Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen. Sebastian Louven
href="#ulink_502585f5-6653-5073-bcdb-b0ab3f2ed729">109 Hass, MedienWirtschaft Sonderheft 2007, S. 70 (72f.). 110 BKartA, Beschl. v. 22.2.2002 – B7-168/01 (Liberty/KDG), BeckRS 2002, 10429 = WuW 2002, 632. 111 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (1017). 112 Rochet/Tirole, RJE 2006, S. 645 (646). 113 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 47. 114 Ebenda, S. 35. 115 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (1016). 116 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 49. 117 Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, 2018, S. 473, 489f.; Haucap, Wirtschaftsdienst 2015, S. 91 (94). 118 Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, 2018, S. 489. 119 Vgl. Übersicht bei ebenda, S. 489f. 120 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 44. 121 BKartA, Beschl. v. 6.2.2019 – B6-22/16 (Facebook), BeckRS 2019, 4895, Rn. 249. 122 OTT-Kommunikationsdienste erbringen ihre Leistung „Over the Top“, was deren Erbringung über das offene Internet bei gleichzeitiger weitgehender Unabhängigkeit von herkömmlicher Telekommunikationsinfrastruktur beschreiben soll. Die Nutzung dieser Kommunikationsdienste setzt einen bestehenden Internetzugang für den jeweiligen Nutzer über einen Telekommunikationsdienst voraus und stellt die Schaffung dieser Voraussetzung in das alleinige Risiko des Nutzers; Telle, in: Taeger/Telle, Aktuelle Rechtsfragen im Informationsrecht in Rumänien und Deutschland, 2017, S. 39 (40). 123 BKartA, Beschl. v. 22.10.2015 – B6-57/15 (Online-Datingplattformen), BeckRS 2016, 1137, Rn. 17, 19, 72. 124 BKartA, Beschl. v. 22.10.2015 – B6-57/15 (Online-Datingplattformen), BeckRS 2016, 1137, Rn. 17; das BKartA unterscheidet in dem konkreten Verfahren zwischen den Kategorien Partnervermittlungsplattformen (Rn. 26), Singlebörsen (Rn. 29) und Casual-/Adult-Dating-Plattformen (Rn. 31). 125 Haucap, Wirtschaftsdienst 2015, S. 91 (92). 126 Lewandowksi, in: Kuhlen/Semar/Strauch, Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 2013, S. 495 (499). 127 Glöggler, Suchmaschinen im Internet, 2003, S. 39f. 128 Vgl. Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, S. 162 (165), die von einem „effizientesten Zugang zu den relevantesten Informationen“ sprechen. 129 Ebenda, S. 162 (164). 130 Henseler-Unger, in: Sassenberg/Faber, Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things, § 1, Rn. 15; Scheer, IS 2016, S. 275 (278); Andelfinger/Hänisch, Internet der Dinge, 2015, S. 32. 131 Sürmeli et al., IS 2017, S. 595 (596); Drescher, Blockchain Basics, 2017, S. 11ff. 132 Einführend zur Blockchain-Technologie aus juristischer Perspektive: Pesch/Sillaber, CRi 2017, S. 166 (167); Saive, CR 2018, S. 186 (186f.). 133 Vgl. dazu die Übersicht bei Drescher, Blockchain Basics, 2017, S. 216. 134 Telle, in: Taeger/Telle, Aktuelle Rechtsfragen im Informationsrecht in Rumänien und Deutschland, 2017, S. 39 (41). 135 Dreher, ZWeR 2009, S. 149 (151). 136 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 213; Simonis, in: Sauer/Lang, Paradoxien der Innovation, 1999, S. 149 (152). 137 Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, 2014, S. 124.
