Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck

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Ansprüche zum Schutz ihrer Interessen einräumt. Die deutschen Zivilgerichte waren auch zurückhaltend darin, solche Ansprüche in offen formulierte Vorschriften hineinzulesen. Sie haben den gesetzlichen Anlegerschutz allerdings durch die großzügige Annahme von „Beratungsverträgen“ zwischen den Anbietern von Finanzprodukten und deren Kunden und aus solchen Verträgen abgeleiteten Einzelpflichten ergänzt. Der EU-Gesetzgeber hat diesen Schutz in der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) nun erweitert.816 Die jeweiligen Einzelpflichten treffen einseitig die Anbieter von Finanzprodukten, sodass der Anlegerschutz in einen Verbraucherschutz übergeht.817

       3. Verbraucherschutz im Kontext des Aufsichtsrechts

      Zu Kollisionen mit den aufsichtsrechtlichen Schutzgütern kann es hingegen kommen, wenn gesetzgeberische oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen zum Schutz von Verbrauchern ergriffen werden, die selbst an den von den Maßnahmen betroffenen Finanztransaktionen beteiligt sind und die sich in diesem Rahmen grundsätzlich auch selbst schützen können. Das ist etwa der Fall, wenn der Vertrieb von Finanzinstrumenten aus Verbraucherschutzgründen beschränkt wird oder soweit besondere Beratungspflichten gegenüber Verbrauchern eingeführt werden. Insofern ist zu bedenken, dass die Märkte für an Verbraucher vertriebene Finanzinstrumente zumeist wettbewerbsintensiv sein dürften. Anleger in einem durch funktionierenden Wettbewerb geprägten Marktumfeld können Finanzinstrumente grundsätzlich auch bei unterlegener Verhandlungsposition von solchen Anbietern beziehen, die sie – aus ihrer eigenen Sicht – hinreichend über die Vor- und Nachteile der Anlage einschließlich der damit verbundenen Chancen und Risiken aufklären. Deshalb ist es von vornherein fraglich, ob es eines besonderen Schutzes der betreffenden Verbraucher bedarf.

      Zusammenfassend lässt sich somit festzuhalten, dass sich der vom europäischen und deutschen Gesetzgeber angestrebte Verbraucherschutz mit den Zielen des Aufsichtsrecht und insbesondere dem aufsichtsrechtlichen Anlegerschutz zwar decken kann. Er kann aber auch darüber hinausgehen. In diesen Fällen erfolgen Maßnahmen zum Verbraucherschutz notwendigerweise einseitig zulasten aufsichtsrechtlicher Ziele und auch zulasten des unverfälschten Wettbewerbs. Ein Ausgleich lässt sich insofern nicht herstellen. Der Verbraucherschutz erscheint somit als Fremdkörper.

      801 Siehe Art. 3 Abs. 3 EUV i.V.m. Protokoll 27 zu den EU-Verträgen, konsol. Fassung, ABl. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 1. 802 Art. 42 Abs. 1–2 VO 600/2014 (= § 4b Abs. 1–2 WpHG a.F.); im deutschen Recht siehe darüber hinaus auch § 6 (= § 4a. F) Abs. 1 S. 3, Abs. 2, § 14 (= § 4a a.F.) WpHG. Näher zu diesen Vorschriften siehe unten Kap. 5.B.III.6.a)aa) (S. 386). 803 Dies folgt schon daraus, dass die Vorgaben des Protokolls 27 nicht nur einen „unverbindlichen Programmsatz“ darstellen, sondern nach der Rechtsprechung ein Ziel bestimmen, das nach der Wertung der Verträge als unerlässlich für die Erfüllung der Aufgaben der EU anzusehen ist; siehe EuGH, Urteil vom 21. Februar 1973, 6/72 – Europemballage und Continental Can, Slg. 1973, 215, ECLI:EU:C:1973:22, Rz. 23. 804 Siehe die Erwägungsgründe der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L 42 vom 12. Februar 1987, S. 48: „Die vertraglichen Bedingungen können für den Verbraucher nachteilig sein.“ Die Richtlinie wurde zwischenzeitlich aufgehoben durch Richtlinie 2008/48/EG über


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