Kartellrechtliche Schadensersatzklagen. Fabian Stancke
Zuständig ist dann das Gericht des nach dem anwendbaren materiellen Recht zu bestimmenden gesetzlichen und in gewissen Grenzen auch des vertraglich vereinbarten Erfüllungsortes.320
152
Da für deliktische Schuldverhältnisse § 32 ZPO gilt, besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen.321 Für eine Gerichtsstandbegründung gemäß § 29 ZPO ist z.B. Raum, wenn über die Wirksamkeit oder die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer wettbewerbsbeschränkenden vertraglichen Vereinbarung gestritten wird, deren Erfüllungsort innerhalb Deutschlands liegt.322
c) Gerichtsstand der Niederlassung
153
Gemäß § 21 ZPO besteht ein besonderer Gerichtsstand am Ort der Niederlassung. Dieser besondere Gerichtsstand ist vom allgemeinen Gerichtsstand am Geschäftssitz, §§ 12, 17 ZPO, abzugrenzen. Da sich die Norm auf alle vermögensrechtlichen Ansprüche vertraglicher und gesetzlicher Natur bezieht,323 werden auch kartellrechtliche Schadensansprüche erfasst.
154
Unter einer Niederlassung versteht man jede auf eine gewisse Dauer errichtete Geschäftsstelle, von der aus Geschäfte geschlossen werden.324 Gewerblich ist diese, wenn sie auf die Erzielung eines Gewinns abzielt.325 Weiter muss die Niederlassung hinreichend selbstständig sein und der geltend gemachte Anspruch muss einen hinreichenden Bezug zur geschäftlichen Tätigkeit der betroffenen Niederlassung aufweisen.326 Ein solcher Bezug besteht, wenn der Anspruch aus der Geschäftstätigkeit der Niederlassung resultiert.327 Dies dürfte dann der Fall sein, wenn die Niederlassung selbst einen Verstoß gegen das Kartellgesetz begangen hat oder durch den deliktischen Kartellverstoß zumindest eine Begünstigung eintritt.328 Es dürfte auch schon genügen, wenn die inländische Niederlassung einen vom ausländischen Inhaber geschlossenen, auf einer rechtswidrigen Kartellabrede beruhenden Vertrag erfüllen soll.329
155
Der in § 21 ZPO begründete Gerichtsstand ist für kartellrechtliche Schadensersatzklagen vor allem dann von praktischer Relevanz, wenn ein ausländischer Kartellbeteiligter keinen Sitz im Geltungsbereich der EuGVVO besitzt. Hier ist § 21 ZPO anwendbar und eröffnet dem Kläger, freilich innerhalb der von § 21 ZPO eng gesteckten Grenzen, die Möglichkeit zur Erhebung einer Klage gegen einen außereuropäischen Kartellbeteiligten.
d) Gerichtsstand des Vermögens
156
Gemäß § 23 ZPO ist für Klagen am Wohnsitz des Schuldners das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen oder mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstände befinden. Auch dieser Gerichtsstand kann unter Umständen eine für Kläger denkbare Alternative darstellen, wenn sonst kein Gerichtsstand im Inland begründet ist aber der mutmaßliche Kartellbeteiligte über ein substanzielles Inlandsvermögen verfügt.330 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die ständige Rechtsprechung als Korrektiv für die Weite dieses Gerichtsstandes neben der Vermögensbelegenheit einen hinreichenden Inlandsbezug des Rechtsstreits verlangt, um zu einer internationalen Zuständigkeit zu gelangen.331
e) Parteivereinbarungen über die Zuständigkeit
157
Die Prorogation zugunsten deutscher Gerichte richtet sich auch bei Drittstaatfällen nach Art. 25 EuGVVO, so dass die §§ 38, 40 Abs. 1 ZPO nur noch die isolierte Derogation regeln. Es findet damit die oben skizzierte Rechtsprechung des EuGH in Sachen CDC und Apple auf Gerichtsstands- und Schiedsklauseln Anwendung.