III. Plattformspezifische Wettbewerbsphänomene
In der ökonomischen Literatur werden Plattformen häufig mehrseitige Märkte genannt.138 Das bedeutet zunächst, dass Plattformen üblicherweise nicht nur einen Markt bedienen, sondern mehrere. Das allein wäre dabei nicht ungewöhnlich, da auch andere Unternehmen, die keine Plattformen sind, auf einer für sie selbst unübersehbaren Anzahl an Märkten im Sinne des Kartellrechts als Anbieter wie auch Nachfrager von Produkten oder Leistungen auftreten können. Und auch Plattform-Unternehmen selbst werden in ähnlicher Weise als Anbieter und Nachfrager auf einer Vielzahl an anderen Märkten tätig, ohne dass dies im Zusammenhang mit ihrer Eigenschaft als Plattform zusammenhängt. Vielmehr zeichnen sich diese Unternehmen in besonderer Weise dadurch aus, dass sie von verschiedenen wirtschaftlichen Effekten profitieren und mit Besonderheiten konfrontiert sind, wie sie bei herkömmlichen beobachteten Marktkonstellationen regelmäßig nicht in diesen Formen auftreten.
Die bisherigen Beobachtungen für Plattformen haben bereits gezeigt, dass es bei ihnen besonders einerseits darauf ankommt, Nutzer „mit an Bord“ zu holen, und andererseits, dass die Entscheidungen der Nutzer weitere Einflüsse auf die Entscheidungen weiterer Nutzer oder anderer Individuen haben können. Plattformen vernetzen ihre Nutzer also untereinander, sodass sie auch als Netzwerk bezeichnet werden können.139 Sie erlangen ihre wirtschaftliche Bedeutung überhaupt erst durch die tatsächliche Wahrnehmung durch ihre Nutzer. Die Auswirkungen und Abhängigkeiten der Nutzerentscheidungen auf Nutzergruppen werden als Netzwerkeffekte beschrieben.140 Der Plattform-Betreiber kann von diesen Netzwerkeffekten profitieren, zum Beispiel indem er mit steigender Nutzerzahl die Kosten für den Aufbau und Betrieb der Plattform auf eine größere Nutzeranzahl verteilen kann und darüber hinaus Gewinne über zunehmende Umsätze erwirtschaftet.141
In der industriekökonomischen Literatur hat sich um den Beginn des neuen Jahrtausends herum das Konzept der „mehrseitigen Märkte“ ausgebildet.142 Hierunter lassen sich verschiedene vor allem wirtschaftswissenschaftliche Erklärungsversuche zusammenfassen, die die herkömmliche Betrachtung des Marktes unter Berücksichtigung von Netzwerkeffekten und sogenannten Externalitäten erweitern und insbesondere für die kartellrechtliche Bewertung von Plattform-Sachverhalten herangezogen werden.143 Maßgeblich sind hierfür unter anderem die Aufsätze von Evans144, Schmalensee145, Rochet/Tirole146 und Armstrong147, die sich zunächst noch ausschließlich mit wettbewerblichen Zusammenhängen in der Kreditkarten-Branche befassten, deren Erkenntnisse auf andere Plattform-Konstellationen übertragen werden.148 Zusammengefasst zeichnen sich hiernach bezeichnete mehrseitige Märkte durch verschiedene Besonderheiten aus. Zum einen besteht ihr maßgebliches Angebot in der Erbringung von Vermittlungsleistungen zwischen verschiedenen Nutzergruppen, welche in dieser Form nicht oder noch nicht für beide Nutzergruppen ausreichend internalisiert sind.149 Zum anderen machen sich die Unternehmen dabei die zwischen den Nutzergruppen bestehenden indirekten Netzwerkeffekte zu eigen. Das bedeutet, dass die Transaktionskosten zwischen diesen Nutzergruppen bisher höher waren und aufgrund dessen die Nutzergruppen weniger optimal zusammenfanden. Diese Nutzergruppen werden je nach Ausrichtung der Vermittlung in verschiedene Kategorien unterteilt und können mit unterschiedlichen Preisen belegt werden. Der wesentliche Sinn und damit wettbewerbliche Vorteil digitaler Plattform besteht also in der Erbringung von nutzergruppenübergreifenden – und vermittelnden Dienstleistungen.
Das Bundeskartellamt hat in einem Beschluss über eine Zusammenschlusskontrolle im Jahr 2008 erstmalig die Wirkung von indirekten Netzwerkeffekten