird diskutiert, ob sich das Ordnungsrecht zunehmend von einem Gefahrenabwehrrecht zu einem so genannten Risikosteuerungsrecht entwickelt. Die Diskussion ist nicht nur semantischer Natur. Sie erscheint auch im aufsichtsrechtlichen Kontext relevant, zumindest soweit es um die Regulierung von Finanzinstrumenten mit einer neuartigen Risikostruktur geht.

      

      Eine Gefahrenvorsorge zur Risikosteuerung im zuvor beschriebenen Sinne bedeutet, dass das Finanzaufsichtsrecht grundsätzlich nach ähnlichen Grundsätzen zu betrachten ist wie Regelungen zur Katastrophen- und Seuchenbekämpfung, der Terrorabwehr oder zum Umgang mit Cyberangriffen. Denn in allen derartigen Bereichen können Schadensereignisse zu immensen Schäden führen, die zugleich breit streuen. Die zuständigen Behörden verfügen auch nicht ohne Weiteres über die nötigen Informationen, um eine zutreffende Lagebewertung vorzunehmen. Außerdem kann der Eingriffszeitpunkt für Maßnahmen der Gefahrenabwehr so spät liegen, dass sich die Schäden tatsächlich nicht mehr abwenden lassen. Aus diesen Gründen wird die Eingriffsschwelle vom Gesetzgeber vorverlagert, um eine etwaige Schädigung der Rechtsgüter, deren Schutz die Vorsorge dienen soll, zu vermeiden.

      Die Idee eines eigenständigen Risikosteuerungsrechts ist allerdings immer noch von großen Unsicherheiten geprägt. Auf Tatbestandsseite stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das „Risiko“ als rechtliche Kategorie zur Gefahr steht (dazu nachfolgend Abschn. 2). Auf Rechtsfolgenseite stellt sich die Frage, was aus einer solchen rechtlichen Kategorie für den Umgang mit Risiken folgt (dazu Abschn. 3). Immerhin dürften Risiken rechtsdogmatisch bedeutsam sein, weil sie zu einer Verknüfung von Tatbestand und Rechtsfolge führen. Dies ist auch im vorliegenden Kontext relevant (Abschn. 4).

       2. Tatbestandsseite: Risiko als eigenständige rechtliche Kategorie?


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