Datenschutzrecht im Smart Metering unter Berücksichtigung der Blockchain-Technologie. Viktoria Lehner
Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO implizieren158 und damit Datensicherheits- und Datenschutzrisiken in deutlich höherem Maße als bisher Einzug in das Energiesystem halten werden.159
Die Konzepte von Smart Meter, Smart Home und Smart Grid reichen bis in das Haus oder die Wohnung der Letztverbraucher und weisen daher eine erhebliche Datenschutzrelevanz auf.160 Es besteht etwa die Gefahr, dass sich aus hochaufgelösten, feingranularen Messwerten detaillierte Nutzerprofile von natürlichen Personen erstellen lassen.161 Nicht nur kann festgestellt werden, ob Strom verbraucht wird, sondern durch entsprechende Analysetools auch, welches Haushaltsgerät genutzt wird, ggf. bis hin zum konkret eingeschalteten Fernsehprogramm.162
In Kombination mit Daten aus sozialen Netzwerken und sonstigen Quellen ist die Erstellung eines detaillierten Bewegungsprofils möglich.163 Je geringer die Messintervalle sind, desto mehr Details werden auch über das Verhalten von Personen in einem Haushalt bzw. Gebäude aufgezeichnet. Bereits 15-Minuten-Intervalle reichten Forschern aus, um mit den erhobenen Smart-Meter-Daten beispielsweise Urlaubszeiten der Bewohner oder religiöse Praktiken anhand der Zeitverschiebungen bei täglichen Aktivitäten während des Ramadans zu ermitteln.164 Es konnte z.B. beobachtet werden, dass Bewohner während des Ramadans früher als sonst aufstanden, und so daraus geschlossen werden, dass sie Muslime sind.165
In der Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 2 MsbG ist vorgesehen, dass bei Letztverbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch von weniger als 100.000 kWh, worunter nahezu alle Privathaushalte fallen, und einem verbauten intelligenten Messsystem eine sog. ‚Zählerstandsgangmessung‘ durchzuführen ist. Diese wird in § 2 Satz 1 Nr. 27 MsbG definiert als
„die Messung einer Reihe viertelstündig ermittelter Zählerstände von elektrischer Arbeit und stündlich ermittelter Zählerstände von Gasmengen“.
Intelligente Messsysteme sind allerdings durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber bei Letztverbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch bis einschließlich 6.000 kWh nicht verpflichtend zu verbauen, sondern nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 Nr. 1 MsbG nur optional. Viele deutsche Ein- und Mehrpersonen-Haushalte verbrauchen weniger als 6.000 kWh im Jahr. Im Jahr 2017 hat ein deutscher Haushalt durchschnittlich 3.111 kWh Strom im Jahr verbraucht.166 Der Messstellenbetreiber hat daher die Wahl, in der Verbrauchsgruppe bis 6.000 kWh intelligente Messsysteme zu verbauen oder lediglich moderne Messeinrichtungen als digitalen Basiszähler. Solange keine Eichfrist überschritten wird, können auch konventionelle Zähler weiter betrieben werden in dieser Verbrauchsgruppe.
Soweit in einem durchschnittlichen Privathaushalt kein intelligentes Messsystem verbaut ist, gilt für die Messintervalle die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 MsbG. Hiernach erfolgt die Messung entnommener Elektrizität
„durch Erfassung der entnommenen elektrischen Arbeit entsprechend den Anforderungen des im Stromliefervertrag vereinbarten Tarifes“.
Wie häufig in diesen Fällen tatsächlich Messwerte erhoben werden, hängt daher von dem individuell gewählten Stromliefertarif des Letztverbrauchers ab. Es ist angesichts der Etablierung innovativer Geschäftsmodelle, die vor allem auf die Auswertung und Visualisierung von energiewirtschaftlichen Messdaten setzen, zu erwarten, dass Stromliefertarife mit entsprechend feingranularen Messintervallen angeboten und abgeschlossen werden, auch wenn kein intelligentes Messsystem verbaut wird. Daher kann gerade nicht geschlussfolgert werden, dass der herkömmliche Verbraucher durch die Einführung intelligenter Messtechnik vorerst nicht betroffen wird, auch wenn keine unmittelbare Einbauverpflichtung bezüglich intelligenter Messsysteme für die meisten Privathaushalte besteht.
