Datenschutzrecht im Smart Metering unter Berücksichtigung der Blockchain-Technologie. Viktoria Lehner
wie sie im Smart Metering eingesetzt werden könnten, analysiert und auf die dabei zu erwartenden datenschutzrechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten eingegangen. In diesem Rahmen werden nicht nur die Frage der Verantwortlichkeit in solchen Systemen sowie die Technologieneutralität der DS-GVO55 erörtert. Ebenfalls werden im Sinne einer ‚Blockchain by Design‘ technische und konzeptionelle Lösungsansätze für ein datenschutzkonformes, Blockchain-basiertes Smart-Metering-System nach Maßgabe von Art. 25 Abs. 1 DS-GVO vorgestellt, das insbesondere die Durchsetzung von Berichtigungs- bzw. Löschungsansprüchen Betroffener ermöglicht.
Die Arbeit endet mit Teil 5, in dem die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst werden und ein Ausblick auf die unmittelbaren Implikationen für die Praxis sowie die weitere Entwicklung der angesprochenen Transformationsprozesse gewährt wird.
52 Das MsbG sieht bereits eine Anbindbarkeit von Messeinrichtungen für Gas an das Smart-Meter-Gateway vor, vgl. §§ 20, 40 Abs. 2 MsbG. In Sinne einer Spartenbündelung ist perspektivisch auch die mehrspartenfähige Anbindung von Fernwärme- oder Wasser-Messeinrichtungen an das Smart-Meter-Gateway angedacht (sog. Sub-Metering), vgl. dazu § 6 Abs. 1 Nr. 2 MsbG; BSI, Standardisierungsstrategie, S. 3, 14, 22, 60. 53 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. 54 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.11.2011 – C-468/10, C-469/10, ZD 2012, 33 – ASNEF/FECEMD. 55 Vgl. Erwägungsgrund 15 Satz 1 DS-GVO.
Teil 2 Grundlagen
Die folgenden Vorüberlegungen zu der Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen nach dem MsbG und dem Personenbezug von Smart-Meter-Daten dienen insbesondere der Verifizierung der These, dass der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO im Smart Metering allgemein eröffnet ist. Nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO gilt die DS-GVO nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Zudem sollen als Grundlage für die späteren datenschutzrechtlichen Erwägungen, die in Teil 4 dieser Arbeit erfolgen werden, die technischen Grundlagen einer Blockchain und ihre Anwendungsmöglichkeiten beim Smart Metering näher dargestellt werden.
A. Elemente der intelligenten Energieversorgung
Hinter der täglichen und teils unbewussten Nutzung von Energie verbirgt sich ein komplexes, europaweit integriertes System – die Energiewirtschaft.56 Diese hat sich in den letzten 20 Jahren einem substantiellen tatsächlichen und rechtlichen Wandel unterzogen.57 Lange Zeit war der Energiesektor durch natürliche Monopole mit kartellrechtlichen Freistellungen gekennzeichnet, die durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)58 – das erste deutsche Energiegesetz – zunächst beibehalten wurden. Erst mit der Novellierung des EnWG im Jahr 199859 wurde aufgrund europarechtlicher Vorgaben60 eine Liberalisierung der Energiewirtschaft begonnen, die bis heute fortdauert.61 Zweck des EnWG in der heutigen Fassung ist nach § 1 Abs. 1 EnWG die möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Elektrizitätsversorgung, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhen soll. Neben dem EnWG und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)62 stellt das MsbG eine dritte bedeutsame Säule des deutschen Energierechts dar.63 Intelligente Stromzähler fungieren unter anderem für die Konzepte Smart Home und Smart Grid als Schlüsseltechnologie.64 Durch das MsbG wurde für das intelligente Messwesen eine neue Wertschöpfungsebene in der Energiewirtschaft mit einem eigenen Preisregime65 sowie neuen Marktrollen66 geschaffen.
I. Energiewirtschaftliche Wertschöpfungsstufen und Messwesen
Die Energiewirtschaft wird für den Strommarkt zumeist in vier Wertschöpfungsstufen eingeteilt: die Ebenen der ‚Energieerzeugung‘67, des Transports bzw. der Verteilung, des Handels und des Vertriebs von Elektrizität.68 Teilweise wird die Messung als eigenständige fünfte Wertschöpfungsstufe zwischen Verteilung und Vertrieb verortet69, sie ist aber bei einer fortschreitenden Vernetzung von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen prinzipiell auf jeder Ebene zwischen Produzent und Endverbraucher von Belang.
