Praxishandbuch DSGVO. Tobias Rothkegel
Ein solcher Widerspruch kann ggf. zur Folge haben, dass der Verantwortliche die davon betroffenen Daten nicht mehr verarbeiten darf. Siehe ausführlich hierzu Kap. 6 Rn. 568ff., insbesondere auch zu den insoweit bestehenden Informationspflichten und zu weiteren Modalitäten.
4. Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Werbung
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Die DSGVO beinhaltet – anders als das BDSG a.F. in § 28 Abs. 3–5 BDSG a.F. – keine Sondervorschriften für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Werbung. Damit richtet sich deren Zulässigkeit also nach den allgemeinen Erlaubnisvorschriften gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO.140
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Der Begriff der „Werbung“ ist dabei weit zu verstehen und lehnt sich an Art. 2 lit. a der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung an.141 Demnach ist „Werbung“ jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern.
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Einerseits kann die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Werbung auf eine Einwilligung der betroffenen Person gestützt werden. Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Einwilligung werden ausführlich unter Rn. 243ff. erläutert. Zudem werden in Kap. 17 Rn. 125ff. die speziellen Anforderungen an Einwilligungen zu Werbezwecken im Bereich des Customer-Relationship-Management erläutert, insbesondere vor dem Hintergrund der sich aus der ePrivacy-Richtlinie 2002/58/EG ergebenden Besonderheiten.
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Holt der Verantwortliche keine entsprechende Einwilligung von der betroffenen Person ein oder erfasst die eingeholte Einwilligung die geplante Verarbeitung der Daten nicht, kann der Verantwortliche deren Verarbeitung zu Werbezwecken aber ggf. auch auf gesetzliche Erlaubnisvorschriften stützen. Zumindest in bestimmten Einzelfällen ist es denkbar, eine solche Datenverarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO zu stützen.142 In den weitaus meisten Fällen kommt als gesetzliche Rechtsgrundlage insoweit allerdings Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO („Datenverarbeitung auf Basis einer Interessenabwägung“) in Betracht, soweit es sich bei der betroffenen Person um kein Kind handelt.143 So besagt auch Erwägungsgrund 47 ausdrücklich, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden kann.144
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Damit eröffnet die DSGVO Werbetreibenden Datenverarbeitungs- und Nutzungsmöglichkeiten, ohne eine entsprechende Einwilligungserklärung der betroffenen Person einholen zu müssen. So enthält Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auch keine § 28 Abs. 3 S. 2 BDSG a.F. entsprechende Beschränkung der Datenkategorien (auf die sogenannten Listendaten), die zu Zwecken der Werbung verarbeitet werden dürfen. Vielmehr erlaubt die Vorschrift – sofern die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind – die Verarbeitung sämtlicher Datenkategorien (mit Ausnahme der besonderen Kategorien personenbezogener Daten, deren Verarbeitung sich zuvorderst nach Art. 9 DSGVO (wohl i.V.m. Art. 6 Abs. 1 DSGVO)145 richtet, und von Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gem. Art. 10 DSGVO).
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Aus der Formulierung in Erwägungsgrund 47 DSGVO, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden kann, kann nicht nur entnommen werden, dass Direktwerbung ein berechtigtes Interesse i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO sein kann.146 Vielmehr bestehen nach hier vertretener Ansicht gute Argumente, dass aus dieser Formulierung eventuell auch entnommen werden kann, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Direktwerbung auch ohne Einwilligung der betroffenen Person nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO grundsätzlich zulässig ist (die Interessenabwägung also grundsätzlich zugunsten des Verantwortlichen/Dritten ausgeht) – wobei dies allerdings stets im Einzelfall zu prüfen ist und von der jeweils konkreten Werbemaßnahme abhängt –, wenn:
– die Datenverarbeitung erforderlich zur Durchführung der Direktwerbung ist,
– die Datenverarbeitung zu Werbezwecken für die betroffene Person vernünftigerweise zu erwarten war (z.B. durch eine entsprechende Information auf der Website, über die die zu verarbeitenden Daten erhoben wurden, typische Akzeptanz in der jeweiligen Sozialsphäre)147 und
– ein „Näheverhältnis“ zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person besteht, wobei nach Erwägungsgrund 47 DSGVO ein solches Näheverhältnis bestehen kann, wenn die betroffene Person ein Kunde des Verantwortlichen ist.148
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Auch wenn eine betroffene Person selbst mit einem gewerblichen Händler/Anbieter in Kontakt tritt, kann ggf. eine entsprechende vernünftige Erwartungshaltung sowie ein ausreichendes Näheverhältnis bestehen.149 Ebenso kann die Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken, die ein Verantwortlicher von einem anderen Verantwortlichen – z.B. einem Datenhändler – erhält, nach hier vertretener Ansicht ggf. auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden.150 In diesem Fall ist dann aber besonders sorgfältig zu prüfen, ob in der jeweiligen Konstellation nicht doch die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, zumal die Datenschutzaufsichtsbehörden Erlaubnisvorschriften bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Werbung i.d.R. restriktiv auslegen.
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Allerdings ist in diesem Zusammenhang stets zu beachten, dass die werbliche Ansprache einer betroffenen Person in vielen Fällen, z.B. bei E-Mail- und telefonischer Werbung, nicht durch die DSGVO geregelt wird. So geht die Datenschutzrichtlinie in der elektronischen Kommunikation 2002/58/EG der DSGVO nach Art. 95 DSGVO unter den dort genannten Voraussetzungen vor. In Deutschland wurde diese Richtlinie u.a. in § 7 UWG umgesetzt, der u.a. die werbliche Ansprache mittels E-Mail und Telefonanrufen regelt. Vor diesem Hintergrund haben die in § 7 UWG enthaltenen Regelungen, die der Umsetzung der genannten Richtlinie dienen – z.B. das grundsätzliche Zustimmungserfordernis zu telefonischer und elektronischer Direktwerbung –, nach hier vertretener Ansicht Vorrang vor den allgemeinen Regelungen der DSGVO, z.B. in Art. 6 DSGVO.151
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Dafür, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Direktwerbung in vielen Fallkonstellationen auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden kann, steht den betroffenen Personen – quasi im Gegenzug – im Fall der Verarbeitung ihrer Daten zu Zwecken des Direktmarketing ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO zu. Über dieses Recht hat der Verantwortliche die betroffene Person gem. Art. 13 Abs. 2 lit. b DSGVO zum Zeitpunkt der Datenerhebung bzw. gem. Art. 14 Abs. 2 lit. c DSGVO innerhalb der in Art. 14 Abs. 3 DSGVO normierten Frist zu informieren. Übt die betroffene Person dieses Recht aus, darf der Verantwortliche keine Daten der betroffenen Person mehr auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO für Werbezwecke verarbeiten.
Stellungnahmen der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden
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Die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden haben bereits mehrere Stellungnahmen zur Verarbeitung personenbezogener Daten für Werbezwecke veröffentlicht – insbesondere die „Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung unter Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)“.152
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In dieser Orientierungshilfe erläutern die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden ausführlich sowohl die nach ihrer Ansicht bestehenden allgemeinen Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Werbung als auch die