Die Bundesnetzagentur kommt in ihrer Stellungnahme vom 12.4.2016 zu dem Schluss, dass der ‚gläserne Verbraucher‘ durch das MsbG nicht zu befürchten sei, da der Datensicherheit und dem Datenschutz ausreichend Rechnung getragen werde.167 Die datenschutzrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Smart Metering werden in der Literatur zwar seit längerem erörtert, jedoch kaum auf dem aktuellen Stand des MsbG und der DS-GVO.168
Eine datenschutzrechtlich sinnvolle Aufteilung zwischen den Ebenen Smart Meter und Smart Grid ist kaum vorzunehmen.169 Im Folgenden werden daher ausgehend von den einzelnen Messeinrichtungen die Auswirkungen für die betroffene Person im gesamten Netz dargestellt.
56 Pritzsche/Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 3. 57 Knauff, NVwZ 2017, 1591; zur Verdichtung des Regulierungsregimes Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 1 Rn. 36. 58 Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft v. 13.12.1935, RGBl. 1935 I, S. 509. 59 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) v. 29.4.1998, BGBl. 1998 I, S. 730. 60 Vgl. Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.12.1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl. L 27 v. 30.1.1997, S. 20–29. 61 Zur Liberalisierung des Energiemarktes im Detail vgl. Haucap/Heimeshoff, in: Hoch/Haucap, Energiekartellrecht, Kap. 1 Rn. 2–7. 62 Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) v. 21.7.2014, BGBl. 2014 I, S. 1066. 63 Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 1 Rn. 28. 64 Güneysu/Vetter/Wieser, DVBl 2011, 870. 65 Vgl. die sog. Preisobergrenzen nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 31 MsbG für den grundzuständigen Messstellenbetrieb. 66 Vgl. den grundzuständigen Messstellenbetreiber nach § 2 Satz 1 Nr. 4 MsbG, den ‚wettbewerblichen‘ Messstellenbetreiber als Dritten nach § 2 Satz 1 Nr. 12 Alt. 2 MsbG. 67 Physikalisch betrachtet kann Energie nicht ‚erzeugt‘ oder ‚verbraucht‘ werden; Energie wird lediglich zwischen verschiedenen Energieformen umgewandelt, z.B. von kinetischer Energie in thermische Energie, oder von einem System in ein anderes System transportiert, vgl. dazu etwa die physikalischen Energieerhaltungssätze der Thermodynamik, Elektrodynamik oder auch der Quantenmechanik. 68 So Pritzsche/Vacha, Energierecht, § 1 Rn. 15; Klees, Energiewirtschaftsrecht, Kap. 1 Rn. 136. 69 So Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 1 Rn. 8, 11. 70 Germer, EnWZ 2017, 67. 71 Vgl. Aichele, Smart Energy, S. 6. 72 Vgl. Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 2 Rn. 49; Müsgens, EnWZ 2017, 243 (246). 73 Baumgart/Mallmann, ZNER 2017, 95 (96). 74 Lange, EWeRK 2016, 165 (166f.); Franke/Gorenstein, in: Gundel/Lange, Digitalisierung der Energiewirtschaft, S. 1 (11). 75 Zur Wahl des Messstellenbetreibers Böhme/Riemer, in: Gundel/Lange, Digitalisierung der Energiewirtschaft, S. 67–84. 76 Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen v. 25.7.2005, BGBl.2005 I, S. 2243. 77 Vgl. EDSB, Stellungnahme zur Einführung intelligenter Messsysteme, Ziffer 15. 78 Wulf, Smart Metering, S. 35. 79 Boehme-Neßler, Unscharfes Recht, S. 505. 80