158
Das schiedsrichterliche Verfahren ist in den §§ 1025ff. ZPO geregelt. Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche können Gegenstand einer Schiedsabrede sein.332 Dabei allerdings ist das Gericht an § 185 Abs. 2 GWB als zwingende Norm des deutschen Kartellrechts gebunden.333 Wenn das Ergebnis einer schiedsrichterlichen Entscheidung den Normen des deutschen oder europäischen Kartellrechts zuwiderläuft, ist diese in Deutschland nicht vollstreckbar.334 Praktisch dürften sich auch hier deutsche Gerichte an der CDC- und Apple-Rechtsprechung orientieren.
f) Rügelose Einlassung
159
Gemäß § 39 ZPO wird die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt auch für die internationale Zuständigkeit.335 Die in § 40 Abs. 2 ZPO enthaltenen Ausnahmen sind für kartellrechtliche Schadensersatzverfahren regelmäßig nicht relevant.
160
Soweit die EuGVVO anwendbar ist, wird § 39 ZPO allerdings durch Art. 26 EuGVVO verdrängt.336 Für die Prozessparteien stellt es keinen bloßen Formalismus dar, ob eine rügelose Einlassung nach Art. 26 EuGVVO oder § 39 ZPO begründet wird, da sich die Voraussetzungen beider Normen teilweise erheblich unterscheiden.337
161
Mündliches Verhandeln im Sinne von § 39 ZPO sind alle Ausführungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur zur Begründetheit des streitgegenständlichen Anspruchs.338 Auf die Motive oder auch nur das Bewusstsein des Beklagten kommt es dabei nicht an.339 Allerdings soll nach nicht unbestrittener Ansicht eine rügelose Einlassung nicht in Betracht kommen, bevor die Sachanträge gestellt worden sind, da sich das Verhandeln auf die Hauptsache beziehen müsse und diese durch die Stellung der Klageanträge, nicht aber ihre bloße schriftsätzliche Ankündigung, bestimmt werde.340 Jedenfalls in einem Sachantrag gemäß § 137 Abs. 1 ZPO selbst liegt ein Verhandeln zur Hauptsache.341 Nicht auf die Hauptsache bezogen und damit nicht zuständigkeitsbegründend ist ein Verhandeln zu bloßen Verfahrens- oder Zulässigkeitsfragen.342
162
Durch die Erhebung einer Zuständigkeitsrüge wird die Begründung der Zuständigkeit des Gerichts verhindert, auch wenn sich der Beklagte zur Sache einlässt.343 Bei gleichzeitiger Zuständigkeitsrüge ist auch ein Antrag auf Erlass eines klageabweisenden Versäumnisurteils keine rügelose Einlassung.344 Die Rüge der örtlichen Zuständigkeit beinhaltet auch die Rüge der internationalen Zuständigkeit, wenn der Beklagte seine Rüge nicht ausdrücklich auf die örtliche Zuständigkeit beschränkt wissen wollte.345
163
Auch im Anwendungsbereich von § 39 ZPO ist zu beachten, dass die Zuständigkeitsrüge hinreichend konkret auf die örtliche, sachliche oder internationale Zuständigkeit bezogen sein muss.346 Im Hinblick auf die Rüge der internationalen Zuständigkeit hat der BGH ausdrücklich entschieden, dass diese auch erstmals zu Beginn der mündlichen Verhandlung erhoben werden kann, wenn der Beklagte zumindest gleichzeitig mit seiner Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze in der mündlichen Verhandlung die internationale Unzuständigkeit des entscheidenden Gerichts rügt.347 Dem steht auch bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nicht entgegen, dass sich der Beklagte in der schriftlichen Klageerwiderung ausschließlich zur Sache eingelassen hat.348
164
Eine Wiederholung der Rüge der internationalen Zuständigkeit in zweiter Instanz ist im Anwendungsbereich von § 39 ZPO nicht erforderlich.349 Allerdings kann der Beklagte die erstinstanzlich versäumte Rüge der internationalen Zuständigkeit nicht zu einem späteren Zeitpunkt und auch nicht in zweiter Instanz nachholen.350 Das Berufungsgericht prüft die internationale Zuständigkeit also nur dann, wenn der Beklagte diese bereits in erster Instanz gerügt hat und seine Rüge auch in zweiter Instanz aufrechterhält.351 Das gilt auch in der Revisionsinstanz, in der die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht durch § 545 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen wird.352
165
Anders als im Anwendungsbereich von Art. 26 EuGVVO muss der Beklagte die Rüge der internationalen Zuständigkeit nicht während des gesamten