Für den Messstellenbetrieb und die Stromverbrauchsmessung war bislang der sog. Verteilnetzbetreiber zuständig.70 Dieser verantwortet das Management des regionalen Stromverteilnetzes, das im Regelfall eine Kombination aus Höchst-, Hoch- und Mittelspannungsnetz darstellt.71 Demgegenüber sind die insgesamt vier sog. Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland nach § 13 EnWG für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems der Elektrizitätsversorgung zuständig.72 Das MsbG stärkt die Liberalisierung des Messwesens und bildet die Marktrolle des Messstellenbetreibers i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 12 MsbG aus.73 Die Rollen des für den Messstellenbetrieb Verantwortlichen und des Verteilnetzbetreibers können nun tatsächlich auseinanderfallen.
Messstellenbetreiber kann entweder der sog. grundzuständige Messstellenbetreiber i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 4 MsbG (regelmäßig der Verteilnetzbetreiber74, oft handelt es sich dabei um ein kommunales Stadtwerk) oder ein wettbewerblicher Messstellenbetreiber als Dritter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 12 Alt. 2 MsbG sein.75 Der Messstellenbetreiber ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MsbG unter anderem für den Einbau, den Betrieb und die Wartung der Messstelle und ihrer Messeinrichtungen sowie für die Einhaltung zahlreicher weiterer Vorgaben aus dem MsbG verantwortlich.
Gemäß § 18 der Stromnetzzugangsverordnung76 (StromNZV) erfolgt die Messung des Stromverbrauchs nach den Bestimmungen des MsbG. Bei der Stromverbrauchsmessung werden Daten über verbrauchte Kilowattstunden (kWh) mithilfe einer Messeinrichtung erhoben und anschließend durch energiewirtschaftliche Akteure weiter verarbeitet.
Bisher wurden bei Haushaltskunden zur Verbrauchsmessung größtenteils elektromechanische Stromzähler – sog. Ferraris-Zähler – benutzt, die meist einmal im Jahr abgelesen wurden, z.B. durch Selbstablesung oder durch einen Mitarbeiter des zuständigen Verteilnetzbetreibers.77 Bei diesen Zählern handelt es sich um analoge Drehstrom- oder Wechselzähler, die mit einer mechanisch rotierenden Drehscheibe und einem Rollenzählwerk ausgestattet sind.78 Der herkömmliche Ferraris-Zähler ermöglicht keine detaillierte Nachverfolgung des aktuellen Energieverbrauchs, sondern stellt lediglich die innerhalb einer längeren Abrechnungsperiode insgesamt verbrauchten kWh als aggregierten Wert dar.
II. Digitalisierung und Vernetzung der Energieversorgung
Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Katalysator für die voranschreitende Vernetzung.79 Hinter den Begriffen ‚Smart Meter‘, ‚Smart Home‘ und ‚Smart Grid‘ verbergen sich dabei kaum abgrenzbare, teils nur angedachte oder bereits bestehende Konzepte. Allen Ansätzen gemein ist allerdings der vernetzende Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik.
1. Intelligenter Stromzähler – Smart Meter
Smart Metering wird in der Literatur teils als das elektronische Auslesen von Energieverbrauchszählern definiert.80 Seit Inkrafttreten des MsbG ist unter ‚Smart Metering‘ aber auch allgemeiner die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen zu fassen, die nicht zwingend mit dem Auslesevorgang zusammenfallen muss, sondern z.B. auch Einspeiseanlagen betreffen kann.81 Smart Metering bietet bei entsprechender tariflicher Vereinbarung nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 MsbG die Möglichkeit der sekundenscharfen Fernauslesung der Messgeräte und somit feingranulare Messdaten – im Gegensatz zu den bislang erhobenen, oftmals über den Zeitraum eines Jahres aggregierten Messdaten. Smart Meter sind dabei als Strom-, Gas-, Wärme- oder Wasserzähler ausgestaltbar.82
Bei den Verbrauchern soll durch den Einbau von